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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Detailreiche Summe eines Lebenswerks:
Christian Marek entwirft ein Panorama des Vorderen Orients unter römischer Herrschaft.
Romani semper vincunt, "die Römer siegen immer", ritzte ein namenloser Legionär im zweiten nachchristlichen Jahrhundert in den Mauerstein einer Festungsanlage im heutigen Jordanien. Dort verlief damals die Südostgrenze des Römischen Reiches. Tatsächlich hatten die Römer ihre Gegner im Osten fast immer besiegt, seit sie als Erben des hellenistischen Reichs von Pergamon drei Jahrhunderte zuvor in Kleinasien Fuß gefasst hatten, und ihre wenigen Niederlagen, etwa der Untergang einer von Crassus geführten Armee bei Carrhae gegen die Parther im Jahr 53 vor Christus, waren rasch in Vergessenheit geraten. Noch ein knappes halbes Jahrtausend lang sollten Roms Legionen und später Ostroms Grenztruppen die Großregion zwischen Bosporus und Euphrat, dem Schwarzen Meer und der Libyschen Wüste kontrollieren, ehe ihre Herrschaft unter dem Ansturm der unter dem Banner Mohammeds vereinten arabischen Reiterheere schlagartig zusammenbrach.
Von dieser Herrschaft, ihren Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen handelt das Buch des emeritierten Züricher Althistorikers Christian Marek. "Rom und der Orient" ist die Summe eines Lebenswerks, was man auch daran merkt, dass Marek sich nicht selten selbst zitiert: Seine in dreißig Jahren Lehrtätigkeit verfassten Studien zu römischen Inschriften in Kleinasien, kaiserzeitlichen Zollgesetzen, der Geschichte einzelner Provinzen und dem frühen Christentum bilden wertvolle Bausteine zu dem vorliegenden Band. In einem Exkurs, der zu den schönsten Passagen des Buches gehört, berichtet der Autor zudem, wie er im Jahr 1986 mit seiner Frau auf den Spuren des römischen Feldherrn Aelius Gallus mit dem Auto von Jordanien über Saudi-Arabien in den Jemen und zurück reiste. Der Enthusiasmus, mit dem er auf die Abenteuer dieser Fahrt zurückblickt, ist für einen deutschsprachigen Geschichtswissenschaftler ungewöhnlich, und er färbt auch die Betrachtungen ein, die Marek etwa der kappadokischen Landschaft, der Bildkunst des römischen Orients oder der Literatur und Philosophie von Lukian bis Libanios widmet.
In dieser Begeisterung für sein Thema liegt allerdings auch eine Grenze von Mareks historischem Überblick. Weil er vieles von dem, was in anderen Gesamtdarstellungen nur gestreift wird, persönlich erforscht hat, verliert er sich oft in Details, statt die großen Linien des Geschehens weiterzuverfolgen. So hätte man auf die Erörterung der Historizität des Jesusbriefes an König Abgar von Edessa gern verzichtet und stattdessen lieber mehr über die Reiseroute des Kaisers Hadrian bei seiner Besichtigung der östlichen Reichsprovinzen gelesen. Auch die ausführliche Lebensgeschichte des heiligen Basilius von Caesarea und seines Bruders Gregor von Nyssa erscheint angesichts des moderaten Umfangs von Mareks Buch weniger wichtig als die Transformation der spätantiken Städtekultur von der raumgreifenden, mit prächtigen Bauten geschmückten Polis zum eng ummauerten Kastron, die schon im dritten Jahrhundert begann und von Marek in wenigen Zeilen abgehandelt wird.
Ohnehin ist der Titel des Buchs ein Etikettenschwindel. Statt "Rom und der Orient" hätte es besser "Der Orient und Rom" heißen sollen, denn die Faszination der Römer für die Götter, Göttinnen und Mysterienkulte des Ostens, die sich etwa in der marmornen Isis der Kapitolinischen Museen und der Trierer Statuette des Knaben Attis niederschlug, kommt bei Marek nicht vor. Mit dem dürren Satz, die orientalische Kulturszene der Hauptstadt sei "wirkmächtiger und beständiger als das ephemere Schauspiel eines Elagabal" gewesen, geht er über Jahrhunderte der Kulturkämpfe zwischen griechisch-römischer Philosophie und östlichen Offenbarungsreligionen hinweg, aus denen am Ende das Christentum, in dem sich beide Strömungen verbanden, als Sieger hervorging.
Ähnlich wie Michael Sommer in seiner Maßstäbe setzenden Studie zum "Römischen Orient" von 2006 (die in Mareks Literaturliste seltsamerweise nicht auftaucht) behandelt der Züricher Historiker Ereignis- und Kulturgeschichte in getrennten Textblöcken. Anders als Sommer freilich sortiert er die einzelnen Themenbereiche nicht hintereinander, sondern schiebt geographische, religions-, geistes- und kunsthistorische Exkurse in die Chronologie der Kriege, Dynastien und Herrscherwechsel ein. Für das Verständnis der geschichtlichen Zusammenhänge ist das nicht günstig. Weil die Darstellung immer wieder neu einsetzen muss, geht die Kontinuität und innere Logik des Geschehens für den Leser verloren.
Dass die Reichsverteidigung im Osten nach der zweiten Katastrophe von Carrhae - diesmal unter dem Senatskaiser Valerian - im Jahr 260 zusammenbrach, lässt sich immerhin mit der ersten Welle der Völkerwanderung an Rhein und Donau erklären. Aber die wiederholten Einbrüche der Perser in den römischen Festungsgürtel zwischen Euphrat und Rotem Meer unter Justinian und seinen Nachfolgern sind ohne die religiösen Zerwürfnisse zwischen Antiochia, Alexandria und der neuen Hauptstadt Konstantinopel nicht zu verstehen. Marek blendet die politischen Hintergründe der christologischen Debatten, in denen auch ein neues regionales Selbstbewusstsein seinen Ausdruck suchte, jedoch weitgehend aus. Bei ihm ist, wie in der traditionellen Geschichtswissenschaft, der Triumph auf dem Schlachtfeld eine Sache des Feldherrngenies. Dabei waren es nicht die Römer, die an ihrer Ostgrenze nicht mehr siegten, sondern ihre aus Fremdkontingenten zusammengestückelten Heere, die eine innerlich zerrissene, von abtrünnigen Bischöfen und Säulenheiligen aufgeputschte Reichsbevölkerung nicht zu verteidigen vermochten.
Er wolle "einen anderen Blick auf römische Geschichte öffnen" und in eine weniger bekannte historische Welt einführen, schreibt Marek im Vorwort. Das ist ihm ohne Zweifel gelungen. Aber seinem großen nahöstlichen Panorama fehlt das, was Überblicksdarstellungen erst interessant macht: Theorie. Dass der Orient "durch das Medium der Hellenisierung romanisiert" worden sei, ist eine allzu dünne These, die man ebenso gut umdrehen kann: Der Okzident wurde durch das hellenistisch überformte Christentum orientalisiert. Etwas davon hat Peter Sloterdijk begriffen, der in seiner 2017 erschienenen, von Marek kommentarlos zitierten Schrift "Nach Gott" feststellt, die Erweckungsbewegungen der Spätantike, Christen, Markioniten, Montanisten, Mithrasverehrer, Manichäer und viele andere, hätten vor allem eines gemeinsam - "dass sie alle orientalisch sind". Der Westen dagegen sei "ein leeres Blatt" gewesen, das von den neuen Religionen beschrieben wurde. Aber warum? Darauf hätte man bei Christian Marek eine Antwort erhofft. So bleibt es bei einem Epochenbuch, das im Blick auf den Orient die Perspektive Roms aus den Augen verliert. ANDREAS KILB
Christian Marek: "Rom und der Orient". Reiche - Götter - Könige.
C. H. Beck Verlag, München 2023.
720 S., Abb., geb., 48,- Euro.
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Online Merker, Renate Wagner
"Eine meisterhafte, reich bebilderte Synthese seiner jahrzehntelangen Forschungen und Reisen. ... Faktenreich und anschaulich."
Münze Revue, Jakob Riede
"Dem geradezu blitzartigen Zusammenbruch der Demokratie in Afghanistan 2021 stellt der Zürcher Althistoriker Christian Marek in seinem neuen Buch die lange Dauer des römischen Regiments im Orient gegenüber."
WELT, Berthold Seewald
"Ein umfassend informierendes Buch, das eine gebündelte Gesamtschau auf die Osthälfte des römischen Reiches bei angenehmer Lektüre ermöglicht."
Forum Classicum, Michael Wissemann
"Für alle, die sich detailliert für die Kulturgeschichte des Römischen Reiches und seiner östlichen Provinzen interessieren, ist es ganz gewiss eine lohnende Lektüre."
damals, Anna Joisten