Das Zentrum wahrer Religiosität, so der bekennende Atheist Albert Einstein, sei die Ehrfurcht vor den Mysterien des Universums, »deren höchste Weisheit und strahlende Schönheit wir mit unseren matten Erkenntnisvermögen nur rudimentär begreifen können«. In diesem Sinne sei er, Einstein, ein tiefreligiöser Mensch. Aber was ist religiös an einer solchen Haltung, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Ronald Dworkin in seinen Einstein-Vorlesungen, die er bis kurz vor seinem Tod zu diesem Buch ausgearbeitet hat. Religion, so seine Antwort, bezeichnet eine Sicht auf die Welt, die von einem tiefen Glauben an objektive Werte getragen wird - etwa daran, dass Geschöpfe eine Würde haben, dass ein Leben erfüllt oder verfehlt sein kann oder dass Schönheit, die uns den Atem raubt, sich nicht als pures Produkt unserer Sinnesorgane erklären lässt. Auch Theisten teilen diese Werte, meinen aber, sie seien gottgegeben. Für Dworkin verhält es sich genau umgekehrt: Die Idee eines Gottes rührt daher, dass es diese Werte wirklich gibt. Und an Gott (oder Götter) zu glauben ist eine Weise, dies auszudrücken, aber nicht die einzige. Von der Physik über die Politik bis hin zum Recht erkundet »Religion ohne Gott« den Perspektivwechsel, der mit einem solchen gottlosen Verständnis von Religion verbunden ist. Das Buch, das mit einer eindrucksvollen Reflexion über Tod und Unsterblichkeit schließt, ist das Vermächtnis eines bekennenden religiösen Atheisten. Es weitet den Blick für das, was wichtig ist.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Uwe Justus Wenzel hat Ronald Dworkins Alterswerk "Religion ohne Gott" mit großem Interesse gelesen. Der kürzlich verstorbene amerikanische Moral- und Rechtsphilosoph formuliert - nun auch für den deutschen Buchmarkt lesbar - in diesem Werk seine Thesen zum sogenannten "religiösen Atheismus", die der Kritiker durchaus reizvoll findet, etwa wenn er liest, dass nicht nur der Glaube an Gott, sondern jede Bewunderung des Alls oder Ehrfurcht vor dem Leben als Religion verstanden werden könne. Auch Dworkins "ökumenischer Vorschlag", ein Aufeinanderzugehen zwischen Gottgläubigen und "religiösen" Atheisten findet Wenzels Zustimmung. Nicht zuletzt folgt der Rezensent aufmerksam Dworkins Thesen zum verfassungsrechtlichen Problem der Religionsfreiheit und seinen Gedanken zu Tod und Unsterblichkeit. Auch wenn nach der Lektüre nicht alle Fragen geklärt sind, kann der Kritiker dieses anregende Buch unbedingt empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Dworkin nennt, was er vor Augen hat, 'religiösen Atheismus' oder 'gottlose Religiosität' - und ebendas verleiht seiner These, der Glaube an einen Gott sei nur eine der 'möglichen Manifestationen oder Konsequenzen' dieser Weltauffassung, einen reizvollen Schwung« Uwe Justus Wenzel Neue Zürcher Zeitung 20140730