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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Dürre bleibt eine unvermeidliche Realität an der amerikanischen Westküste: Mark Arax erzählt die Geschichte des kalifornischen Central Valley.
In Kalifornien hätte niemals eine industrielle Landwirtschaft betrieben werden dürfen, die auf der Ausbeutung von Wasser beruht. Das ist die etwas zugespitzte These des Buches von Mark Arax, das 2019 auf Englisch erschien und nun auf Deutsch vorliegt. Arax erzählt darin die Geschichte des Central Valley - einer etwa siebenhundertzwanzig Kilometer langen Region von Shasta im Nordwesten des Bundesstaats bis Tehachapi im Südosten, eingegrenzt von der Sierra Nevada und dem Küstengebirge. In einem weiten zeitlichen Bogen folgt Arax den Missionaren, Siedlern, Farmern, Ingenieuren und Politikern zwischen dem frühen neunzehnten Jahrhundert und dem Spätherbst 2017 und schildert, wie sie Wasserläufe aufstauten und umleiteten und so grundlegend wie in nur wenigen anderen Regionen der Erde in die Hydrographie Kaliforniens eingriffen.
Arax weiß, wovon er spricht. Er ist in Fresno im Central Valley auf einer Farm aufgewachsen. Sein Großvater war vor dem Genozid an seinem Volk, den Armeniern, nach Kalifornien geflohen und hatte als Bauer Rosinen angebaut. Das Buch ist deshalb teils eine Familiengeschichte, teils eine Lokalgeschichte, vor allem aber eine epische Erzählung über den Versuch, der trockenen Erde Zentralkaliforniens Getreide, Obst und Gemüse abzutrotzen.
Arax, der früher für die "Los Angeles Times" schrieb, nimmt uns auf knapp siebenhundert Seiten mit auf seine stundenlangen Autofahrten durch die riesigen Plantagen der Großfarmer in Kalifornien. Detektivisch geht er dem Raub nach, den die Farmer begehen, indem sie unerlaubt und überwiegend unentdeckt Wasserkanäle anzapfen. Er deckt die Verunreinigung des ohnehin kaum mehr existierenden Grundwassers mit Salzen auf und schreibt über die genetische Manipulation von kernlosen Trauben sowie den Einsatz von gefährlichen Chemikalien, der neben der Veränderung von Pflanzen auch die Verkrüppelung oder den Tod von Zugvögeln zur Folge hat. Die Resultate sind beachtlich. Seit den 1970er-Jahren steigerten die Großbauern ihre Mandelernten um etwa fünfzig Prozent und ihre Pistazienernten um hundert Prozent. Dafür konsumieren sie heute etwa achtzig Prozent des gesamten Wassers in Kalifornien.
Der Anbau von Früchten ist ebenso untrennbar mit dem Mythos Kalifornien verbunden wie der ewige Sonnenschein. Kurz nach dem Goldrausch von 1849, der die erste große Migrationswelle von Amerikanern und Europäern nach Kalifornien brachte, erfolgte eine der bedeutendsten Grundbesitznahmen in der Geschichte Nordamerikas: die unrechtmäßige Aneignung von indigenem Land und Wasser. Bald lag die Zukunft Kaliforniens nicht mehr in der Suche nach Gold, sondern in der Landwirtschaft. Kreative Reiseschriftsteller wie Charles Nordhoff spielten eine entscheidende Rolle dabei, den Mythos Kalifornien zu formen und über die Jahre Millionen von Menschen an die Westküste zu locken. Die Einwanderer brachten Obst- und Gemüsesorten aus Südamerika und dem Mittelmeerraum nach Kalifornien, die dort nicht heimisch waren: Orangen, Pflaumen, Pfirsiche, Weintrauben und Feigen.
Immigranten aus dem deutschsprachigen Teil Europas spielten eine zentrale Rolle bei dem kalifornischen Experiment, die Wüste fruchtbar zu machen. Johann August Sutter aus der Schweiz war der Erste, der im Sacramento Valley Flussbewässerung einsetzte, um ertragreiche Weizenernten zu erzielen. Kaum jemand war für die Umgestaltung Zentralkaliforniens in ein "Landwirtschaftsungeheuer" wichtiger als der aus Deutschland eingewanderte Rinderkönig Henry Miller. Schon lange vor Sutter und Miller hatten indigene Einwohner Flüsse gestaut und Felder künstlich bewässert. Mit der Kolonisierung durch den weißen Mann verschwanden diese tausend Jahre alten Bewässerungskulturen.
Für die Pioniere war nicht die Wasserknappheit das Hauptproblem, sondern vielmehr die ungleiche Verteilung von Wasser in Gebieten, wo es nicht effektiv genutzt werden konnte. Als die Oberflächenflüsse nicht mehr ausreichten, bohrten die Farmer tiefe Brunnen. Als der Grundwasserspiegel dadurch immer weiter absank und der Aquifer unter dem Central Valley zu versiegen drohte - und sich, wie in jüngerer Zeit, Risse in der Erde auftaten -, leiteten Ingenieure mit dem Sacramento River und dem San Joaquin River ganze Flüsse in das aride Central Valley um. So entstand zwischen den 1930er- und 1970er-Jahren ein ausgefeiltes System aus Dämmen, Stauseen, Kanälen und Aquädukten, das das alkalihaltige Land in den Bezirken Madera, Fresno, Tulare, Kings und Kern in einen fruchtbaren Ackerboden verwandelte.
Kaliforniens Umgang mit Wasser resultiert aus dem weitverbreiteten Glauben an die Realisierbarkeit von Wachstum und dem Vertrauen in die Problemlösungskraft technischer Großprojekte. Die amerikanische Ideologie der Manifest Destiny zog Siedler in eine Region, in der die Natur überlistet, bezwungen und verändert werden musste. Die Farmer wollten nicht anerkennen, dass Dürre eine unvermeidliche Realität in Kalifornien war. Sie waren nicht bereit, ihre Anbauflächen von der natürlichen Verfügbarkeit von Wasser abhängig zu machen. Die nach jeder Dürre zuverlässig auftretenden Überflutungen machten sie glauben, dass ausreichend Wasser vorhanden sei und nur genutzt werden müsse. Wie Arax treffend schreibt, ist die "Negation der Natur" tief im kalifornischen Farmer verwurzelt.
Arax betrachtet den Bau der gewaltigen Infrastrukturen als einen Diebstahl von Wasser, der auf Kosten der lokalen Landwirtschaft sowie der Fischkulturen im Sacramento-San Joaquin River Delta ging, von denen mittlerweile nur noch wenige existieren. Pointiert zieht er Parallelen zum Bau des 1913 eröffneten Aquädukts zwischen dem Owens Valley und Los Angeles durch William Mulholland. Arax argumentiert, dass es mit den künstlichen Flüssen den Farmern, Ingenieuren und Politikern gelungen sei, den Regen zu kontrollieren.
Gegen Ende des Buches berichtet Arax von seinem Besuch bei den Resnicks in Beverly Hills und macht so die Ambivalenz der industriellen Landwirtschaft deutlich. Stewart und Lynda Resnick sind die größten Farmer im amerikanischen Westen und zugleich bedeutende Philanthropen. Sie kultivieren Mandeln, Pistazien, Granatäpfel und Zitrusfrüchte, sind jedoch kaum in der Feldarbeit tätig. Arax bemerkt, dass Resnick nicht einmal eine Valencia-Orange von einer Navel-Orange unterscheiden könnte. Gleichzeitig unterstützen die Resnicks Krankenhäuser, Universitäten und Kunstmuseen auf eine Weise, wie es nur wenige andere tun.
In Kalifornien liegen Triumph und Tragödie nahe beieinander. Historisch gesehen stellt die Landwirtschaft einen beispiellosen wirtschaftlichen Erfolg dar. Gleichzeitig ist sie die Urheberin einer verheerenden Ressourcenausbeutung. Angesichts akuter Probleme wie des Absinkens des Bodens durch die Ausbeutung von Grundwasserreserven drängt sich die Frage nach den Alternativen auf.
Manchmal scheint es so, als lasse sich Arax von einer gewissen Nostalgie über die kleinbäuerliche Landwirtschaft überwältigen, wie sie sein Großvater in Fresno betrieb. Doch er weiß, dass dorthin kein Weg zurückführt. Und er tut gut daran, die große Frage offenzulassen, wie die Zukunft der Landwirtschaft, der Wassernutzung und der menschlichen Zivilisation in ariden Regionen aussehen sollte. Denn auch so spricht vieles dafür, dass die Zukunft Kaliforniens nicht in den Ballungsräumen Los Angeles und San Francisco entschieden wird, sondern im Central Valley. JAN HANSEN
Mark Arax: "Risse in der Erde". Auf den Spuren von Wasser und Staub durch Kalifornien.
Aus dem Englischen von Eva Schestag. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2023. 734 S., Abb., geb., 38,- Euro.
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