Rainer Brüderle war bei der Bundestagswahl 2013 "Gesicht und Kopf der FDP" (Philipp Rösler). Doch kaum war er zum Spitzenkandidaten nominiert, wurde er das Opfer rein politisch motivierter "Sexismus"-Vorwürfe. Brüderle und die FDP gerieten nicht nur deshalb in die Defensive. Die Partei litt zudem an ihren schlechten Umfragewerten, am Streit innerhalb ihrer Führung sowie an den ständigen Querelen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU. Zu allem Unglück zog sich der Spitzenkandidat drei Monate vor der Wahl bei einem Sturz schwere Brüche zu, konnte so den Wahlkampf nur unter Schmerzen durchstehen. Das Ende ist bekannt: Am 22. September verfehlte die FDP den Einzug in den Bundestag. Rainer Brüderle hat zu alldem bisher eisern geschwiegen, zu den Medien-Kampagnen gegen die FDP wie zu dem stellenweise gegen die Liberalen gerichteten Wahlkampf der Union. In diesem Buch nimmt er zum ersten Mal Stellung: offen, selbstbewusst, kritisch - auch selbstkritisch. Hier spricht ein Mann, der eine Schlacht verloren hat, aber nicht den Glauben an die liberale Idee.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2014Spannender Stoff
Rainer Brüderle hätte ein tolles Politiker-Buch schreiben können. Warum hat er es nicht getan?
Jetzt rede ich! Mensch, wie das klingt. Wie spannend das wohl sein muss. Nach allem, was im letzten Jahr mit Rainer Brüderle und der FDP so passiert ist. Brüderle, der in eine Sexismus-Debatte gerät; Brüderle, der sich mitten im Wahlkampf ganz fürchterlich den Arm und das Bein bricht; Brüderle, mit dem die FDP unter die Fünf-Prozent-Marke abstürzt – selten hat sich in einem einzigen Jahr für einen Politiker so viel Dramatisches gebündelt. Selten ist eine politische Karriere so zu Ende gegangen. Das muss guter Stoff sein. Kein Wunder, dass der Verlag „Jetzt rede ich!“ zum Titel des Gesprächsbuchs mit dem Journalisten Hugo Müller-Vogg gemacht hat.
Schade nur, dass Brüderle nicht den Mut hatte, dem Versprechen des Titels gerecht zu werden. So interessant der Blick auf ein solches Krisen- und Katastrophenjahr für Parteikollegen, Politikstudenten, Journalisten oder Zuschauer sein könnte, so lapidar und vorsichtig ist Brüderle geblieben. Er wollte seine Verletzungen des Jahres 2013 noch mal hinausbrüllen. Aber er wollte auf diesen 150 Seiten nicht wirklich das Fenster auf sein Politikerleben öffnen.
Da war die Nominierung zum Spitzenkandidaten und das monatelange Duell mit Parteichef Philipp Rösler. Doch Brüderle erzählt nur, was ohnehin schon bekannt ist: Dass Rösler ihm am Tag nach der Niedersachsenwahl unerwartet den Parteivorsitz anbot; dass er, Brüderle, den nicht wollte und ablehnte, und dass er Röslers Verhalten als Trickserei erlebt hat. Aber was da wirklich zwischen den beiden Kontrahenten über Wochen ablief, was in der Nacht vor diesem Morgen im Hinterzimmer eines Berliner Restaurants geschah und welche zum Teil infame Rolle andere FDP-Politiker spielten – über all das hüllt er sich in Schweigen. Das kann man natürlich machen. Aber muss man dann ein Buch schreiben?
Und da war, natürlich, der Artikel im Stern , der ihn als lüsternen älteren Mann darstellte. Die Geschichte war ein Schock, die nachfolgende Sexismus-Debatte überrollte ihn. Und doch erfährt man auch dazu nichts, was man nicht damals schon wusste: dass er es als bösartige Kampagne erlebt und keine Fehler gemacht hat. Was wäre gewesen, wenn er im Rückblick reflektiert hätte, was da passiert ist? Wie da Welten aufeinander prallten, und er die andere Welt nicht mehr verstand? Aus einer Schwäche hätte so eine Stärke werden können. Aber er wollte oder konnte das nicht.
Schade eigentlich.
STEFAN BRAUN
Der FDP-Politiker legt
kaum etwas offen –
am wenigsten eigene Zweifel
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Rainer Brüderle hätte ein tolles Politiker-Buch schreiben können. Warum hat er es nicht getan?
Jetzt rede ich! Mensch, wie das klingt. Wie spannend das wohl sein muss. Nach allem, was im letzten Jahr mit Rainer Brüderle und der FDP so passiert ist. Brüderle, der in eine Sexismus-Debatte gerät; Brüderle, der sich mitten im Wahlkampf ganz fürchterlich den Arm und das Bein bricht; Brüderle, mit dem die FDP unter die Fünf-Prozent-Marke abstürzt – selten hat sich in einem einzigen Jahr für einen Politiker so viel Dramatisches gebündelt. Selten ist eine politische Karriere so zu Ende gegangen. Das muss guter Stoff sein. Kein Wunder, dass der Verlag „Jetzt rede ich!“ zum Titel des Gesprächsbuchs mit dem Journalisten Hugo Müller-Vogg gemacht hat.
Schade nur, dass Brüderle nicht den Mut hatte, dem Versprechen des Titels gerecht zu werden. So interessant der Blick auf ein solches Krisen- und Katastrophenjahr für Parteikollegen, Politikstudenten, Journalisten oder Zuschauer sein könnte, so lapidar und vorsichtig ist Brüderle geblieben. Er wollte seine Verletzungen des Jahres 2013 noch mal hinausbrüllen. Aber er wollte auf diesen 150 Seiten nicht wirklich das Fenster auf sein Politikerleben öffnen.
Da war die Nominierung zum Spitzenkandidaten und das monatelange Duell mit Parteichef Philipp Rösler. Doch Brüderle erzählt nur, was ohnehin schon bekannt ist: Dass Rösler ihm am Tag nach der Niedersachsenwahl unerwartet den Parteivorsitz anbot; dass er, Brüderle, den nicht wollte und ablehnte, und dass er Röslers Verhalten als Trickserei erlebt hat. Aber was da wirklich zwischen den beiden Kontrahenten über Wochen ablief, was in der Nacht vor diesem Morgen im Hinterzimmer eines Berliner Restaurants geschah und welche zum Teil infame Rolle andere FDP-Politiker spielten – über all das hüllt er sich in Schweigen. Das kann man natürlich machen. Aber muss man dann ein Buch schreiben?
Und da war, natürlich, der Artikel im Stern , der ihn als lüsternen älteren Mann darstellte. Die Geschichte war ein Schock, die nachfolgende Sexismus-Debatte überrollte ihn. Und doch erfährt man auch dazu nichts, was man nicht damals schon wusste: dass er es als bösartige Kampagne erlebt und keine Fehler gemacht hat. Was wäre gewesen, wenn er im Rückblick reflektiert hätte, was da passiert ist? Wie da Welten aufeinander prallten, und er die andere Welt nicht mehr verstand? Aus einer Schwäche hätte so eine Stärke werden können. Aber er wollte oder konnte das nicht.
Schade eigentlich.
STEFAN BRAUN
Der FDP-Politiker legt
kaum etwas offen –
am wenigsten eigene Zweifel
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