Dem Wort Remont begegnet man in Russland mit zwiespältigen Gefühlen. Es bedeutet so viel wie Reparatur, Renovierung, Restaurierung, Umbau - oder einfach nur: auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Autor Werner Stolle, Jahrgang 1951, wohnte mit seiner Familie von 1989 bis 1992 in Moskau und führte in dieser Zeit intensiv Tagerbuch. Er erlebte als Lehrer an der Deutschen Schule Moskau hautnah den Zusammenbruch der Sowjetunion mit und den Aufbruch der Gesellschaft in eine ungwisse Zukunft. Mit ironischem Unterton schildert er zahlreiche, oft skurrile Alltagssituationen - beim Einkaufen, Tanken, in Restaurants oder auf Reisen durch das Land - und zeigt, welche Folgen die Zeit des Umbruchs für die Menschen hat. Eingebettet in das Zeitgeschehen, versucht er zugleich, den LeserInnen nahezubringen, wie die Gesellschaft durch mafiöse Struklturen immer weiter auseinanderdriftet und eine galoppierende Inflation immer mehr Menschen in die Armut treibt, die allerdings nie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufzugeben scheinen. So steht Remont auch als Metapher für den Zerfall der Gesellschaft nach der Wende und impliziert zugleich den Beginn einer neuen, hoffnungsfrohen Ära. Nach dem Mauerfall nähern sich erstmals die beiden deutschen Schulen in Moskau einander an. Stolle beschreibt, wie das zunächst behutsame Aufeinanderzugehen durch die überhastet angeordnete Zusammenlegung zu einer gemeinsamen Schule zu zwischenmenschlichen Konflikten führt. Das Buch ist ein sehr persönliches Zeitporträt und zeigt, dass der Autor und seine Familie sich der Faszination, die von Land und Leuten ausgeht, nicht entziehen können - und ist somit auch eine kleine Liebeserklärung an Moskau.
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