Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Universität Regensburg (Institut für Germanistik), Veranstaltung: Hauptseminar :Tewjes Töchter - Lebensentwürfe west- und ostjüdischer Frauen, Sprache: Deutsch, Abstract: Die 1771 in Berlin geborene Jüdin Rahel Levin Varnhagen hat in ihrem Leben über zehntausend Briefe an etwa 300 Adressaten verfasst. Diese mehr als umfangreiche Korrespondenz kann als ihr literarisches Werk bezeichnet werden, wenngleich diese Auffassung nicht unumstritten ist, da der literarische Stellenwert des Briefes bisweilen äußerst niedrig angesetzt wird. Obwohl die meisten ihrer Briefe privater, ja fast schon intimer Natur sind, gibt Rahels Ehemann Karl August Varnhagen von Ense nach ihrem Tod die gesammelte Korrespondenz seiner Frau 1833 in gebundener Form heraus. Noch zu Lebzeiten Rahels erarbeiten sie und Varnhagen das Editionsprinzip des Buches. Sie "findet [...] nichts dabei, wenn die Briefe anderen Menschen zum Lesen weitergereicht werden", und fordert ihre Adressaten dazu auf, ihre Korrespondenzen zu sammeln und aufzubewahren. Aus dem schriftlichen Verkehr mit zahlreichen Freunden, Bekannten und Verwandten bezieht sie eine geistige Unabhängigkeit, die ihre hilft, sich nicht als Opfer von Schicksal und äußeren Umständen aufzugeben, sondern ihre Vorstellung von einer humanistischen Gesellschaft im Kleinen zu verwirklichen und zu leben. Dennoch sehen sich sowohl Rahel, als auch andere "romantische Jüdinnen", die sich der Briefform bedienten, mit dem Vorwurf konfrontiert, der Brief zähle nicht zur Literatur als solche, und diene höchstens als biographisches oder historisches Dokument. Nicht nur selbständige literarische Kreativität wird den VerfasserInnen von Briefen abgesprochen. Vielmehr seien die Schreibenden "beim ,Räsonnement' über das ihnen zur Verfügung stehende ,Bildungsmaterial' stehengeblieben". Dabei wird jedoch eine Differenzierung zwischen dem Brief in seiner eigentlichen Funktion (Privatbrief) und dem literarisierten Brief als uneigentliche Verwendungsform der schriftlichen Korrespondenz - und somit sicher nicht als dilletantisches "Hin- und Herschreiben" anzusehen - nicht berücksichtigt. Diese Unterscheidung ist jedoch unerlässlich, wenn es darum geht, die Literarizität eines Briefes offen zu legen, was besonders im Falle von Rahel Levin Varnhagen Gültigkeit besitzt und im Folgenden anhand ihrer umfangreichen Korrespondenz vorgenommen werden soll.
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