Der titelgebende Begriff Rattenlinien wurde von den amerikanischen Geheimdiensten geprägt und bezeichnet die Fluchtrouten hochrangiger Kriegsverbrecher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Wesentlichen führten diese Wege gen Süden, über das italienische Südtirol als Zwischenstation, mit dem
Endziel Südamerika, aber auch Richtung Norden suchten ehemalige Nazischergen nach sicheren…mehrDer titelgebende Begriff Rattenlinien wurde von den amerikanischen Geheimdiensten geprägt und bezeichnet die Fluchtrouten hochrangiger Kriegsverbrecher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Wesentlichen führten diese Wege gen Süden, über das italienische Südtirol als Zwischenstation, mit dem Endziel Südamerika, aber auch Richtung Norden suchten ehemalige Nazischergen nach sicheren Aufenthaltsorten. Hier war unter anderem Irland ein beliebtes Ziel, nachzulesen in Stuart Nevilles Politthriller „Der vierte Mann“ (im Original „Ratlines“). Als Fluchthelfer nach Nord und Süd fungierten in vielen Fällen hohe Würdenträger der katholischen Kirche, die nicht nur bei der Planung behilflich waren, sondern den Flüchtigen in ihren Klöstern sicheren Unterschlupf gewährten.
Das ist die Ausgangssituation für Martin von Arndts Kriminalroman „Rattenlinien“, in dessen Mittelpunkt einmal mehr Andreas Eckart, ehemaliger Kommissar aus Berlin und mittlerweile in den Vereinigten Staaten zuhause, steht. Dieser erhält vom amerikanischen Geheimdienst Ende 1946 ein Angebot, dass er schwerlich ablehnen kann. Er soll sich auf die Jagd nach flüchtigen Nationalsozialisten begeben, die sich durch ihre Flucht nach Südamerika der Gerichtsbarkeit entziehen wollen. Anfangs eher skeptisch ob dieses Auftrags, stimmt Eckart dann doch zu, als er erfährt, dass das besondere Interesse der Amerikaner seinem ehemaligen Kollegen Gerhard Wagner, auch bekannt als „Schlächter von Baranawitschy“, gilt, da er sich eine Mitschuld an dessen Gräueltaten gibt.
„Rattenlinien“ führt konsequent die in „Tage der Nemesis“ begonnene Geschichte Andreas Eckarts fort. Zwar ist der Nationalsozialismus auf den ersten Blick besiegt, aber auf den zweiten Blick offenbart es sich, dass die Täter noch immer hochrangige und äußerst solvente Unterstützer haben, wenn es darum geht, sich vor der Strafverfolgung zu drücken und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Das ist es, was Eckart umtreibt, der seine Lebensaufgabe darin sieht, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem er die Täter zur Verantwortung zieht und der gerechten Strafe zuführt.
Von Arndt bleibt in seinem komplex erzählten Kriminalroman nah an den historischen Fakten und rückt einmal mehr ein Thema der deutschen Vergangenheit in den Mittelpunkt, das gerne mit dem Mantel des Schweigens bedeckt wird. Großes Kino!