Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Eine fragwürdige Interpretation des Rechtsextremismus in den Vereinigten Staaten
Thomas Grumke: Rechtsextremismus in den USA. Leske + Budrich, Opladen 2001. 275 Seiten, 36,- Mark.
Der amerikanische Rechtsextremismus ist kein monolithischer Block, sondern ein ideologisch heterogenes Gebilde. Thomas Grumke differenziert zwei Varianten: den pan-arisch internationalistisch ausgerichteten und den "US-orientierten" Nationalsozialismus. Für letzteren steht die "National Alliance", für ersteren die NSDAP/AO (Auslandsorganisation). Daneben verweist Grumke auf die "Christian Identity"-Kirchen, welche in den Juden die Kinder des Satans und in den "Ariern" die legitimen Nachkommen der Stämme Israels sehen. Die wichtigste Vertreterin, die von Richard Butler geführte "Church of Jesus Christ-Christian/Aryan Nations", charakterisiert insbesondere einen aggressiven Antisemitismus, der sich auf die Bibel zu stützen glaubt. Davon zu unterscheiden sind die "White Aryan Resistance" sowie die betont antichristliche, indes nicht antikapitalistische Position der "World Church of the Creator"; beide subsumiert Grumke unter "drittem Weg".
Auf organisatorischer Ebene führt er darüber hinaus die rechtsextremen Skinheads, Milizen und den Ku-Klux-Klan (KKK) an, wobei der KKK, die Milizen sowie die rechtsextremen Kirchen spezifisch amerikanische Organisationsformen darstellen. Viele Rechtsextremisten machten ihre ersten politischen Erfahrungen im KKK. Die Milizen rechnet er nur zu einem Teil dem Rechtsextremismus zu.
Profitiert der Leser von Grumkes Bestandsaufnahme, sind dessen Interpretationen mitunter fragwürdig. Das gilt etwa für die These vom "neuen Typus des Internet-Rechtsextremisten". Daß gerade der Rechtsextremismus überproportional von den Segnungen der Technik profitiert, dürfte eher unwahrscheinlich sein.
Grumke untersucht, inwiefern die amerikanische politische Kultur dem Rechtsextremismus Anknüpfungspunkte bietet. Ein "Sprint" durch die amerikanische Geschichte - Sklaverei, Vertreibung der Indianer, Antikatholizismus, Ausgrenzung der asiatischen Einwanderer, Antisemitismus und sogar Antikommunismus - liefert das gewünschte Resultat: daß "rechtsradikale und rechtsextreme Muster ein fester Bestandteil der amerikanischen Tradition und kulturellen Software" seien, "auf die sich auch der gegenwärtige Rechtsextremismus beziehen" könne.
Nach diesem Muster läßt sich jedoch alles - und damit gar nichts - belegen. Sinnvolle Aussagen über die politische Kultur vermag eine faktisch bloß aufzählende Vorgehensweise, die Zusammenhänge konstatiert, aber nicht nachweist, schwerlich zu gewährleisten. Der Widerspruch zwischen Grumkes "Analyse" und der tatsächlichen Bedeutung des Rechtsextremismus in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist offensichtlich. Verstärkt wird dieser Widerspruch noch durch die Charakterisierung des Rechtsextremismus als "Gegen-Gegenbewegung". Kritikwürdig daran ist weniger die zum Ausdruck kommende Anti-Haltung der Rechtsextremisten als die mit dem Begriff "Bewegung" implizierte Stärke, die der Rechtsextremismus gerne hätte, in Wirklichkeit allerdings nicht besitzt.
Angesichts 25 000 aktiver Rechtsextremisten in den Vereinigten Staaten, die in 500 Gruppen zersplittert sind (die Zahl der Sympathisanten wird auf 150 000 bis 175 000 geschätzt), mutet Grumkes Argumentation insgesamt als Ablenkungsmanöver an. Statt der quantitativen Dimension betont er das qualitative Mobilisierungspotential, nach dem Motto: Der amerikanische Rechtsextremismus ist zwar schwach, aber er könnte einmal mächtig werden.
RALF ALTENHOF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH