Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Rhetorik / Phonetik / Sprechwissenschaft, Note: 2, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Veranstaltung: Goethe und die Rhetorik, Sprache: Deutsch, Abstract: "Was der Dichter diesem Bande/ Glaubend, hoffend anvertraut,/ Werd' im Kreise deutscher Lande/ Durch des Künstlers Wirken laut./ So im Handeln, so im Sprechen/ Liebevoll verkünd' es weit:/ Alle menschlichen Gebrechen/ sühnet reine Menschlichkeit." Diese Verse Goethes, die er für einen Schauspieler, der den Orest spielte, in dessen Exemplar von "Iphigenie auf Tauris" schrieb, wurden von der Literaturwissenschaft über einen langen Zeitraum hinweg dahingehend ausgelegt, im Zentrum des Stückes stehe der Triumph der Humanität. Und Goethe stelle dies durch seine Figur der Iphigenie, quasi als Personifikation der Menschlichkeit, dar, wobei diese Grundthese der meisten Interpretationen nur selten hinterfragt wurde. Genau das jedoch macht W. Rasch in seinem Buch "Goethes ,Iphigenie auf Tauris' als Drama der Autonomie", daß eine moderne Deutung des Stücks darstellt und sowohl die Aussagen Goethes zu seinem Werk als auch die daraus folgenden traditionellen Forschungsergebnisse kritisch betrachtet. Er kommt daraufhin zu dem Schluß, daß als zentrales Thema nicht die Humanität Iphigenies, sondern vielmehr der Autonomiegedanke, den Goethe in diesem Werk ausführt und seinem Publikum vermitteln will, in den Mittelpunkt der Interpretation gerückt werden muß, eine Ansicht, die wiederum von Literaturwissenschaftlern kritisiert wird. Die Unabhängigkeit der Figuren beschränkt sich aber nicht nur auf das persönliche Verhalten des Einzelnen, sondern zeigt sich zusätzlich dadurch, daß der Umgang mit den Göttern durch die menschliche Autonomie verändert wird, und in ein neues, gleichberechtigteres Verhältnis gesetzt wird. Die Interpretation des Schauspiels durch Rasch will ich im folgenden in ihren Grundzügen darstellen, sowie dadurch auch die Unterschiede zwischen dieser und der traditionellen Sichtweise deutlich machen. Danach möchte ich auf die rhetorischen Theorien in "Iphigenie auf Tauris" eingehen, wobei der Rhetorikbezug Goethes, den wir im Verlauf des Seminars in allen behandelten Werken herausgearbeitet haben, hier sehr eng mit der neueren Deutung zusammenhängt. Denn um wirklich autonom agieren zu können, bedarf der Mensch der rhetorischen Mittel, da er nur, wenn er seinen Willen sich selbst und anderen gegenüber auszudrücken in der Lage ist, diesen daraufhin auch in die Tat umsetzen kann.
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