Robert Bosch (1861 - 1942) war einer der erfolgreichsten deutschen Unternehmer des 20. Jahrhunderts und gleichzeitig ein Pionier der sozialen Marktwirtschaft. Mit diesem Buch liegt die umfassende Biographie eines Visionärs vor, der wie kaum ein anderer über seine Zeit hinaus gedacht hat. Robert Bosch eröffnete1886 in einem Stuttgarter Hinterhaus die Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik, die heutige Robert Bosch GmbH. Hier entwickelte er bahnbrechende Innovationen für das Kraftfahrzeug und konnte als industrieller Unternehmer schon bald international große Erfolge verzeichnen. Sein Name steht heute exemplarisch für die Motorisierung des Verkehrs und die Elektrifizierung des Haushalts. Darüber hinaus wirkte er mit ausgeprägtem politischem Profil als sozial verantwortungsbewusster Stifter und Mäzen. In einer Zeit der Kriege und Umbrüche, in einem Zeitalter der Extreme, positionierte sich Bosch als überzeugter Demokrat, der die deutsche Geschichte gegen den Strich bürstete. Peter Theiner begibt sich in seiner eindrucksvollen Biographie auf die Spurensuche dieser faszinierenden Persönlichkeit - eines Wegbereiters der Moderne, der eines der ersten Weltunternehmen gründete.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2017Stifter. Neuerer. Demokrat
Ein Buch über Robert Bosch
Robert Bosch (1861 bis 1942) gilt als einer der erfolgreichsten Industriellen des 20. Jahrhunderts, dazu als früher Globalisierer und progressiver Arbeitgeber, der wie kaum ein anderer wirtschaftlich, politisch und sozial über seine Zeit hinaus dachte. Sein Unternehmen reüssiert bis heute. 1886 in einem Stuttgarter Hinterhaus als Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik mit einem Mechaniker und einem Laufburschen eröffnet, entwickelte das Unternehmen bald bahnbrechende Innovationen für Kraftfahrzeuge und eroberte mit industrieller Fertigung bereits um 1900 internationale Märkte.
Boschs unternehmerischer Erfolg war eng mit dem Aufstieg des Automobilzeitalters verbunden. Seinen ersten Coup landete der gelernte Feinmechaniker, der lieber Botaniker oder Zoologe geworden wäre, mit einem neuartigen Niederspannungs-Magnetzünder. Ihm folgten weitere elaborierte Modelle. Der international vermarktete Hochspannungs-Magnetzünder -- nunmehr mit Zündkerze - bescherte Bosch ab 1906 als Autozulieferer explosionsartiges Wachstum. Um seine Basis zu verbreitern, diversifizierte er sein Angebot auf Scheinwerfer, Lichtmaschinen und anderes Zubehör für die großen Autofabriken. 1913 wurden 81 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. Als im Ersten Weltkrieg der hohe Export des Kraftfahrzeugausrüsters dramatisch einbrach, stellte Bosch auf pyrotechnische Zünder für Minen um.
Gefertigt wurde ab 1901 im industriellen Maßstab in einer ersten Fabrik in Stuttgart, die Bosch zum Großverdiener machte. Zwischen 1904 und 1911 verzwölffachte er seine Belegschaft. 1913 beschäftigte er 4542 Mitarbeiter. Um gutes Personal für sein wachsendes Unternehmen zu finden und langfristig zu binden, zahlte er Löhne, die bis zu 60 Prozent höher lagen als der Branchendurchschnitt. Er sorgte für luftige, hygienische Tageslicht-Arbeitsplätze, führte 1906 als einer der Ersten in Deutschland den Acht-Stunden-Tag ein, investierte in die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter und begrüßte gewerkschaftliche Aktivität. Bald hatte er den Beinamen der "Rote Bosch". Die Überzeugung, dass nur gut ausgebildete, menschenwürdig behandelte und fair bezahlte Arbeitnehmer profitabel für ein Unternehmen sind, war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg keineswegs selbstverständlich. Anwürfe wegen seiner Führungs- und Lohnpolitik konterte Bosch mit dem Kommentar: "Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle."
Die zum 75. Todestag des Unternehmers erschienene Biographie von Peter Theiner feiert Robert Bosch als sozial verantwortungsbewussten Arbeitgeber sowie als überzeugten Demokraten, engagierten Bürger, Stifter und Mäzen. In vier Großkapiteln berichtet der Verfasser über Boschs Herkunft und Aufstieg sowie über sein Agieren im Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik und während des Nazi-Regimes. Die Stärke des gründlich recherchierten, gut zu lesenden, wenngleich etwas langatmigen Textes liegt in dessen fundierter Einbettung in die Zeitgeschichte. Das wirtschaftliche Geschehen spielt natürlich eine große Rolle. Doch ihm gilt nicht das eigentliche Interesse des Autors. Auch nicht der technischen Entwicklung und deren wissenschaftlichen Hintergründen. Wer auf die Idee kommt, mehr über den innovativen Bosch-Zünder wissen zu wollen, erfährt nur wenig über den legendären Apparat, der mit einem elektrischen Funken Motoren zündete. Ausführlich diskutiert wird vielmehr die schwierige Rolle der hauseigenen gleichnamigen polemisch-kritischen Werkzeitschrift im Dritten Reich.
Dass Bosch dem Leser vor allem als Philanthrop nahegebracht wird, hat sicher mit der Herkunft und Ausgangsbasis des Autors zu tun: Der promovierte Historiker war bis 2016 Direktor des Bereichs "Geschichte der Philanthropie" der Robert Bosch Stiftung. Detailliert bis in alle Verästelungen schreibt er über das Mäzenatentum und alsbald professionalisierte Stiftungswesen, das dem Unternehmer offenbar schon in frühen Jahren ein Anliegen war.
Als Bosch im Weltkrieg üppig vom Absatz seiner Produkte profitierte, gingen 20 Millionen Mark aus seiner Tasche in den Bau des Neckarkanals und die Gründung von technischen, bildungspolitischen und sozialen Stiftungen. Während des Krieges ließ er einige Fabriken zu Lazaretten umbauen und kümmerte sich um verwundete Arbeiter nach deren Heimkehr. Später stiftete er in Stuttgart ein Krankenhaus, das noch heute seinen Namen trägt. Nach dem Weltkrieg setzte sich Bosch intensiv für die deutsch-französische Verständigung ein und engagierte sich für einen europäischen Wirtschaftsraum ohne Zollschranken. Seine Bemühungen fanden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein rasches Ende. Wie alle anderen übernahm das Unternehmen Rüstungsaufträge und beschäftigte Zwangsarbeiter. Gleichzeitig unterstützte Bosch aber unter anderem über Carl Goerdeler aktiv den Widerstand gegen Hitler und rettete Juden und andere Verfolgte vor der Deportation.
Theiner schildert Bosch, der schon früh aus der evangelischen Kirche austrat, im Gefolge der Biographie von Theodor Heuss als einen "Puritaner ohne Religion", ausgestattet mit "ethischem Rigorismus" und "grenzenloser Mitleidensfähigkeit gegenüber unverschuldeter Not", Zugleich aber auch als "leidenschaftlich aufbrausendes Temperament" und Mann mit Ecken und Kanten, der eine Neigung für Homöopathie und wollene Reformkleidung kultivierte. Schon in jungen Jahren wandte sich Bosch gegen alles Patriarchalische: "Er legte Wert auf eine Lebensführung, in die der Patron nur im Maße des unbedingt Nötigen eingreifen sollte", schreibt Theiner. Dieses individualistische Grundmuster habe er als regulative Idee der Unternehmensführung auch unter industriellen Vorzeichen beibehalten: "Dem patriarchalischen Habitus etwa eines Alfred Krupp stand Robert Bosch zeitlebens schroff ablehnend gegenüber."
ULLA FÖLSING
Peter Theiner: Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme. Eine Biographie. C.H.Beck, München 2017, 512 Seiten, 29,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Buch über Robert Bosch
Robert Bosch (1861 bis 1942) gilt als einer der erfolgreichsten Industriellen des 20. Jahrhunderts, dazu als früher Globalisierer und progressiver Arbeitgeber, der wie kaum ein anderer wirtschaftlich, politisch und sozial über seine Zeit hinaus dachte. Sein Unternehmen reüssiert bis heute. 1886 in einem Stuttgarter Hinterhaus als Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik mit einem Mechaniker und einem Laufburschen eröffnet, entwickelte das Unternehmen bald bahnbrechende Innovationen für Kraftfahrzeuge und eroberte mit industrieller Fertigung bereits um 1900 internationale Märkte.
Boschs unternehmerischer Erfolg war eng mit dem Aufstieg des Automobilzeitalters verbunden. Seinen ersten Coup landete der gelernte Feinmechaniker, der lieber Botaniker oder Zoologe geworden wäre, mit einem neuartigen Niederspannungs-Magnetzünder. Ihm folgten weitere elaborierte Modelle. Der international vermarktete Hochspannungs-Magnetzünder -- nunmehr mit Zündkerze - bescherte Bosch ab 1906 als Autozulieferer explosionsartiges Wachstum. Um seine Basis zu verbreitern, diversifizierte er sein Angebot auf Scheinwerfer, Lichtmaschinen und anderes Zubehör für die großen Autofabriken. 1913 wurden 81 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. Als im Ersten Weltkrieg der hohe Export des Kraftfahrzeugausrüsters dramatisch einbrach, stellte Bosch auf pyrotechnische Zünder für Minen um.
Gefertigt wurde ab 1901 im industriellen Maßstab in einer ersten Fabrik in Stuttgart, die Bosch zum Großverdiener machte. Zwischen 1904 und 1911 verzwölffachte er seine Belegschaft. 1913 beschäftigte er 4542 Mitarbeiter. Um gutes Personal für sein wachsendes Unternehmen zu finden und langfristig zu binden, zahlte er Löhne, die bis zu 60 Prozent höher lagen als der Branchendurchschnitt. Er sorgte für luftige, hygienische Tageslicht-Arbeitsplätze, führte 1906 als einer der Ersten in Deutschland den Acht-Stunden-Tag ein, investierte in die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter und begrüßte gewerkschaftliche Aktivität. Bald hatte er den Beinamen der "Rote Bosch". Die Überzeugung, dass nur gut ausgebildete, menschenwürdig behandelte und fair bezahlte Arbeitnehmer profitabel für ein Unternehmen sind, war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg keineswegs selbstverständlich. Anwürfe wegen seiner Führungs- und Lohnpolitik konterte Bosch mit dem Kommentar: "Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle."
Die zum 75. Todestag des Unternehmers erschienene Biographie von Peter Theiner feiert Robert Bosch als sozial verantwortungsbewussten Arbeitgeber sowie als überzeugten Demokraten, engagierten Bürger, Stifter und Mäzen. In vier Großkapiteln berichtet der Verfasser über Boschs Herkunft und Aufstieg sowie über sein Agieren im Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik und während des Nazi-Regimes. Die Stärke des gründlich recherchierten, gut zu lesenden, wenngleich etwas langatmigen Textes liegt in dessen fundierter Einbettung in die Zeitgeschichte. Das wirtschaftliche Geschehen spielt natürlich eine große Rolle. Doch ihm gilt nicht das eigentliche Interesse des Autors. Auch nicht der technischen Entwicklung und deren wissenschaftlichen Hintergründen. Wer auf die Idee kommt, mehr über den innovativen Bosch-Zünder wissen zu wollen, erfährt nur wenig über den legendären Apparat, der mit einem elektrischen Funken Motoren zündete. Ausführlich diskutiert wird vielmehr die schwierige Rolle der hauseigenen gleichnamigen polemisch-kritischen Werkzeitschrift im Dritten Reich.
Dass Bosch dem Leser vor allem als Philanthrop nahegebracht wird, hat sicher mit der Herkunft und Ausgangsbasis des Autors zu tun: Der promovierte Historiker war bis 2016 Direktor des Bereichs "Geschichte der Philanthropie" der Robert Bosch Stiftung. Detailliert bis in alle Verästelungen schreibt er über das Mäzenatentum und alsbald professionalisierte Stiftungswesen, das dem Unternehmer offenbar schon in frühen Jahren ein Anliegen war.
Als Bosch im Weltkrieg üppig vom Absatz seiner Produkte profitierte, gingen 20 Millionen Mark aus seiner Tasche in den Bau des Neckarkanals und die Gründung von technischen, bildungspolitischen und sozialen Stiftungen. Während des Krieges ließ er einige Fabriken zu Lazaretten umbauen und kümmerte sich um verwundete Arbeiter nach deren Heimkehr. Später stiftete er in Stuttgart ein Krankenhaus, das noch heute seinen Namen trägt. Nach dem Weltkrieg setzte sich Bosch intensiv für die deutsch-französische Verständigung ein und engagierte sich für einen europäischen Wirtschaftsraum ohne Zollschranken. Seine Bemühungen fanden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein rasches Ende. Wie alle anderen übernahm das Unternehmen Rüstungsaufträge und beschäftigte Zwangsarbeiter. Gleichzeitig unterstützte Bosch aber unter anderem über Carl Goerdeler aktiv den Widerstand gegen Hitler und rettete Juden und andere Verfolgte vor der Deportation.
Theiner schildert Bosch, der schon früh aus der evangelischen Kirche austrat, im Gefolge der Biographie von Theodor Heuss als einen "Puritaner ohne Religion", ausgestattet mit "ethischem Rigorismus" und "grenzenloser Mitleidensfähigkeit gegenüber unverschuldeter Not", Zugleich aber auch als "leidenschaftlich aufbrausendes Temperament" und Mann mit Ecken und Kanten, der eine Neigung für Homöopathie und wollene Reformkleidung kultivierte. Schon in jungen Jahren wandte sich Bosch gegen alles Patriarchalische: "Er legte Wert auf eine Lebensführung, in die der Patron nur im Maße des unbedingt Nötigen eingreifen sollte", schreibt Theiner. Dieses individualistische Grundmuster habe er als regulative Idee der Unternehmensführung auch unter industriellen Vorzeichen beibehalten: "Dem patriarchalischen Habitus etwa eines Alfred Krupp stand Robert Bosch zeitlebens schroff ablehnend gegenüber."
ULLA FÖLSING
Peter Theiner: Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme. Eine Biographie. C.H.Beck, München 2017, 512 Seiten, 29,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Gut lesbare Biographie [...], die auch den Stifter und Philanthropen lebendig werden lässt."
Christopher Schwarz, Wirtschaftswoche, 28. Juli 2017
"Was lernt man aus der Lektüre? Hingabe und Einsatz für die eigenen Mitarbeiter - als Rezept für wirklich langfristigen Erfolg."
Capital, Juni 2017
"Ein Lehrstück von hoher Aktualität (...) auf dem neuesten Stand der Wissenschaft."Werner Birkenmaier, Stuttgarter Zeitung, 28. April 2017
Christopher Schwarz, Wirtschaftswoche, 28. Juli 2017
"Was lernt man aus der Lektüre? Hingabe und Einsatz für die eigenen Mitarbeiter - als Rezept für wirklich langfristigen Erfolg."
Capital, Juni 2017
"Ein Lehrstück von hoher Aktualität (...) auf dem neuesten Stand der Wissenschaft."Werner Birkenmaier, Stuttgarter Zeitung, 28. April 2017