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2 Kundenbewertungen

Der größte Dichter der frühen Moderne: die neue, überraschende Biographie von Rilke Rainer Maria Rilke ist auch nach über einhundert Jahren ein Welteröffner. Er verführt seine Leser zur existenziellen Selbstbefragung und fordert Entschlüsse: »Du musst dein Leben ändern.« Seine Dichtung, das stellt Gunnar Decker auf faszinierende Weise heraus, war immer auch eine Reaktion auf die Krisen der Gegenwart, der Versuch, sich eine Gegenwelt zu erschreiben, die für ihn lebenswerter war als jene, die er in Prag, München, Worpswede, Moskau, Berlin, Rom, Duino, Venedig oder Paris vorfand. So scheinen…mehr

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Produktbeschreibung
Der größte Dichter der frühen Moderne: die neue, überraschende Biographie von Rilke Rainer Maria Rilke ist auch nach über einhundert Jahren ein Welteröffner. Er verführt seine Leser zur existenziellen Selbstbefragung und fordert Entschlüsse: »Du musst dein Leben ändern.« Seine Dichtung, das stellt Gunnar Decker auf faszinierende Weise heraus, war immer auch eine Reaktion auf die Krisen der Gegenwart, der Versuch, sich eine Gegenwelt zu erschreiben, die für ihn lebenswerter war als jene, die er in Prag, München, Worpswede, Moskau, Berlin, Rom, Duino, Venedig oder Paris vorfand. So scheinen Rilkes ruheloses Leben und sein metaphysische Fragen umkreisendes Werk auf einzigartige Weise verwoben. In seiner wunderbar erzählten Biographie widmet sich Decker auch erstmals Rilkes schwierigem Verhältnis zu seiner Mutter Phia, dem Nicht-Verhältnis zu seiner lebenslangen Ehefrau Clara und zur Tochter Ruth. Er beschreibt seinen Kampf gegen den körperlichen Verfall, der einen Schlüssel zum Verständnis des Werkes bietet, und deutet seinen Entschluss nach dem Ersten Weltkrieg, kein deutscher Dichter mehr sein zu wollen. Ein neuer, überraschender Blick auf eine der schillerndsten Dichterfiguren unserer frühen Moderne.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Gunnar Decker wurde 1965 in Kühlungsborn geboren, studierte an der Berliner Humboldt-Universität Philosophie und promovierte 1994 über Ketzergeschichte. Er lebt als Autor und Journalist in Berlin, veröffentlichte vielfach gelobte Biographien wie »Franz Fühmann. Die Kunst des Scheiterns« (2009), »Hermann Hesse. Der Wanderer und sein Schatten« (2012), »Franz von Assisi. Der Traum vom einfachen Leben« (2016), »Ernst Barlach. Der Schwebende« (2019) und »Rilke. Der ferne Magier« (2023). Ferner erschienen die Geschichtsbücher »1965. Der kurze Sommer der DDR« (2015) und »Zwischen den Zeiten. Die späten Jahre der DDR« (2020). 2016 wurde er mit dem von der Berliner Akademie der Künste verliehenen Heinrich-Mann-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Rezensent Richard Kämmerlings widmet Gunnar Deckers neuer Rilke Biografie eine umfassende Rezension, die Lobrede ist, Zusammenfassung und ihrerseits selbst ein kleines Porträt - das Porträt, oder besser mit Kämmerlings' Worten gesagt: das "Doppelbild" vom tatsächlich genialischen Künstler auf der einen, und von hohler, narzistischer Genie-Inszenierung auf der anderen Seite. Um diese Ambivalenz geht es Gunnar Decker immer wieder, sowie um die Frage, die sich daraus ergibt: Wie viel kann ein wirklich großartiges Werk rechtfertigen? Dass Rilke ein unwiderstehlicher wie unerträglicher Egozentriker gewesen sein muss, zeigt Decker in zahlreichen Szenen, die er mit viel Feingefühl für die "kleinen Dreistigkeiten" und Allüren des Dichters beschreibt, und nicht ohne eine angenehme Spur Sarkasmus. Deckers humorvolle, kritische Fragen und Kommentare machen seine gründlich recherchierte, informative Biografie zur unterhaltsamen Lektüre, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2023

Vom Bazillus in seiner Lebensspeise

Momentaufnahmen eines alltäglichen Versagers: Gunnar Deckers Biographie des Dichters Rainer Maria Rilke darf mit weniger Vorurteilen rechnen, muss aber geringeres Vorwissen berücksichtigen. Das Resultat ist zwiespältig.

Anfang 1922 hat Rainer Maria Rilke Ärger mit seiner Tochter Ruth. Ruth will heiraten, und Rilke hat zur Ersteinrichtung ihrer Wohnung die Hälfte der hunderttausend Mark zugesagt, die auf seinem Honorarkonto beim Insel-Verleger Anton Kippenberg aufgelaufen sind. Aber die Inflation in Deutschland hat, wie der im Schweizer Wallis lebende Dichter sehr wohl weiß, den Wert des Geldes stark reduziert. Für Ruths Wünsche reichen fünfzigtausend Mark deshalb nicht aus: Sie verlangt weitere zwanzigtausend. Rilke gewährt ihr die Hälfte. Über diese zehntausend Mark hinaus aber, so schreibt er am 27. Januar an Kippenberg, der als Vermittler fungiert, "sollten wir in unserem ergänzenden Entgegenkommen nicht gehen". Der Verleger freilich insistiert. In Briefen schildert er Ruths Probleme bei der Gründung ihres Hausstands. Endlich gibt Rilke nach. Am 10. März meldet ihm Kippenberg, er habe die gewünschte, "nun aber endgültig restliche" Summe an Ruth überwiesen.

Das Gefeilsche zwischen Leipzig und dem Wallis findet in einer entscheidenden Phase von Rilkes Schaffen statt. In diesen Wochen, genau zwischen dem 7. und dem 26. Februar 1922, vollendet er in seiner Klause auf Schloss Muzot bei Sierre die "Duineser Elegien" und verfasst die fünfundfünfzig "Sonette an Orpheus". Während er also morgens und mittags darüber verhandelt, wie hoch die finanzielle Mitgift für seine Tochter ausfallen soll, und sich in Anzug und Krawatte am Tisch sitzend von seiner Hausangestellten Frida Baumgartner - er nennt sie "Geistlein" - bedienen lässt, schreibt er abends und nachts Verse wie jene sarkastischen über das "Geschlechtsteil des Gelds", das "sich vermehrt, anatomisch", oder die hymnischen über den Bettler, dessen Schönheit und Würde "nur dem Aufsingenden säglich. / Nur dem Göttlichen hörbar" seien. Es ist der Grundwiderspruch von Rilkes Leben. Denn einerseits ist er ein Dichter, der bedeutendste seiner Zeit. Und andererseits ein Mensch, der sich im Alltag keineswegs mit Ruhm bekleckert hat.

Von "Wendepunkten und Widersprüchen in Rilkes Leben" will Gunnar Decker in seiner Biographie des Dichters erzählen. In den beiden Kapiteln über die Entstehung der "Sonette", den Abschluss der "Elegien" und die Mitgiftverhandlungen mit Kippenberg gelingt ihm das beispielhaft, obwohl - oder gerade weil - er die Gleichzeitigkeit von Schaffensrausch und väterlicher Knauserei nicht ausdrücklich hervorhebt. An vielen anderen Stellen dieses Sechshundert-Seiten-Buchs indessen wirken Deckers Kommentare zu Rilkes Lebenswandel besserwisserisch, manchmal auch überheblich. Das liegt nicht allein an jener historisch-kritischen Haltung zu seinem Gegenstand, wie sie jedem heutigen Biographen gut ansteht (auch wenn ein Satz wie "Gegen die Sorgen anderer Menschen erweist er sich zuverlässig als immun" die Grenze zur Schulmeisterei streift). Es hat auch mit einer grundsätzlichen Zweideutigkeit in der Anlage seines Buches zu tun, das sich nie ganz sicher zu sein scheint, ob es eher eine Biographie des Werks oder des Autors sein will.

Seit seinem Leukämietod im Dezember 1926 schwankt Rilkes Charakterbild im Auge der Nachwelt. Auf eine Phase der Huldigungen, für die die Biographien von Fritz Klatt und Hermann Kunisch stehen, folgte mit der Polemik von Egon Schwarz gegen "Das verschluckte Schluchzen" eine regelrechte Kriegserklärung, die wiederum in den abwägenden Darstellungen Wolfgang Leppmanns und Donald Praters literaturgeschichtlich abmoderiert wurde. Heute ist das profane und politische Dasein des Dichters kein Aufreger mehr - abgesehen von seinen Frauenbeziehungen, denen sich seit der Jahrtausendwende eine reichhaltige Publizistik gewidmet hat, zu der auch Gunnar Decker mit einem Reclam-Bändchen seinen Teil beitrug.

Für eine neue Rilke-Biographie bedeutet das, dass sie sich frei von der Last vorgestriger Debatten ihrem Thema widmen, aber auch weniger Vorkenntnisse bei ihren Lesern erwarten kann. Sie muss den Rahmen, in den sie ihren Helden setzt, gleich mitliefern. Das gelingt Decker bei den Kurzporträts von Rilkes Brief- und Liebespartnerinnen, angefangen mit der quecksilbrigen Walküre Lou Andreas-Salomé, allemal gut, in den zeitgeschichtlichen Skizzen dagegen deutlich weniger. Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzt er fälschlich auf den 1. September 1914 statt auf die Tage zwischen dem 28. August und dem 4. September an, zur Novemberrevolution in München, an der Rilke als wohlwollender Beobachter teilnahm, hat er wenig zu sagen, und der historische Hintergrund von dessen Lob für die "schöne Ansprache" des Diktators Benito Mussolini bleibt bei Decker so gänzlich unerhellt, dass die Bewunderung des Dichters für den Despoten als Schnurre eines desorientierten Zeitungslesers erscheint.

Aber solche kleinen Patzer sind nicht das Problem dieses Buchs. Dessen entscheidende Schwäche, die ihm viel von seiner Wirkung nimmt, liegt in der Kluft zwischen Deckers Anspruch, in diese Lebenschronik auch eine Würdigung von Rilkes Werk einzuflechten, und dem, was ihm dazu tatsächlich einfällt. Dabei ist nichts gegen seine Einordnung des Dichters als "modernen Mystiker" einzuwenden, der die "Als-ob-Existenz Gottes" beschwöre. Aber Deckers Schnelldiagnosen zum "Cornet" ("Romantisierung militärischer Aktion") und zum "Malte Laurids Brigge" ("Ein Buch vom Ende und vom Anfang, von Sinnlosigkeit und Sinnschöpfung") sind nicht nur platt, sondern auch vollkommen überflüssig, und sein Gesamturteil über Rilkes Gedichte würde jede Sonntagspredigt zieren: "Sie reichen bis an den Grund unserer Existenz." Dass er dann auch noch das berühmte zweite Gedicht aus dem "Stunden-Buch" falsch zitiert ("Ich werde den letzten vielleicht nicht mehr vollbringen"), ist sozusagen die Cocktailkirsche auf einer Konditoren-Auslage süßsaurer Germanistenpoesie.

Der geduldige Leser dieser Biographie wird deshalb, um sich seine Begeisterung für Rilke zu bewahren, manches einfach überblättern und anderes, wie Deckers altkluges Schlusswort ("Von Jugend an gewiss ein echter Dichter, konnte er Talmi jedoch nie vermeiden"), sofort wieder vergessen. Aber es bleibt immer noch genug übrig, das man anderswo noch nicht oder nur ganz beiläufig erfahren hat. Etwa Rilkes Bemerkung über Lou Andreas-Salomés Mutter, in der sich sein eigener lebenslanger Mutterhass spiegelt: "ein einziger dicker Bazillus in Deiner Lebensspeise". Oder jener Brief vom 8. Dezember 1926, drei Wochen vor seinem Tod, in dem er bei seiner Vertrauten Nanny Wunderly-Volkart "echte weiche Nachthemden Système Dr. Lahmann" bestellt, "weiß oder beige". Oder auch jener Brief an die gleiche Adressatin, in dem er am 18. Februar 1922, vier Tage nach der Niederschrift der zehnten und letzten "Duineser Elegie", bekennt: "Chère, ich schreie nach - Lactobacilline." Ob ihn sein wohltätiger Engel aus der Deutschschweiz erhört hat? Wir wissen es nicht. Aber wir hören noch immer seine Verse. ANDREAS KILB

Gunnar Decker: "Rilke, der ferne Magier". Eine Biographie.

Siedler Verlag, Berlin 2023. 608 S., Abb., geb., 36,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Decker gelingt es, Rilkes Leben mit kritischer Empathie und großem erzählerischen Können zu beschreiben. Der ferne Magier rückt einem in vielen Lesemomenten verblüffend nah.« Hilmar Klute, Süddeutsche Zeitung