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Wie verhalten sich Menschen, wenn der Staat sein Gewaltmonopol nicht durchsetzen kann, wenn gewohnte Ordnungen zusammenbrechen und die Möglichkeit, sich etwas mit Gewalt zu nehmen, eine Option, wenn nicht für jedermann, so doch für viele wird? Wenn also Gewalträume entstehen, in denen nur das Recht des Stärkeren gilt? Felix Schnell untersucht diese Kultur der Gewalt am Beispiel der Ukraine zwischen 1905, dem Jahr der ersten Russischen Revolution, und 1933, als die sowjetische Herrschaft gefestigt und die Kollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen war. Seine Analyse des Gewalthandelns der…mehr
Wie verhalten sich Menschen, wenn der Staat sein Gewaltmonopol nicht durchsetzen kann, wenn gewohnte Ordnungen zusammenbrechen und die Möglichkeit, sich etwas mit Gewalt zu nehmen, eine Option, wenn nicht für jedermann, so doch für viele wird? Wenn also Gewalträume entstehen, in denen nur das Recht des Stärkeren gilt? Felix Schnell untersucht diese Kultur der Gewalt am Beispiel der Ukraine zwischen 1905, dem Jahr der ersten Russischen Revolution, und 1933, als die sowjetische Herrschaft gefestigt und die Kollektivierung der Landwirtschaft abgeschlossen war. Seine Analyse des Gewalthandelns der militanten Banden und ihrer Anführer offenbart, dass für dessen Entstehung weniger politische Ideologien als vielmehr Möglichkeiten und Anforderungen im Ausnahmezustand ausschlaggebend sind. Gewalt, so Schnell, ist viel mehr als ein Instrument, mit dem man tötet, verletzt oder sich fremdes Gut aneignet. Sie folgt eigenen Logiken, ist ein Mittel der Machtdemonstration und Kommunikation innerhalb der militanten Gruppe; sie stiftet Gemeinschaft und Identität und gibt Orientierung im Ungewissen.
Felix Schnell, PD Dr.phil., geboren 1970, Osteuropahistoriker, lehrt als Privatdozent an der Humboldt- Universität zu Berlin.
Inhaltsangabe
Inhalt Einleitung Das Laboratorium der Gewalt Voraussetzungen Herrschaft unter staatsfernen Bedingungen Gewalt als Teil der bäuerlichen Kultur Soziale Spannungsfelder und Staatsferne in urbanen Räumen Die Revolution von 1905 Bauernunruhen und -aufstände Gruppenmilitanz im Untergrund Ein Schüler des Gewaltraums: Nestor Machno Pogrome Offen auftretende Gruppenmilitanz: Selbstwehren und Milizen Fallbeispiel: die revolutionäre Miliz von Grisino Ein Gouvernement im Ausnahmezustand - Jekaterinoslaw 1905 Eine militante Gruppe in ihrem Gewaltraum Die Dialektik von Gruppenmilitanz und Gewaltraum Entgrenzung der Gewalt in Krieg und Bürgerkrieg Der Erste Weltkrieg als Schule der Gewalt und der Entstaatlichung Revolution als "blutiger Karneval" Der Bürgerkrieg in der Ukraine: makrosoziale Konturen Die Revolution in der Ukraine, 1917 bis 1918 Die deutsche Besatzung, März bis November 1918 Die Ukraine als Schlachtfeld, 1919 bis 1920 Der Bauernkrieg, 1918 bis 1921 Der Hobbesianische Raum aus der Perspektive der Schwachen Dörfliche Gruppenmilitanz Bauern gegen Besatzungstruppen Innerdörfliche und zwischendörfliche Konflikte Zwei Dörfer im Zwist: Botvinovka contra Bosovka Ethnisierung und Politisierung lokaler Konflikte Vom Widerstand zur Gruppenmilitanz Verfestigte und dauerhafte Gruppenmilitanz "Reguläre" Kriegführung Atamanscina Fallbeispiel I: der Ataman Volynec Fallbeispiel II: der Ataman Zelenyj Exkurs: Antonovscina Ein Ataman und seine Armee: Nestor Machno Vergangene und gegenwärtige Historisierung der Machnovscina Eine kurze Geschichte der Machnovscina Die Machnovscina in kulturhistorischer Sicht Charismatische Führung und Machno-Kult Gewalt als Qualifikation von Führerschaft Fotografische Inszenierungen militanter Vergemeinschaftung Exkurs: Frauen in der Machno-Armee Vergemeinschaftung durch Gewalt Gewalt gegen Schwache Hinrichtungsrituale Gewalt als sinnstiftendes Element einer Kämpfergemeinschaft Umrisse einer gruppeninternen Gewaltkultur Machnovscina - Sonderfall oder typische Erscheinung der Atamanscina? Das Ende der AtamanÇsÇcina in der Ukraine Staatsbildung im Gewaltraum Wirtschaftliche und strukturelle Hintergründe der Kollektivierung Dörfliche Spannungsfelder in der NÖP-Periode Ambitionen des Staates und ökonomische Realitäten Der Bürgerkrieg als mentaler Steg Stalin und die führenden Bolschewiki Das Fußvolk der Partei Lebende Tote, anwesende Abwesende - die Macht der Erinnerung Gerüchte und Wunschdenken Die Angst der Bolschewiki vor neuen Atamanen Phantasmagorien à la carte: die Giftküche der OGPU Der Angriff auf das Dorf Die Kollektivierung als Staatsaktion Abmessungen von Staatsferne Gewalt gegen den eigenen Apparat Bäuerlicher Widerstand Militante Gruppen in lokalen Kontexten "Banditismus" "Gelegenheit macht ..." - Ausnutzung lokaler Parteistrukturen Machtworte und Zuckungen revolutionärer Gesetzlichkeit Wie man die Dorfsolidarität sprengt: "Stepanovka", Herbst 1930 Aktivistenbanditismus - Kleinreiche des Terrors Herrschaft im "Modus des Überfalls" Praxis im Gewaltraum: konkrete Beispiele Gewalträume als geschützte Zonen staatsferner Obrigkeit Fazit: Gruppenmilitanz während der Kollektivierung Schluss Danksagung Anhang Glossar und Abkürzungsverzeichnis Quellen- und Literaturverzeichnis
Inhalt Einleitung Das Laboratorium der Gewalt Voraussetzungen Herrschaft unter staatsfernen Bedingungen Gewalt als Teil der bäuerlichen Kultur Soziale Spannungsfelder und Staatsferne in urbanen Räumen Die Revolution von 1905 Bauernunruhen und -aufstände Gruppenmilitanz im Untergrund Ein Schüler des Gewaltraums: Nestor Machno Pogrome Offen auftretende Gruppenmilitanz: Selbstwehren und Milizen Fallbeispiel: die revolutionäre Miliz von Grisino Ein Gouvernement im Ausnahmezustand - Jekaterinoslaw 1905 Eine militante Gruppe in ihrem Gewaltraum Die Dialektik von Gruppenmilitanz und Gewaltraum Entgrenzung der Gewalt in Krieg und Bürgerkrieg Der Erste Weltkrieg als Schule der Gewalt und der Entstaatlichung Revolution als "blutiger Karneval" Der Bürgerkrieg in der Ukraine: makrosoziale Konturen Die Revolution in der Ukraine, 1917 bis 1918 Die deutsche Besatzung, März bis November 1918 Die Ukraine als Schlachtfeld, 1919 bis 1920 Der Bauernkrieg, 1918 bis 1921 Der Hobbesianische Raum aus der Perspektive der Schwachen Dörfliche Gruppenmilitanz Bauern gegen Besatzungstruppen Innerdörfliche und zwischendörfliche Konflikte Zwei Dörfer im Zwist: Botvinovka contra Bosovka Ethnisierung und Politisierung lokaler Konflikte Vom Widerstand zur Gruppenmilitanz Verfestigte und dauerhafte Gruppenmilitanz "Reguläre" Kriegführung Atamanscina Fallbeispiel I: der Ataman Volynec Fallbeispiel II: der Ataman Zelenyj Exkurs: Antonovscina Ein Ataman und seine Armee: Nestor Machno Vergangene und gegenwärtige Historisierung der Machnovscina Eine kurze Geschichte der Machnovscina Die Machnovscina in kulturhistorischer Sicht Charismatische Führung und Machno-Kult Gewalt als Qualifikation von Führerschaft Fotografische Inszenierungen militanter Vergemeinschaftung Exkurs: Frauen in der Machno-Armee Vergemeinschaftung durch Gewalt Gewalt gegen Schwache Hinrichtungsrituale Gewalt als sinnstiftendes Element einer Kämpfergemeinschaft Umrisse einer gruppeninternen Gewaltkultur Machnovscina - Sonderfall oder typische Erscheinung der Atamanscina? Das Ende der AtamanÇsÇcina in der Ukraine Staatsbildung im Gewaltraum Wirtschaftliche und strukturelle Hintergründe der Kollektivierung Dörfliche Spannungsfelder in der NÖP-Periode Ambitionen des Staates und ökonomische Realitäten Der Bürgerkrieg als mentaler Steg Stalin und die führenden Bolschewiki Das Fußvolk der Partei Lebende Tote, anwesende Abwesende - die Macht der Erinnerung Gerüchte und Wunschdenken Die Angst der Bolschewiki vor neuen Atamanen Phantasmagorien à la carte: die Giftküche der OGPU Der Angriff auf das Dorf Die Kollektivierung als Staatsaktion Abmessungen von Staatsferne Gewalt gegen den eigenen Apparat Bäuerlicher Widerstand Militante Gruppen in lokalen Kontexten "Banditismus" "Gelegenheit macht ..." - Ausnutzung lokaler Parteistrukturen Machtworte und Zuckungen revolutionärer Gesetzlichkeit Wie man die Dorfsolidarität sprengt: "Stepanovka", Herbst 1930 Aktivistenbanditismus - Kleinreiche des Terrors Herrschaft im "Modus des Überfalls" Praxis im Gewaltraum: konkrete Beispiele Gewalträume als geschützte Zonen staatsferner Obrigkeit Fazit: Gruppenmilitanz während der Kollektivierung Schluss Danksagung Anhang Glossar und Abkürzungsverzeichnis Quellen- und Literaturverzeichnis
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
An Timothy Snyders Argumentation von den "Bloodlands" anknüpfend, hat Felix Schnell für die Ukraine zwischen 1909 und 1933 "Gewalträume" untersucht, wobei er in den Augen des Rezensenten Christoph Villinger das Ganze präziser und wissenschaftlich fundierter angeht als der amerikanische Historiker. Schnell sucht nach den "mentalen Grundsteinen", die in der Ukraine seit der ersten Russischen Revolution 1909 immer wieder zu brutaler "Gruppenmilitanz" geführt haben, der Millionen Menschen zum Opfer fielen. Wenn ihm der Rezensent auch nicht in allen Befunden zustimmen kann, so findet er Schnells Darlegungen dennoch anregend und intellektuell gehaltvoll. Positiv fällt Villinger auf, dass sich mit der spezifischen Perspektive auf "neutrale Gewalträume" ein Blick auf "politische Handlungsspielräume" von heute ergibt. Wenn der Autor allerdings auf die Staatsmacht setzt, überzeugt das den Rezensenten nicht so recht: Auf heutigem ukrainischem Gebiet ging die größte Gewalt gerade von staatlicher Macht aus.