(Gar nicht allzu) überraschende Allianzen
Rechtsextreme Gruppen in Deutschland: Rassistisch, sexistisch, antisemitisch und reaktionär. Das sind vermutlich Attribute, die einem schnell einfallen. Und durch das von diesen Akteur*innen immer wieder bemühte Feindbild Islam und die Gleichsetzung von
Islam und Islamismus läuft man schnell Gefahr, auch davon auszugehen, dass Rechtsradikalismus und…mehr(Gar nicht allzu) überraschende Allianzen
Rechtsextreme Gruppen in Deutschland: Rassistisch, sexistisch, antisemitisch und reaktionär. Das sind vermutlich Attribute, die einem schnell einfallen. Und durch das von diesen Akteur*innen immer wieder bemühte Feindbild Islam und die Gleichsetzung von Islam und Islamismus läuft man schnell Gefahr, auch davon auszugehen, dass Rechtsradikalismus und Islamismus erbitterte Feinde sind. Genau das ist aber ein Fehlschluss. Das berühmte Beispiel des Großmuftis von Jerusalem zur Zeit des Dritten Reichs, der mit Hitler gute Kontakte pflegte, ist keinesfalls eine Ausnahme. Vor allem ideologisch gibt es viele Parallelen zwischen beiden Bewegungen, die leider auch in der Wissenschaft noch zu selten beleuchtet werden.
Spannend ist dabei aber gerade, dass die frühen Denker des islamischen Fundamentalismus sehr stark von europäischen rechten Denkern beeinflusst wurden - Ernst Jünger ist da nicht der einzige, wenngleich vielleicht der bekannteste.
Und so begibt sich der versierte, den Nahen Osten regelmäßig bereisende Journalist Marc Thörner in diesem Sachbuch auf den Weg, um Parallelen, Kontinuitäten und gegenseitige Bezüge herauszustellen, spürt dem Einfluss der europäischen Rechten auf sunnitische Jihadisten und die schiitische Iranische Revolution nach, trifft syrische Nationalisten und stößt im Gespräch mit Alexander Gauland auf dessen Bewunderung einer im Islam beibehaltenen Spiritualität, die Gauland hierzulande stark vermisst.
Angereichert mit vielen Zitaten aus Schlüsselwerken der sogenannten Konservativen Revolution und rechter Theoretiker des vorigen Jahrhunderts, Interviews und Fotos bietet Thörners Sachbuch einen sehr fundierten und spannenden Einstieg in ein wichtiges Thema. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man, wenn man noch wenige Vorkenntnisse zu den Themen hat, an einigen Stellen zusätzlich recherchieren muss, um mitzukommen.
Meine "Kritik" ist deshalb eher Jammern auf sehr hohem Niveau: So hätte ich mir noch eine etwas genauere Begriffsklärung von "Rechtspopulismus" gewünscht, weil der Begriff in der Rechtsextremismusforschung relativ umstritten und eher weniger geeignet ist, bestimmte Gruppen zu charakterisieren.
Ich kann das Buch daher definitiv empfehlen, wenn man sich einen Überblick über das komplexe Thema verschaffen möchte - vor allem, da Thörner all das in gerade mal 180 Seiten verstaut.
Außerdem bin ich immer noch schwer begeistert von Thörners Wortschöpfung des "Phallosophen" für den rechtsextremen, maskulinistisch-primitivistischen Amerikaner Jack Donovan.