Renata Adler ist Kult, ihre Stimme unwiderstehlich und Rennboot eine Wiederentdeckung. Daran lässt die Reaktion der Presse in den USA keinen Zweifel, als Adlers Debütroman im Frühjahr 2013 nach mehr als dreißig Jahren neu aufgelegt wird. Denn Jen Fain, die Hauptfigur, schlägt jeden mit ihrem Ton in den Bann. Ob spielerische Dates ohne Folgen, New Yorker Partys, mondäne Kurzurlaube oder das tägliche Abmühen als Journalistin - Jens Aufzeichnungen beschwören auf scharfsinnige und charmante Weise das urbane Leben einer jungen, unabhängigen Frau.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2014Texte auf Speed
Endlich gibt es den Roman "Rennboot" der rennfahrenden Feministin Renata Adler wieder auf Deutsch
Am Ende hat man das Gefühl, nicht vor einem Buch, sondern neben einem Diaprojektor gesessen zu haben. In Renata Adlers Roman "Rennboot" wird eine Prosaminiatur im schnellen Tempo an die nächste gereiht, dem Leser so ein Bild nach dem anderen vor die Füße geworfen. Die Erzählerin Jen Fain ist eine Klatsch- und Kriegsreporterin, manchmal College-Dozentin und vor allem New Yorkerin. "Mein eigener Kopf ist ein Mietshaus." Darin wirbeln allerhand Geschichten aus der verrückten und brutalen Großstadt, von Liebhabern, Freunden und Partys durcheinander. Fain erzählt aber auch von der Vergangenheit, von ihrer kommunistischen Schule, bauchredenden Taxifahrern und versehentlichen Chickengame-Rennen in der Wüste, zum Beispiel.
Ein richtiger Roman mit sorgfältig entwickelten Handlungen und Figuren ist das nicht. Adlers "Rennboot" besteht aus ungeordneten Alltagsnotizen und Tagebucheinträgen, manchmal nicht länger als eine halbe Seite. Man kommt nie dicht genug ran an die Erzählfigur und die Geschichten, weil eine Szene aus dem Schützengraben sofort die einer langweiligen Spendengala ablöst. Figuren werden nicht erklärt, sie sind da oder schon wieder weg. Am Anfang stolpert man beim Lesen vielleicht noch über die scheinbar wahllos arrangierten Episoden und versucht, nach Handlungsfäden zu greifen. Dann gibt man auf und lässt sich im besten Fall auf den Rhythmus und die Lebendigkeit des Textes ein.
Renata Adler, mittlerweile 75 Jahre alt, gilt vielen als schrille Kultfigur und unangepasste Feministin. Sie schrieb den Roman 1976, nachdem sie in Harvard und an der Sorbonne studiert und als Filmkritikerin für die "New York Times" gearbeitet hatte. Der Titel "Rennboot" des lange vergriffenen und nun endlich in neuer Übersetzung wieder auf Deutsch vorliegenden Romans ist Programm: schnell, aufregend, modern, halsbrecherisch. "Und dann, bei Vollgas, begann das Boot, in seinem eigenen Winkel zur See, jede Welle mit kurzen, peitschenden Aufschlägen zu brechen, wie wenn man mit dem Handballen auf die Tischplatte schlägt. Während es so weiterknallte, saßen die Italiener gleichbleibend ruhig auf ihren Sitzen, während die amerikanische Hausfrau, in ihrem Eifer, in Erwartung jeder kleinen Welle, vor Freude herumzuhüpfen begann. Das Boot flitzte dahin; sie übertrieb jeden fröhlichen Hüpfer. Bis sie sich das Rückgrat brach." Rennboote sind natürlich auch in Romanform gefährlich. Denn das schnell klickende Buch droht immer, sich zu überschlagen und bei so vielen Kleinepisoden, die jede für sich prima ohne Psychologie auskommt, auseinanderzufallen: "Vielleicht gibt es Stories, ist ja möglich, wie Patience oder Canasta; sie werden gemischt und verteilt, dann kommt was dabei heraus oder nicht. Oder die Karten fallen auf den Boden."
Trotz dieser inhaltlichen Unschärfe macht das Buch sehr viel Spaß, weil die Episoden in einer präzisen Sprache verfasst sind. So entstehen tolle Bilder wie das einer Hotelbar, "in deren Ledersessel man das Gefühl hat, man sitze in einer Brieftasche", oder das Porträt einer Mondsonde: "Das Surveyor-Mondfoto war, in vieler Hinsicht, das beste, ein Dreifuß auf seinen drei dünnen Beinchen wie ein Fohlen. Das erste Foto, das er übermittelte, zurück zur Erde schickte, war ein schüchternes kleines Foto vom Schatten seines Fußes."
Die Feministin Renata Adler fährt gerne Rennautos. Die Geschwindiglkeit dieses Buches kann sich mit jedem Wagen messen.
ULRIKE SCHIEFELBEIN
Renata Adler: "Rennboot". Übersetzt von Marianne Frisch. Suhrkamp, 242 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Endlich gibt es den Roman "Rennboot" der rennfahrenden Feministin Renata Adler wieder auf Deutsch
Am Ende hat man das Gefühl, nicht vor einem Buch, sondern neben einem Diaprojektor gesessen zu haben. In Renata Adlers Roman "Rennboot" wird eine Prosaminiatur im schnellen Tempo an die nächste gereiht, dem Leser so ein Bild nach dem anderen vor die Füße geworfen. Die Erzählerin Jen Fain ist eine Klatsch- und Kriegsreporterin, manchmal College-Dozentin und vor allem New Yorkerin. "Mein eigener Kopf ist ein Mietshaus." Darin wirbeln allerhand Geschichten aus der verrückten und brutalen Großstadt, von Liebhabern, Freunden und Partys durcheinander. Fain erzählt aber auch von der Vergangenheit, von ihrer kommunistischen Schule, bauchredenden Taxifahrern und versehentlichen Chickengame-Rennen in der Wüste, zum Beispiel.
Ein richtiger Roman mit sorgfältig entwickelten Handlungen und Figuren ist das nicht. Adlers "Rennboot" besteht aus ungeordneten Alltagsnotizen und Tagebucheinträgen, manchmal nicht länger als eine halbe Seite. Man kommt nie dicht genug ran an die Erzählfigur und die Geschichten, weil eine Szene aus dem Schützengraben sofort die einer langweiligen Spendengala ablöst. Figuren werden nicht erklärt, sie sind da oder schon wieder weg. Am Anfang stolpert man beim Lesen vielleicht noch über die scheinbar wahllos arrangierten Episoden und versucht, nach Handlungsfäden zu greifen. Dann gibt man auf und lässt sich im besten Fall auf den Rhythmus und die Lebendigkeit des Textes ein.
Renata Adler, mittlerweile 75 Jahre alt, gilt vielen als schrille Kultfigur und unangepasste Feministin. Sie schrieb den Roman 1976, nachdem sie in Harvard und an der Sorbonne studiert und als Filmkritikerin für die "New York Times" gearbeitet hatte. Der Titel "Rennboot" des lange vergriffenen und nun endlich in neuer Übersetzung wieder auf Deutsch vorliegenden Romans ist Programm: schnell, aufregend, modern, halsbrecherisch. "Und dann, bei Vollgas, begann das Boot, in seinem eigenen Winkel zur See, jede Welle mit kurzen, peitschenden Aufschlägen zu brechen, wie wenn man mit dem Handballen auf die Tischplatte schlägt. Während es so weiterknallte, saßen die Italiener gleichbleibend ruhig auf ihren Sitzen, während die amerikanische Hausfrau, in ihrem Eifer, in Erwartung jeder kleinen Welle, vor Freude herumzuhüpfen begann. Das Boot flitzte dahin; sie übertrieb jeden fröhlichen Hüpfer. Bis sie sich das Rückgrat brach." Rennboote sind natürlich auch in Romanform gefährlich. Denn das schnell klickende Buch droht immer, sich zu überschlagen und bei so vielen Kleinepisoden, die jede für sich prima ohne Psychologie auskommt, auseinanderzufallen: "Vielleicht gibt es Stories, ist ja möglich, wie Patience oder Canasta; sie werden gemischt und verteilt, dann kommt was dabei heraus oder nicht. Oder die Karten fallen auf den Boden."
Trotz dieser inhaltlichen Unschärfe macht das Buch sehr viel Spaß, weil die Episoden in einer präzisen Sprache verfasst sind. So entstehen tolle Bilder wie das einer Hotelbar, "in deren Ledersessel man das Gefühl hat, man sitze in einer Brieftasche", oder das Porträt einer Mondsonde: "Das Surveyor-Mondfoto war, in vieler Hinsicht, das beste, ein Dreifuß auf seinen drei dünnen Beinchen wie ein Fohlen. Das erste Foto, das er übermittelte, zurück zur Erde schickte, war ein schüchternes kleines Foto vom Schatten seines Fußes."
Die Feministin Renata Adler fährt gerne Rennautos. Die Geschwindiglkeit dieses Buches kann sich mit jedem Wagen messen.
ULRIKE SCHIEFELBEIN
Renata Adler: "Rennboot". Übersetzt von Marianne Frisch. Suhrkamp, 242 Seiten, 19,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kult ist Renata Adler für den Rezensenten Willi Winkler nicht, und ein Roman ist dieses erstmals 1976 erschienene Buch für ihn auch nicht. Macht aber nichts, soll der Verlag sein Spiel spielen, meint Winkler, so lange zwischen den Buchdeckeln so viel Gutes steckt, wie bei dieser fast schon vergessenen Autorin und ""postsexuellen Intellektuellen". Winkler entdeckt Liebesgeschichten, Texte übers Fernsehen und Redaktionen, über das College. Alle geprägt, so Winkler, von der extremen, den Rezensenten an Handke erinnernden Empfindlichkeit der Autorin. An Cheevers "Notebooks" erinnert Winkler das auch, an radikales eigensinniges Denken at its best, aber keineswegs an Kult und einen Roman.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Nichts ist schwerer, als sie zu lesen, nichts leichter.« Willi Winkler Süddeutsche Zeitung 20140916