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Drohen rechte Positionen "normal" zu werden in der Gesellschaft? Ausgangspunkt für eine Antwort ist eine sozialwissenschaftliche Analyse rechter Positionen und ihres gesellschaftlichen Kontextes. An welche Diskurse und gesellschaftlichen Entwicklungen schließen diese an? Wie tragen sie dazu bei, nationalistisch-völkische, antifeministische und antidemokratische Positionen zu etablieren? Die theologischen Reflexionen dieses Bandes sehen die Frage nach dem Umgang mit der "rechten Normalisierung" nicht bloß als eine pragmatische, sondern als eine genuin theologische: Kann eine politische…mehr

Produktbeschreibung
Drohen rechte Positionen "normal" zu werden in der Gesellschaft? Ausgangspunkt für eine Antwort ist eine sozialwissenschaftliche Analyse rechter Positionen und ihres gesellschaftlichen Kontextes. An welche Diskurse und gesellschaftlichen Entwicklungen schließen diese an? Wie tragen sie dazu bei, nationalistisch-völkische, antifeministische und antidemokratische Positionen zu etablieren? Die theologischen Reflexionen dieses Bandes sehen die Frage nach dem Umgang mit der "rechten Normalisierung" nicht bloß als eine pragmatische, sondern als eine genuin theologische: Kann eine politische Theologie hier gegensteuern? Welche theologischen Kriterien lassen sich im Rahmen einer Theologie des Reiches Gottes gewinnen? Können sich die Kirchen als neutrale Räume der Begegnung unterschiedlicher Positionen verstehen? Wo braucht es ihre Parteilichkeit und prophetische Unterbrechungen?
Autorenporträt
Jan Niklas Collet, Mag. theol., ist Mitarbeiter am Institut für Katholische Theologie der Universität zu Köln. Julia Lis, Dr. theol., ist Mitarbeiterin am Institut für Theologie und Politik, Münster. Gregor Taxacher, Dr. theol. habil., ist Mitarbeiter am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Tobias Schrörs liest den auf eine Tagung des Münsteraner Arbeitskreises Politische Theologie zurückgehenden, von Jan Niklas Collet, Julia Lis und Gregor Taxacher besorgten Sammelband mit Interesse. Ausgehend von der Annahme einer Normalisierung des "Rechten" wird in den Beiträgen laut Schrörs die Frage diskutiert, ob AfD-Politikern auf kirchlichen Podien eine Bühne gegeben werden sollte. Nein!, lautet die nahezu einstimmige Antwort, so Schrörs. Theologische Begründungen folgen dem einleitenden Teil im Band, erklärt Schrörs. Dass nur eine Gegenstimme (des Soziologen Thomas Wagner) aufgeführt ist, stellt der Rezensent ebenso fest wie den Umstand, dass dem Leser mitunter der rote Faden verloren geht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2021

Nun sag, wie hältst du's mit der AfD?
Die Einladung eines AfD-Vertreters zum Katholikentag in Münster führte zum Streit - und zu diesem Buch

Soll man Vertreter der AfD auf kirchliche Podien einladen? In dem hier zu besprechenden Sammelband fällt die Antwort nahezu einhellig aus: Soll man nicht. Beim Katholikentag im Jahr 2018 in Münster wurde ein AfD-Politiker zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Einige Theologen forderten in der sogenannten Münsteraner Erklärung für eine mutige Kirche vergebens dessen Ausladung. Aus dem Kreis dieser Theologen ging der Arbeitskreis Politische Theologie hervor, der zu einer Tagung einlud, nach der dann der Sammelband entstand. Dessen Titel wartet mit zwei großen Begriffen auf: rechte Normalisierung und politische Theologie.

Damit entspannt sich ein weiter Deutungsrahmen. Auf der einen Seite steht die Annahme einer rechten Normalisierung auf der Ebene der politischen Organisierung. So sei durch das Auftreten der AfD eine "signifikante Veränderung feststellbar" (Jan-Hendrik Herbst). Schließlich sei die Partei ein Sammelbecken für Menschen mit rechter Einstellung. Auf der anderen Seite ist der Anspruch zu sehen, im Gefolge des Theologen Johann Baptist Metz eine Theologie zu treiben, die Theorie einer Praxis ist, "nämlich die rationale Rechtfertigung der Praxis der Nachfolge Jesu" (Jan Niklas Collet und Fana Schiefen). Metz begründete in den Sechzigerjahren die Neue Politische Theologie.

Auf die einleitenden Beiträge folgt ein Teil mit sozialwissenschaftlichen Reflexionen, daran schließt sich ein Teil mit theologischen Reflexionen an. Abschließend geht es um Perspektiven für die Praxis. Der Sammelband sieht sich mit Metz einer "positionierten Theologie" verpflichtet, "die Partei ergreift für die Leidenden, Armen und Ausgeschlossenen" (Herbst). Die Positionierung, aus der ein Ausschluss der AfD gefolgert wird, ist unverkennbar, und bisweilen wirkt der Sammelband darum wie eine große Selbstvergewisserung, Redundanzen eingeschlossen. Ein knapperes, auf relevante Beiträge reduziertes Buch wäre vorteilhaft gewesen.

Was spricht nun für eine Ausgrenzungsstrategie gegenüber der AfD? Floris Biskamp nähert sich dieser Frage über die Entwicklung der Partei und begründet die Ausgrenzung so: Wenn die Strategie einer Partei dadurch geprägt sei, dass Rechtsextreme und Rechtsradikale um die Macht kämpften, aber versuchten, sich nach außen hin eine bürgerliche Fassade zu geben, "gibt es keinen Grund, mit ihr den Diskurs über irgendetwas zu suchen". Es gebe ferner "keinen Grund zu glauben, dass eine Einbeziehung der Partei viele ihrer Wähler*innen 'für die Demokratie zurückgewinnen könnte' - sie haben sich ja aus freien Stücken entschieden". Ein Vorteil der Ausgrenzungsstrategie ist Biskamp zufolge, dass eine Stigmatisierung der bürgerlichen Inszenierung zuwiderlaufe. Außerdem rechtfertigt er eine Ausgrenzung aus Solidarität mit "denjenigen, gegen die die AfD hetzt und die von rechtem Terror bedroht sind".

Die einzige Gegenstimme zur Ausgrenzungsstrategie stammt von dem Soziologen Thomas Wagner. Er legt seine Position in einem Interview dar, das von Herbst geführt wird. Schon die Form des Beitrags drückt also eine Distanz zur Haltung Wagners aus. Wagner kritisiert die These einer rechten Normalisierung. Mit Blick auf rechte Ideen und Positionen sagt er: "Eigentlich werden seit dem Ende der 1970er-Jahre meiner Wahrnehmung nach eher Rückzugsgefechte geführt." Bei der Ausgrenzungsstrategie ergeben sich aus Wagners Sicht verschiedene Probleme. Eine von ihm diagnostizierte "Dynamik der Ausgrenzung" tendiere dazu, sich auf immer mehr Ausgrenzungsforderungen auszuweiten. Es gehe ferner nicht um einen verharmlosenden Dialog, sondern um eine harte Auseinandersetzung. "Ich glaube, wenn man nicht an den 'zwanglosen Zwang des stärkeren Arguments' glaubt, dann kann man kein Demokrat sein."

An einigen Stellen geht der rote Faden im Sammelband verloren. Auf das Für und Wider zu der Frage, ob man nun Vertreter der AfD einladen solle, folgt etwa ein grundlegend angelegter Beitrag. Daniel Keil greift ein Zitat auf, wonach das Drama nicht der Aufstieg der Rechten sei, sondern der Aufstieg der Rechten Teil des Dramas. Sein Beitrag mündet in der Feststellung, dass "die Krise der Demokratie als Teil der Entwicklung einer organischen Krise kapitalistischer Reproduktion betrachtet werden" könne. Im nächsten Beitrag stellt Sonja Angelika Strube eine Analyse von Leserkommentaren auf rechtschristlichen Internetseiten vor.

Den roten Faden des Streits über die AfD-Einladung greift im theologischen zweiten Teil des Sammelbands Ulrich Engel wieder auf: "Während die Katholikentagsleitung formalrechtlich argumentierte, begründeten die kritischen Theolog*innen ihren Widerspruch inhaltlich." Auf der einen Seite stehe eine Position, die alle im Bundestag vertretenen Parteien unter politisch-rechtlichen Gesichtspunkten gleich behandle. Auf der anderen Seite - also auf der der Unterstützer der Münsteraner Erklärung - würden "menschenrechtsbasierte Argumente" angeführt; "demnach legitimiert der Einzug in den Bundestag auf keinen Fall eine kirchliche Gesprächseinladung an Mitglieder einer Partei, die wie die AfD rassistische und nationalistische Positionen vertritt".

Der Metz-Schüler Engel geht in seinem Text der Frage nach, "welche Kriterien sich im Rahmen einer Theologie des Reiches Gottes für einen Umgang mit rechten Positionen gewinnen lassen". Engel stellt in Auseinandersetzung mit einer Erzählung Franz Kafkas das von den Verantwortlichen des Katholikentags "vorgebrachte Argument der demokratischen Notwendigkeit hinsichtlich seines normativen Anspruchs in Frage". Im Anschluss an Walter Benjamins Essay "Kritik der Gewalt" bestimmt Engel einen Punkt jenseits der faktischen Rechtsordnung, von dem aus eine formal begründete Rechtsgewalt kritisiert werden könne. In theologischer Hinsicht, schreibt Engel, könne dieser Punkt als "Reich-Gottes-Praxis" beschrieben werden. Im theologischen Teil des Bandes spielt die Frage nach dem Selbstverständnis der Kirche insgesamt eine wichtige Rolle.

Im abschließenden, praktischen Teil des Bandes weisen Christoph Holbein-Munske und Judith Wüllhorst mit Blick auf den Katholikentag darauf hin, dass, wenn ein AfD-Vertreter auf einem Podium spreche, öffentlich sichtbar werde, dass Kirchenverantwortliche AfD-Vertreter für relevante und legitime Gesprächspartner hielten. In diesem Sinne schreiben auch die drei Herausgeber Collet, Lis und Taxacher im Epilog: "Während wir 2018 vehement für den politischen Ausschluss der AfD auf dem Katholikentag plädiert haben, sind wir wissenschaftlich aus den gleichen Gründen genau den anderen Weg verstärkter Auseinandersetzung gegangen." Dem ist hinzuzufügen, dass es der streitbaren Sache dienlicher gewesen wäre, wenn mehr als eine abweichende Stimme im Sammelband zu Wort gekommen wäre.

TOBIAS SCHRÖRS

Jan Niklas Collet, Julia Lis, Gregor Taxacher: Rechte Normalisierung und politische Theologie.

Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2021. 277 S., 26,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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