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Rede, daß ich dich sehe – die sokratische Aufforderung deutet an, welches Ziel Christa Wolf mit ihren Büchern verfolgt: sich zu erkennen zu geben, »an die Wurzeln unserer Existenz vorzudringen«. In diesem Band sind es die Werke von Schriftstellerkollegen und bildenden Künstlern, denen sie sich zuwendet. Sie schreibt über Doktor Faustus und Thomas Manns Exil in Los Angeles, Schauplatz ihres großen Romans »Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud«. Sie erzählt von den Kassandra-Radierungen der Malerin Nuria Quevedo, von den Aschebildern Günther Ueckers zu Tschernobyl und vom legendären…mehr

Produktbeschreibung
Rede, daß ich dich sehe – die sokratische Aufforderung deutet an, welches Ziel Christa Wolf mit ihren Büchern verfolgt: sich zu erkennen zu geben, »an die Wurzeln unserer Existenz vorzudringen«. In diesem Band sind es die Werke von Schriftstellerkollegen und bildenden Künstlern, denen sie sich zuwendet. Sie schreibt über Doktor Faustus und Thomas Manns Exil in Los Angeles, Schauplatz ihres großen Romans »Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud«. Sie erzählt von den Kassandra-Radierungen der Malerin Nuria Quevedo, von den Aschebildern Günther Ueckers zu Tschernobyl und vom legendären Carl friedrich Claus, der seine Sprachblätter in einer Aktentasche mit sich herumtrug. Sie zeichnet ein liebevolles Porträt von Uwe Johnson, ist streitbar für Günter Grass und entwirft beim Nachdenken über den »blinden Fleck« eine kurze Mentalitätsgeschichte der Deutschen und ihres Verhältnisses zur Literatur. In den Essays, Reden und Gesprächen der letzten Jahre, von Christa Wolf selbst ausgewählt, viele davon hier erstmals veröffentlicht, webt eine große Autorin unserer Zeit ein dichtes Netz des künstlerischen Dialogs, in dessen Zentrum wir ihr eigenes Werk sehen. Und wie nebenbei entsteht über den Weg der Kunst ein Bild unserer Verhältnisse, wie sie sind und wie sie auch sein könnten.

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Autorenporträt
Christa Wolf, geboren 1929 in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski), lebte in Berlin und Woserin, Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Georg-Büchner-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Uwe-Johnson-Preis, ausgezeichnet. Sie verstarb am 1. Dezember 2011 in Berlin.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2012

Keine Konsumsehnsucht

"Rede, daß ich dich sehe", eine Sammlung von Essays, Reden, Interviews, Gratulations- und Gefälligkeitstexten aus Christa Wolfs Nachlass, liest sich wie eine Abrechnung. In ihren Reden schwingt eine selbstbewusste Verachtung des Westens immer mit, weltanschaulich gibt es bei Wolf keine Weiterentwicklung seit den sechziger Jahren, und alles, was an der SED-Führung zu rügen sie nicht umhinkann, schiebt sie den Russen und dem Westen in die Schuhe. In Interviews praktizierte sie eine sophistische Rhetorik, immer vom hohen Ross der Ostintelligenzija: "Wir hatten, im Westen mehr als im Osten, mit den Rücken zueinander gelebt, bezogen unsere Kenntnis voneinander anstatt aus gelebter Erfahrung miteinander zumeist aus zweiter Hand, aus oft tendenziösen oder nicht genau unterrichteten Medien." Wolf reflektiert nicht auf ihren Sonderstatus als Mitglied der DDR-Kulturelite und denkt nicht im Traum daran, sich in die Konsumsehnsucht ihrer Mitbürger hineinzuversetzen: "Massenhafter Verzicht auf Konsum", bemerkt sie 2007 vor der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, "ist nicht oder noch nicht durchzusetzen." Als sie und ihr Mann in der Sowjetunion Max Frisch kennenlernten, kam es 1968 zum Streit: "Wir fanden, dass der Sozialismus schon die bessere, die zukunftsweisende Lebensform sei, trotz aller Fehler. Und Frisch hatte diese Fehler zum Thema gemacht, das fanden wir spießig." Der Eiserne Vorhang tut diesem Idealismus keinen Abbruch, im Gegenteil: "Wir hatten gehofft, nach dem Bau der Mauer würden bessere Bedingungen für eine kritische Literatur und Kunst entstehen." Die DDR - ein Reservat zum Wohle aufgeklärter Leser? "Allerdings glaube ich, dass größere Menschenmassen eher nicht von der Ratio, sondern von ihren Wünschen und Instinkten angetrieben werden. Dem müsste man eine utopische Richtung geben. Da könnte Literatur noch etwas bewirken." (Christa Wolf: "Rede, daß ich dich sehe". Essays, Reden, Gespräche. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 208 S., geb., 19,95 [Euro].)

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