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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Sauberes Süßwasser ist ein kostbares Gut: Der Chemiker Andreas Fath hat den Rhein in seiner ganzen Länge durchschwommen, um darauf aufmerksam zu machen. In seinem Buch berichtet er davon.
Andreas Fath hat ein wichtiges Anliegen. Er möchte Menschen darauf aufmerksam machen, wie wichtig sauberes Süßwasser für unser Leben ist. Lediglich 0,6 Prozent allen Wassers auf der Erde befinde sich in Flüssen, Seen und im Grundwasser, sind also zugänglich für den Menschen, schreibt Fath, Professor für physikalische Chemie und Analytik an der Hochschule Furtwangen. "Wasser ist nicht ersetzbar wie Erdöl", warnt er, und ohne Wasser ist Leben, so wie wir es kennen, nicht möglich.
Doch das wenige verfügbare Süßwasser werde vor allem in westlichen Industrieländern und in den aufstrebenden Nationen in Asien und Südamerika viel zu sorglos verbraucht und verschmutzt. Gleich am Anfang seines Buchs wartet Fath mit einer für unsere ohnehin nicht konfliktarmen Zeit beunruhigenden Warnung auf: "Kriege werden in der Zukunft nicht um Öl, sondern um das lebensnotwendige H2O geführt werden."
Seinen akademischen Beitrag zum Schutz des Wassers leistet Fath, indem er erforscht, wie sich synthetische Chemikalien im Wasser aufspüren und Schadstoffe aus dem Wasser entfernen lassen. Doch das ist ihm nicht genug. Schon von Kindesbeinen an empfand er eine besondere Beziehung zum Element Wasser, und in reiferem Alter kam ihm die Idee, auf ganz besondere Weise für sein Anliegen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Der Plan entstand, den Rhein hinunterzuschwimmen, 1231 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung - einen Fluss also, der wie kein anderer Mitteleuropa prägt und von dessen Uferfiltrat 22 Millionen Menschen ihr Trink- und Nutzwasser beziehen. "Rheines Wasser" wurde das Projekt getauft, dessen Dokumentation das Buch ist. Fath entwickelte sich unterwegs zu einer medialen Marke, dem "schwimmenden Professor".
Wie dringend nötig mehr Aufmerksamkeit für sauberes Wasser ist, erfährt der Leser gleich zu Beginn des Schwimmprojekts. Während Fath im Neoprenanzug in das eiskalte Nass des Tomasees steigt, wo aus Gletscherwasser der spätere Fluss entsteht, entnehmen seine Mitarbeiter dort Proben, die sie mit Hightech-Analytik untersuchen. Es stellt sich heraus, dass sich schon hier, in vermeintlich ungetrübter Natur, erhebliche Mengen Mikroplastik im Wasser befinden. Fath vermutet Rauchschwaden von Plastikbränden als Ursache.
Unterwegs wird Fath immer wieder erschreckende Erkenntnisse gewinnen - allein 128 verschiedene organische synthetische Substanzen extrahiert sein Team aus dem Rheinwasser. Erhebliche Mengen des Süßstoffs Acesulfam zum Beispiel, Kontrastmittel aus der Medizin, Antibiotika aus der Tierhaltung oder das Korrosionsschutzmittel Benzotriazol. Nicht alle Stoffe sind bedenklich, aber Fath weist auf Überraschungen hin: so zeigten sich in Indien Geier überaus empfindlich gegenüber dem medizinischen Wirkstoff Diclofenac, das sie mit dem Fleisch toter Nutztiere aufnahmen. Viele der Tiere starben daran. Ähnliche Gefahren, warnt Fath, könnten bei uns Adlern drohen, wenn Wirkstoffe einfach ins Wasser gelangten. Er fordert, Abwässer noch viel intensiver zu reinigen und synthetische Substanzen im Wasser gezielter als bisher zu extrahieren und zu mineralisieren.
Fath formuliert in seinem Buch wichtige Einsichten. Doch leider gehen diese völlig unter in einer nicht enden wollenden Selbstbeschreibung. Seite um Seite steigt er ins Wasser und aus dem Wasser, fühlt sich gut oder schlecht, isst hier Bratwürste mit einem Sponsor und gibt dort Interviews für Fernsehsender, schläft mal gut und mal schlecht. Was diesem Buch leider nicht gelingt, ist, den Fluss, um den es gehen soll, erzählerisch zum Leben zu erwecken. Nur mit einem Halbsatz etwa reißt Fath die Geschichte der Bezwingung des Rheins an, wenn er den Namen des Wasserbauingenieurs Johann Gottfried Tulla nennt, der im frühen neunzehnten Jahrhundert den Rheinverlauf zum Menschenwerk machte und dessen Schaffen David Blackbourn in seinem Buch "Die Eroberung der Natur" (2008) nachgezeichnet hat.
Kaum ein Wort ist bei Fath zu lesen über die Fische, die im Rhein trotz Wasserverschmutzung leben, über die Vögel in den artenreichen Lebensräumen an den Ufern. Als Fath gerade an der Mündung der Sieg vorbeischwimmt, erzählt ein Freund ihm, dass dieser inzwischen wieder der lachsreichste Fluss sei. Doch statt dieser Erfolgsgeschichte ökologischer Regeneration nachzuspüren, schreibt Fath in seinem unendlichen Strom von Selbstbeschau: "Vielleicht auch der kälteste, dachte ich." Fath hätte sich ein Vorbild an Journalisten nehmen können, die ähnliche Leistungen vollbringen - etwa Paul Salopek, der seit 2013 um die Welt wandert und dem es in seinen Artikeln gelingt, Menschen und Natur sprechen zu lassen statt nur sich selbst. So eignet sich dieses Buch am ehesten als Dokumentation der beeindruckenden körperlichen Leistung und des durchaus achtenswerten Idealismus eines deutschen Professors, der nach Wegen sucht, die Bedeutung seiner Laborarbeit einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Mit den zahlreichen Begegnungen, die Fath unterwegs hatte, ist ihm das sicherlich gelungen. Mit dem Buch leider nicht. Das Potential, das in der Natur-, Kultur-, Verschmutzungs-und Regenerationsgeschichte des Rheins steckt, ist durch den Hype um die eigene Person leider auf der 1231 Kilometern langen Strecke geblieben. Der Rhein wartet auf den nächsten Schwimmer.
CHRISTIAN SCHWÄGERL
Andreas Fath: "Rheines Wasser". 1231 Kilometer mit dem Strom.
Carl Hanser Verlag, München 2016. 224 S., geb., 20,-[Euro].
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