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"Krick? Krack!" sagen die Märchenerzähler in Haiti, der zweiten Heimat von Hans Christoph Buch, die ihn zum Erzählen von Abenteuern und zum Abenteuer des Erzählens inspirieren. Sein "Romanbaukasten" ist Fortsetzung und Abschluss seiner autobiographischen Tetralogie und enthält Wunschbiographen von Ausonius, dem letzten lateinischen und ersten deutschen Dichter, der die Mosel besang, bis zu Monika Ertl, die den Mörder Che Guevaras erschoss. Geschichten, die tödlich enden, weil das Leben selbst sie schrieb. In diesem Sinn gedenkt H. C. Buch berühmter Vorläufer wie Alexander Selkirk, Vorbild von…mehr

Produktbeschreibung
"Krick? Krack!" sagen die Märchenerzähler in Haiti, der zweiten Heimat von Hans Christoph Buch, die ihn zum Erzählen von Abenteuern und zum Abenteuer des Erzählens inspirieren. Sein "Romanbaukasten" ist Fortsetzung und Abschluss seiner autobiographischen Tetralogie und enthält Wunschbiographen von Ausonius, dem letzten lateinischen und ersten deutschen Dichter, der die Mosel besang, bis zu Monika Ertl, die den Mörder Che Guevaras erschoss. Geschichten, die tödlich enden, weil das Leben selbst sie schrieb. In diesem Sinn gedenkt H. C. Buch berühmter Vorläufer wie Alexander Selkirk, Vorbild von Defoes Robinson, und Hitlers Abwehrchef Canaris, der als Widerstandskämpfer im KZ starb. Auch literarische Zeitgenossen lässt er Revue passieren, allen voran Buch nahestehende Autoren, deren Karrieren er mit einem lachenden und einem weinenden Auge schildert, anknüpfend an die einfühlsamen Porträts in seinem hochgelobten Essayband "Tunnel über der Spree".
Autorenporträt
Hans Christoph Buch wurde 1944 in Wetzlar geboren. Er ist Erzähler, Essayist und Reporter und lebt in Berlin. Im Mittelpunkt von Buchs zahlreichen Veröffentlichungen stehen ein Romanzyklus über Haiti, wo sein Großvater sich vor über hundert Jahren als Apotheker niederließ, sowie Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten. In der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen die Novelle "Tod in Habana" (2007) sowie die Romane "Reise um die Welt in acht Nächten" (2009), "Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod" (2013), "Elf Arten, das Eis zu brechen" (2016), "Stillleben mit Totenkopf" (2018) und die Essaybände "Boat People – Literatur als Geisterschiff" (2014) und "Tunnel über der Spree. Traumpfade der Literatur" (2019).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen empfiehlt Romanautoren das neue Buch von Hans Christoph Buch. So viel Abenteurertum war nie, und was ist schon die eigene armselige Biografie gegen die Monika Ertls oder des "Fliegers von Tsingtau"? Echte Draufgänger und Draufgängerinnen trifft Jungen in diesem Buch, das ihn in alle Erdteile und auch in Buchs eigene durchaus abenteuerliche Familiengeschichte führt, zuhauf, tollkühne Piloten, Robinsone, Urwaldkämpferinnen und "Literaten-Beamte" im alten China. Wie der Autor ihre Geschichte mit allerhand Bezügen zur Kunst und Kultur und der eigenen Biografie verbindet, erscheint Jungen selbst wie ein Abenteuer. Zumal Buchs Hyperrealismus ihn ahnen lässt, dass das nächste Abenteuer gar nicht so weit ist. Tröstlich findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2021

Mit der Zauberbrille zur Literatur von übermorgen
Keine Insel ist einsam: Hans Christoph Buch vervielfältigt sich in sieben hinreißende Abenteurer

Abenteurertum ist in Verruf geraten. Ganz ohne Überheblichkeit geht es schließlich selten ab. In Robinson Crusoe, über Generationen hinweg ein Held der sich in die Selbstermächtigung träumenden Jugend, sieht man inzwischen - und es ist leicht, das zu sehen - einen rassistischen Protokolonialisten. Der in jeder Hinsicht weitgereiste Hans Christoph Buch, ein Weltbürger unter den deutschen Schriftstellern, macht uns und sich jedoch die Freude und lässt noch einmal echte Draufgänger aufmarschieren, in deren Umhänge und Uniformen er sich hüllt, eine hinreißend verspielte Selbstvervielfältigung, "auto" und "biographisch" auf neue Weise zusammendenkend.

Um selbstbewusst ambivalente, dabei insgeheim geschichtsmächtige Helden geht es. Sie absolvieren Luftkämpfe in tollen Kisten, verführen Che Guevaras Revolutionäre, geraten als Literaten-Beamte mit einem ruinösen Staatssozialismus im China des elften Jahrhunderts aneinander oder als reaktionäre Nationalisten mit dem Hitler-Regime. Sieben Leben, die sich zu einem Netz verknüpfen, mit dem der Autor eine Katze fängt, die seinen eigenen Namen trägt und die uns glühenden Auges anblickt - in diesem Leuchten die Schemen vieler Weggefährten Buchs -, bevor sie in die Nacht davonspringt.

Auch Robinson Crusoe gehört zu den Helden dieses so schön seltsamen, gewissermaßen innovativ altmodischen Erinnerungsbuchs, sowohl als symbolisch-metaphorische Bezugsfigur, die alle übrigen verbindet (ein seit sechs Jahren geplanter Robinson-Roman dürfte der Nukleus des ganzen Projekts sein), als auch - wie in der flirrend sach- und welthaltigen Prosa dieses Autors üblich - in seiner realen Gestalt als Alexander Selkirk, der kein Schiffbrüchiger war, sondern nach einem Streit von der eigenen Mannschaft auf einer Insel des Juan-Fernández-Archipels ausgesetzt wurde. Buch hat die Robinson-Insel selbst besucht. Seine Darstellung verändert aber gleich die Perspektive: Das Überleben mag ein Abenteuer (mit Kokosnussaroma) gewesen sein, das viel größere aber stellte die Rückkehr des wieder autark gewordenen Menschen in die Notgemeinschaft namens Gesellschaft dar.

Der Autor imaginiert, wie genau der Stoff von Selkirk an Daniel Defoe gekommen sein könnte, womit ein weiteres Leitmotiv aufgerufen ist, das des literarischen Fortlebens. Stoffe mäandern, fließen, verheddern sich, sie werden breiter und tiefer. Geheime Drähte scheinen dabei zwischen ihnen zu verlaufen, selbst über Jahrhunderte hinweg. Niemand ist eine Insel, schon gar nicht in der Literatur.

Was Buch ausbreitet, ist denn auch ein Ozean an Bezügen, die wiederum oft in Beziehung stehen zu seiner eigenen Biographie, die geprägt ist von der Auswanderung des Großvaters nach Haiti - dem erstaunlichen Aufstieg und jähen Absturz des haitianischen Urgroßvaters ist ein besonders magisches Kapitel gewidmet -, aber auch von Aufenthalten in den Vereinigten Staaten, in Argentinien, Chile, Kuba und China. Auf der Metaebene, jenseits des umgebundenen Löwenfells, handelt "Robinsons Rückkehr" damit vom Abenteuer des Erzählens selbst, von der Rückkehr eines in der Ferne ausgesetzten und gereiften Sujets in die Gesellschaft (der Leser). Bezwingend wird so etwas nur - und dafür steht dieser Autor ein -, wenn es mit eigenem Erleben und tiefer Sachkenntnis durchdrungen ist. Einfühlung à la Hilary Mantel ist Buchs Sache nicht: Ausgedachte Dialoge historischer Personen ödeten ihn an, gesteht er. Zugleich verführen uns die Kapitel virtuos zur heiklen Heldenidentifikation.

Los geht es - unerwartet, aber stimmig - am Beginn der deutschen Literatur, die das Ende der römischen markiert. Wir lernen den Dichter und Erzieher Ausonius kennen, der nicht nur hohe Hofämter bekleidete, sondern (durch Buchs Augen) auch in die Zukunft zu sehen vermag. Das Christentum schwappt in einer ersten Welle über ihn hinweg, und schon scheint er auch selbst aufzuerstehen, allerdings vorerst als Chinese. Dem im literaturaffinen Reich der Mitte durchaus berühmten Schriftsteller und Politiker Su Dongpo - der zweite Held in diesem Pantheon - gesteht der Autor ebenfalls eine Zauberbrille zu, durch die der Chinese im elften Jahrhundert Shakespeare und Goethe lesen darf. Und doch wirkt Su moderner als alle beide.

Ebenfalls ein (Roman-)Held nach Buchs Geschmack ist Gunther Plüschow, der "Flieger von Tsingtau" (dies der China-Link), ein früher Marinepilot und Hasardeur, der sogar noch mehr erlebt hat, als in seine Bestseller-Erinnerungen passte. Diese Biographie führt zu dem nur wenige Jahre jüngeren Musteroffizier Wilhelm Canaris, unter Hitler Leiter des Geheimdienstes der Wehrmacht, der im April 1944 hingerichtet wurde, nachdem seine Kontakte zum Widerstandskreis um Stauffenberg bekanntgeworden waren.

Je problematischer eine Gestalt in moralischer Hinsicht ist, desto mehr Facetten gewinnen Buchs hyperrealistische Lebensbeschreibungen ihnen ab. Sein Faible für alles Südamerikanische lebt der Autor im Kapitel über Monika Ertl aus. Die Tochter eines an der Seite von Leni Riefenstahl bekanntgewordenen Kameramanns und Abenteurers stieg nach Che Guevaras Tod zu einer der wichtigsten Anführer-Persönlichkeiten in der bolivianischen Guerrilla-Organisation ELN auf. Gemeinsam ist allen, dass ihnen nach einem derart gesteigerten Leben eine Rückkehr in eine feinsäuberlich abgesteckte Kleinbürger-Existenz kaum möglich war.

Letzteres aber scheint in der restlos verwalteten Gegenwart noch einmal unausweichlicher geworden zu sein, wie der in einer Spitzweg würdigen Szene von der Leiter gefallene Autor, der lustig einräumt, gegen so etwas zusatzversichert zu sein, selbst feststellen darf. Es sind dann ausgerechnet die näher rückenden Tode von Freunden - Günter Herburger, Christoph Ludszuweit, György Konrád, Günter Kunert -, die ein Fenster aufreißen in diesem Elfenbeinturmgefängnis, denn der Tod ist auf unserer Wohlstandsinsel (mit Kokosnussaroma) der letzte radikale Einspruch. Noch einmal rudert Buch daher hinaus in die sturmumtoste See, kehrt dorthin zurück, wo die wahren Dramen spielen. Das Abenteurertum, so lautet die tröstliche Botschaft, ist noch gar nicht weit entschwunden. Wenn man nur hinzublicken weiß: so viele Geschichten, so wenig Zeit. Daran erinnert uns diese anregende Sammlung, die man einen Romansteinbruch nennen könnte. Ein Glücksfall für Jungautoren in der Befindlichkeitsfalle: Vergesst den nächsten Roman über eine bundesrepublikanische Jugend, baut lieber diesen Marmor ab.

OLIVER JUNGEN

Hans Christoph Buch: "Robinsons Rückkehr". Die sieben Leben des H. C. Buch.

Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2020. 256 S., geb., 20,- [Euro].

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