Ein starker Roman mit posthumanem Touch
Der Science-Fiction-Roman spielt auf Deuteragäa, einem Planeten, der sich zwar um seine Sonne, aber nicht um sich selbst dreht. Deswegen ist Leben nur in der Dämmerungszone zwischen der vereisten Nacht- und der glühend heißen Tagseite möglich. Dort haben
sich vor nicht allzu langer Zeit Menschen von der Erde angesiedelt. Sie leben sehr dicht aufeinander,…mehrEin starker Roman mit posthumanem Touch
Der Science-Fiction-Roman spielt auf Deuteragäa, einem Planeten, der sich zwar um seine Sonne, aber nicht um sich selbst dreht. Deswegen ist Leben nur in der Dämmerungszone zwischen der vereisten Nacht- und der glühend heißen Tagseite möglich. Dort haben sich vor nicht allzu langer Zeit Menschen von der Erde angesiedelt. Sie leben sehr dicht aufeinander, da der Platz beschränkt ist. In der Wüste nah dieser von Menschen bewohnten Zone leben doggengroße „Insekten“, die Mantis, die von den Menschen kaum erforscht sind. Die Bezeichnung der Tiere als Insekten hat mich als Biologin zunächst gestört, denn wegen ihres Exoskeletts und der Tracheenatmung können Insekten nicht so groß werden. Doch ich habe mich damit getröstet, dass die Protagonistin Moira diesen Begriff nur deshalb wählt, da die Tiere äußerlich den Insekten der Erde ähneln. Und tatsächlich stellt sich im Lauf des Romans heraus: Mantis sind keine Insekten!
Zurück zur Handlung: Während die Mantis sich in der ersten Zeit der menschlichen Besiedlung friedlich verhielten, führen sie nun Angriffe durch, die zahlreiche Todesopfer fordern. Die Protagonistin Moira, eine Ärztin und Journalistin, entgeht bei einem dieser Überfälle nur knapp dem Tod. Ein Soldat rettet ihr das Leben und flieht mit ihr vor den Mantis in die Wüste. Dort entdeckt Moira, dass der Soldat kein gewöhnlicher Mann ist – mehr will ich von der Handlung nicht verraten.
Schmidts Schreibstil ist locker und flüssig. In den ersten zehn Seiten ist zwar viel Information verpackt, so dass ich diese tatsächlich zwei Mal gelesen habe, aber dann wurde der Roman zum Pageturner. Die Geschichte wird aus der Sicht von Moira, von Keith und von Rho erzählt, die Figurensprachen sind herrlich verschieden und jede auf ihre Art sympathisch. Mir gefiel besonders, dass selbst die „großen“ Gefühle wie Schmerz, Trauer, Angst und Liebe so wunderbar unpathetisch beschrieben sind, aber dennoch stark und präsent wirken. Der Antagonist Keith ist zwar kein sympathischer Kerl, doch die Autorin versteht es, ihn als facettenreichen Menschen zu schildern, der in mir eher Mitleid als Abneigung weckt.
Die Romanwelt ist weder distropisch noch utopisch. Offenbar leben die Menschen auf Deuteragäa relativ gleichberechtigt miteinander, Sexismus und Rassismus sind kein Thema im Roman, und auch die Klassenunterschiede scheinen gering zu sein. Dadurch konzentriert sich die Spannung nur auf die Geschichte selbst, auf die Story. Und diese ist meisterhaft gesponnen. Die Handlungsstränge verweben sich reibungslos, die Wendungen kommen genau zum richtigen Zeitpunkt und werden plausibel eingeführt. So bleibt die Spannung durch den ganzen Roman erhalten. Ich habe ihn fast in einem Rutsch gelesen und empfehle ihn nicht nur Science-Fiction-Fans, sondern allen Leser*innen, die spannende Romane mit aktiv handelnden Heldinnen mögen.