Die Warschauer Anhänger des jüdischen Pseudomessias Jakob Frank und die Glaubensenthusiasten um die St. Petersburger Prophetin Ekaterina Tatarinova pflegten kirchliche und außerkirchliche sowie rabbinische und nicht-rabbinische religiöse Praxen zugleich. Aus vergleichender lebensweltlicher und mikrohistorischer Betrachtung entwickelt die Autorin das Konzept der 'situativen Religiosität', um die Selbstverortungsstrategien dieser Gläubigen zu beschreiben. Das Konzept bricht das vorgelagerte Verständnis von homogenen religiösen Identitäten auf und zeigt die Gleichzeitigkeit mehrfacher religiöser Identitäten als besonderes Phänomen der Epoche am Vorabend der religiös pluralistischen Industriegesellschaften ohne diese Identitäten als marginal, deviant oder korrupt zu lokalisieren.