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Der Großhandelskaufmann Joachim von Ribbentrop ging 1932 als Quereinsteiger an einflußreicher Stelle in die Politik. In seiner Villa in Berlin wurden die entscheidenden Gespräche geführt, die zur Ernennung des Reichskanzlers Hitler führten. Als Sonderbeauftragter, Botschafter und schließlich Außenminister prägte er dann die deutsche Außenpolitik zwischen 1933 und 1945 mit. In seiner Biographie arbeitet Stefan Scheil die Motive Ribbentrops heraus, dessen überzeugtes und zugleich kritisches Verhältnis zum Nationalsozialismus sowie seine außenpolitischen Ziele. Scheil zeigt auf, daß die Loyalität…mehr

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Produktbeschreibung
Der Großhandelskaufmann Joachim von Ribbentrop ging 1932 als Quereinsteiger an einflußreicher Stelle in die Politik. In seiner Villa in Berlin wurden die entscheidenden Gespräche geführt, die zur Ernennung des Reichskanzlers Hitler führten. Als Sonderbeauftragter, Botschafter und schließlich Außenminister prägte er dann die deutsche Außenpolitik zwischen 1933 und 1945 mit. In seiner Biographie arbeitet Stefan Scheil die Motive Ribbentrops heraus, dessen überzeugtes und zugleich kritisches Verhältnis zum Nationalsozialismus sowie seine außenpolitischen Ziele. Scheil zeigt auf, daß die Loyalität Ribbentrops aus der Euphorie des »nationalen Aufbruchs« kam, als die er Hitlers Diktatur deutete. Wie das Auswärtige Amt bereits zur Weimarer Zeit, trug Ribbentrop das Endziel eines großdeutschen Nationalstaats mit, das Hitler ihm 1937 skizzierte. Dieses Ziel wollte Ribbentrop als Minister seit 1938 durchsetzen und zugleich andere Staaten von einer bewaffneten Intervention dagegen abschrecken.

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Autorenporträt
Stefan Scheil, geb. 1963, Studium der Geschichte und Philosophie in Mannheim und Karlsruhe, Promotion 1997 in Karlsruhe, zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Seltsam, was für die Bücher die FAZ doch immer wieder ernst nimmt. Ulrich Schlie liest gespannt Stefan Scheils Ribbentrop-Biografie, die einmal versucht, Hitlers Außenminister einen eigenständigen politischen Kurs nachzuweisen, und dabei auch nicht vor revisionistischen Thesen zurückschreckt. So liegt dem Rezensenten denn auch Scheils Mixtur aus Quellentexten und steilen Annahmen von Anbeginn schwer im Magen. Die treffenden Erkenntnisse im Buch fallen laut Rezensent immer wieder hinter "unhaltbare" Auffassungen des Autors zurück, insbesonders hinter die, dass Hitler keinen Expansionskrieg vom Zaun gebrochen habe, sondern sich "durch die Politik einer englisch-polnisch-französischen Koalition in den Krieg gezwungen" fühlte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2013

Paladin mit der Wunderlampe?
Joachim von Ribbentrop, das Auswärtige Amt und Adolf Hitlers Aggressionspolitik

In der Reihe von Hitlers Paladinen nimmt Joachim von Ribbentrop zu Recht einen besonderen Platz ein. Er war nicht nur seit Februar 1938 Hitlers Außenminister, sondern er hatte auch von Anfang an auf die Nationalsozialisten gesetzt und seit der "Machtergreifung" konsequent - und mit zunehmendem Einfluss - Hitlers außenpolitische Agenda begleitet, zunächst als dessen Berater und Leiter des außenpolitischen "Büros Ribbentrop" (seit 1935: "Dienststelle Ribbentrop"), dann von 1936 bis 1938 als Botschafter in London, schließlich als dessen Chefdiplomat. Dabei war der erfolgreiche Spirituosenhändler ("Impegroma" - Import und Export großer Marken) und "Henkell Trocken"-Schwiegersohn ein außenpolitischer Selfmademan, in Erscheinungsbild und professionellem Verständnis in fast allem das Gegenteil eines Diplomaten. Ribbentrop konnte hochfahrend und brüsk sein, war bedingungslos hitlergläubig und ließ ausländische Gäste häufig seine Arroganz spüren. Er war das Gesicht der nationalsozialistischen Außenpolitik und schon für die Zeitgenossen Zerrbild zugleich, häufig Zielscheibe des Spotts und im Kompetenzen-Wirrwarr des "Dritten Reiches" genauso oft Angriffsziel konkurrierender außenpolitischer Mitspieler wie Joseph Goebbels, Rudolf Heß oder Heinrich Himmler.

Damit beginnen die Schwierigkeiten, die Ribbentrops Bild im Urteil der Historiographie trotz mehrerer biographischer Anläufe und einer umfangreichen Literatur zu "Drittem Reich" und Zweitem Weltkrieg auf merkwürdige Weise konturenlos bleiben lassen. Bereits 1980 unterstellte ihm Wolfgang Michalka eine eigene außenpolitische Kontinentalblock-Konzeption in den ersten Kriegsjahren, ohne den Widerspruch zu Ribbentrops absoluter Linientreue aufzulösen. Dies ist auch der Ansatzpunkt von Stefan Scheils politischer Biographie "Ribbentrop. Oder: Die Verlockung des nationalen Aufbruchs". Sie verzichtet weitgehend auf eine eingehende Schilderung des Lebenswegs und versucht in einzelnen Kapiteln nachzuweisen, dass Ribbentrop einen eigenständigen Kurs verfolgt habe. Dabei schöpft sie weithin aus der profunden Kenntnis von Quellen und Literatur, vermischt diese indes immer wieder mit unhaltbaren Annahmen zu Staatenkonstellation und Struktur der nationalsozialistischen Außenpolitik und ist in der Tendenz revisionistisch.

In dieser schwerverdaulichen Mélange liegt die Problematik des scheinbar durch analytische Verdichtung bestechenden Buches. Dabei gelingen Scheil im Einzelnen immer wieder treffende und die Forschung voranbringende Erkenntnisse. So zertrümmert er den angeblichen Nachweis der "Unabhängigen Historikerkommission" des Auswärtigen Amts, die in ihrem 2010 veröffentlichten Buch "Das Amt und die Vergangenheit" behauptete, das Schicksal der deutschen Juden sei am 17. September 1941 bei einem Treffen Hitlers mit Ribbentrop besiegelt worden - und zwar mit dem Verweis auf eine Edition des Koblenzer Bundesarchivs und den dort zitierten Bericht von Werner Köppen an Alfred Rosenberg. Danach war es bei der Besprechung Hitlers mit Ribbentrop, Erich Raeder und Karl Dönitz nur um die durch die amerikanische Erklärung über den bewaffneten Geleitschutz nach Island entstandene Lage und die sich daraus ergebenden Folgen für den Krieg im Atlantik gegangen.

Scheil führt damit in einem zentralen Punkt die "Unabhängige Historikerkommission" vor, doch seine triumphierende Bemerkung - "zusätzlich zu vielen anderen unzutreffenden Anschuldigungen und unbelegten Behauptungen über Joachim von Ribbentrop wurde nun auch noch die Geschichte in die Welt gesetzt, auf seine Initiative würde der Mord an den europäischen Juden zurückgehen" - schießt über das Ziel hinaus. Ribbentrop war gewiss nicht antisemitisch, doch er war deshalb in keiner Weise von seinem Anteil an der verbrecherischen und aggressiven NS-Politik freizusprechen.

Scheil fokussiert sich in seiner politischen Biographie, um seine Grundthese zu untermauern, insbesondere immer wieder auf einzelne Entwicklungen der nationalsozialistischen Außenpolitik - besser gesagt: auf Strömungen innerhalb des Auswärtigen Amts. So referiert er im Kapitel "Fluchtpunkt Europa" über im Auswärtigen Amt 1943 angestellte Überlegungen für einen europäischen Staatenbund, ein werbendes Ausbuchstabieren der damals freilich schon zerbröselnden deutschen Hegemonie in Europa, rekurriert auf die Bemühungen um einen separaten Friedensschluss mit der Sowjetunion via Stockholm 1943 und Ribbentrops Friedensfühler bei den Westmächten. Mit Letzterem ist eine umfangreiche diplomatische Sprachregelung im März 1945 gemeint, ein aussichtsloses Manöver buchstäblich fünf Minuten nach zwölf, das eine realistische Lagebeurteilung gänzlich vermissen ließ. Bei der dafür angeführten Hauptquelle, den Memoiren von Fritz Hesse, wäre Quellenkritik indes angebracht gewesen.

In all den Kapiteln wird nicht deutlich, inwieweit Ribbentrop tatsächlich Initiator war, inwieweit er nur Aktivitäten und Absetzungsbewegungen erduldete oder es gar zu Aktionen kam, die an ihm vorbeiliefen. In dieses Gesamtbild passt, dass Scheil Ribbentrops Londoner Mission als die Geschichte einer Zurückweisung schildert und - gewissermaßen als inneramtlichen Gegenspieler - gnadenlos ins Gericht geht mit Ribbentrops Staatssekretär Ernst von Weizsäcker und dessen "Erinnerungen" von 1950.

Scheil wiederholt auch in diesem Buch seine unhaltbare Auffassung, das Hitler-Regime habe den Krieg nicht als Expansionskrieg vom Zaun gebrochen und sich "durch die Politik der Gegner einer englisch-polnisch-französischen Koalition in den Krieg gezwungen" gefühlt. Von daher ist das Schlusskapitel "Fiasko" über den letzten Akt des Dramas - Ribbentrop in Nürnberg vor Gericht 1945/46 - folgerichtig, weil hier die Prämissen falsch gesetzt sind. Denn die zentrale Frage des Zweiten Weltkriegs war eben nicht, ob die Existenz eines Deutschlands in den Grenzen von 1939 mit dem Anspruch auf eigene Interessensphären in Ostmitteleuropa zu dulden sei oder nicht, sondern die Frage, wie die freie Welt auf fortgesetzte Völkerrechtsbrüche eines Aggressors zu reagieren habe. Die Akten von Ribbentrops Nürnberger Verteidiger Georg Fröschmann hätten dem Verfasser Einsichten in die wirre und widersprüchliche außenpolitische Gedankenwelt Ribbentrops vermitteln können. So bleibt auch das Fazit fragwürdig. Ribbentrop hat eben nicht "für die Verlockung, einen Aufbruch der deutschen Nation an entscheidender Stelle mitprägen zu können", schwer gezahlt, sondern er ist für seinen Anteil an Hitlers Krieg verurteilt worden. Was hier als "nationaler Aufbruch" von Scheil verharmlost wird, endete als politische und moralische Katastrophe.

ULRICH SCHLIE

Stefan Scheil: Ribbentrop. Oder: Die Verlockung des nationalen Aufbruchs. Eine politische Biographie. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2013. 409 S., 28,90 [Euro].

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