Tom Ripley ist ein sympathisch-unmoralischer Exil-Amerikaner, der südlich von Paris ein luxuriöses Leben führen will – um jeden Preis. Immer wieder gelingt es dem erfolgreichen Serienhelden, sich vor der Polizei und seinen Verfolgern hakenschlagend aus dem Staub zu machen und dem erwartbaren Verbrecherschicksal eine Nase zu drehen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2003Ripley's Game
So agiert ein Held: Tom Ripley kann ohne markant erhöhte Herzfrequenz Menschen in einer Zugtoilette erwürgen, kann ihnen mit einem Hammer den Schädel einschlagen, kann Leichen verbrennen und hinterher deren Unterkiefer zertrümmern. Als Mörder ist er grauenvoll effizient, und er lügt hinterher göttlich. Darum sind die Ripley-Romane von Patricia Highsmith auch keine Krimis, nicht einmal im weitesten Sinn. Ripley beobachten wir bewundernd beim Morden - doch nicht, um am Ende, vielleicht mit einem Anflug von Bedauern, dem Sieg der Gerechtigkeit beizuwohnen. Der Killer Ripley - und das macht das Diabolische der Versuchsanordnung aus - wird von uns Lesern für sein Tun bewundert, wir beten, daß er, der rückhaltlos dekadente Genießer, niemals geschnappt wird.
Ein kritischer Fan hat Ripley einmal allen Ernstes wie folgt in Schutz genommen: Er "mordet nicht aus Neigung, sondern aus Notwendigkeit, als Antwort auf den Angriff seiner Umwelt". Highsmith sagt es noch schöner: Ripley "verachtete Mord, es sei denn, er war unbedingt notwendig". Wie beruhigend. Highsmith hat damit unserem nachvollziehbaren Widerwillen gegen alle Art Mitmenschen ein Ventil gewiesen. Was Ripley kann, das könnten wir doch auch. Steuerprüfer, Verkehrspolizisten, Rivalen im Paarungskampf, böse Chefs - allesamt in die Grube mit ihnen! Und das Beruhigendste ist: Ripley verspürt keine Reue. Mit britischem Humor, mit einem Flirt mit dem Makabren, hat das nichts zu tun. Ripley ist alles andere als frivol oder pervers, sondern kalt und rational. Er tut die Drecksarbeit voller Ekel, um den Lebensstil als französischer Landhausbewohner, Gefährte einer schönen Erbin und Kunstsammler zu bewahren. Jede Kultur senkt ihre Wurzeln tief ins Blut. Das ist der Preis für den Sieg gegen die Gemeinheit der Welt. In "Ripley's Game" bringt Ripley sogar den todkranken Jonathan Trevanny dazu, für ihn, und nur nebenbei für Geld, zu morden. Mit diesem Amateurkiller entführt uns Highsmith in noch beglückendere Gefilde jenseits von Gut und Böse: Dem Neuling macht das Morden zunehmend Spaß. Der überführte Täter im Krimi ist daher nur ein Köder für unsere kleingeistige Moral, ein Menschenopfer für die Konvention. In Wahrheit wird der Mörder niemals gefaßt. Der Mörder ist immer der Leser.
Dirk Schümer.
Patricia Highsmith: "Ripley's Game oder Der amerikanische Freund". Diogenes 2003. 416 Seiten. 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So agiert ein Held: Tom Ripley kann ohne markant erhöhte Herzfrequenz Menschen in einer Zugtoilette erwürgen, kann ihnen mit einem Hammer den Schädel einschlagen, kann Leichen verbrennen und hinterher deren Unterkiefer zertrümmern. Als Mörder ist er grauenvoll effizient, und er lügt hinterher göttlich. Darum sind die Ripley-Romane von Patricia Highsmith auch keine Krimis, nicht einmal im weitesten Sinn. Ripley beobachten wir bewundernd beim Morden - doch nicht, um am Ende, vielleicht mit einem Anflug von Bedauern, dem Sieg der Gerechtigkeit beizuwohnen. Der Killer Ripley - und das macht das Diabolische der Versuchsanordnung aus - wird von uns Lesern für sein Tun bewundert, wir beten, daß er, der rückhaltlos dekadente Genießer, niemals geschnappt wird.
Ein kritischer Fan hat Ripley einmal allen Ernstes wie folgt in Schutz genommen: Er "mordet nicht aus Neigung, sondern aus Notwendigkeit, als Antwort auf den Angriff seiner Umwelt". Highsmith sagt es noch schöner: Ripley "verachtete Mord, es sei denn, er war unbedingt notwendig". Wie beruhigend. Highsmith hat damit unserem nachvollziehbaren Widerwillen gegen alle Art Mitmenschen ein Ventil gewiesen. Was Ripley kann, das könnten wir doch auch. Steuerprüfer, Verkehrspolizisten, Rivalen im Paarungskampf, böse Chefs - allesamt in die Grube mit ihnen! Und das Beruhigendste ist: Ripley verspürt keine Reue. Mit britischem Humor, mit einem Flirt mit dem Makabren, hat das nichts zu tun. Ripley ist alles andere als frivol oder pervers, sondern kalt und rational. Er tut die Drecksarbeit voller Ekel, um den Lebensstil als französischer Landhausbewohner, Gefährte einer schönen Erbin und Kunstsammler zu bewahren. Jede Kultur senkt ihre Wurzeln tief ins Blut. Das ist der Preis für den Sieg gegen die Gemeinheit der Welt. In "Ripley's Game" bringt Ripley sogar den todkranken Jonathan Trevanny dazu, für ihn, und nur nebenbei für Geld, zu morden. Mit diesem Amateurkiller entführt uns Highsmith in noch beglückendere Gefilde jenseits von Gut und Böse: Dem Neuling macht das Morden zunehmend Spaß. Der überführte Täter im Krimi ist daher nur ein Köder für unsere kleingeistige Moral, ein Menschenopfer für die Konvention. In Wahrheit wird der Mörder niemals gefaßt. Der Mörder ist immer der Leser.
Dirk Schümer.
Patricia Highsmith: "Ripley's Game oder Der amerikanische Freund". Diogenes 2003. 416 Seiten. 21,90 [Euro].
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"Die amerikanische Schriftstellerin Patricia Highsmith hat mit ihrer Romanfigur Tom Ripley einen Mythos des Amoralischen geschaffen. Ripley gehört nicht nur die Sympathie der Autorin, sondern auch die unsere." (Süddeutsche Zeitung)