Romeo und Julia: Als Sinnbild bedingungsloser Liebe und Treue bis in den Tod sind sie unsterblich geworden. Die Geschichte der beiden Liebenden, die an der Feindschaft ihrer Familien zugrunde gehen, ist Shakespeares meistgespieltes Drama und wurde vielfach verfilmt. Mit der Übertragung von Thomas Brasch ist eine ebenso genaue wie kongeniale Nachdichtung gelungen, die die Sprachkraft Shakespeares einzigartig widerspiegelt.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2013Verlorene
Liebesmüh?
Shakespeare-Übersetzer Frank Günther und der Brand
William Shakespeare und Brand-Katastrophen gehören offenbar zusammen. 1613, drei Jahre vor seinem Tod, brannte das Londoner Globe Theatre, dessen Miteigentümer er war, vollständig ab, und zwar, wie es die Ironie des Schicksals wollte, während einer Vorstellung eines seiner eigenen Stücke, „Heinrich VIII.“. Das Feuer war ein schwerer Schlag für Shakespeare und seine Truppe, die von einem Tag auf den anderen ihre Spielstätte und damit ihre Einnahmequelle verloren hatten. Ein Jahr später wurde das Theater zwar wieder aufgebaut, aber Shakespeare war nicht mehr dabei. Er hatte seine Anteile an die Kollegen verkauft. Offenbar fühlte er sich zu alt, um noch einmal neu anzufangen. „Aber“, sagt Frank Günther, „man müsste es ihm ja nicht nachmachen“.
Seit den Siebzigerjahren übersetzt Günther, geboren 1947, Shakespeares Gesamtwerk ins Deutsche. Angefangen hat dieses Mammutprojekt ganz harmlos, als er, damals noch Regisseur, „Viel Lärm um nichts“ in Angriff nahm, eine Auftragsarbeit, die der studierte Anglist mit Gewalt und einer gehörigen Portion Naivität in zwei Wochen durchpeitschte. Gut dreißig Jahre später ist eine Lebensleistung daraus geworden: Ende 2015 soll der letzte der auf 39 Bände angelegten Ausgabe herauskommen, von denen 34 bereits erschienen sind, damit die Edition zu Shakespeares 400. Todestag komplett vorliegt.
Günther wäre dann der erste, der den ganzen Shakespeare allein ins Deutsche übersetzt hat. Seine Übertragungen werden als Taschenbücher bei DTV verlegt und in einer aufwendig ausgestatteten bibliophilen Ausgabe bei ars vivendi in Cadolzburg, einem kleinen Verlag, der mit ungeheurem Idealismus ein großes Werk zu seiner Sache gemacht hat.
Frank Günther wirkt im Gespräch mit der SZ erstaunlich gefasst, wenn man bedenkt, dass bei dem Lagerbrand in der Nähe von Leipzig sein Lebenswerk in Flammen aufgegangen ist. Von 22 Bänden der Ausgabe ist fast der gesamte Bestand betroffen, allerdings unterschiedlich schwer. Rund fünfzig Prozent sind durch Feuer, Löschwasser und Ruß unbrauchbar geworden, ein anderer Teil der Auflage „stinkt nur“, so Günther. Ein weiterer Teil von bislang ungeklärtem Umfang ist kontaminiert, kann aber eventuell durch entsprechende chemische Aufbereitung noch gerettet werden. Auf 1,2 Millionen Euro beläuft sich der gesamte Schaden.
„Ich bin jetzt 65“, sagt Frank Günther mit Galgenhumor, „die Krebswerte steigen“, und sein Alkoholkonsum habe seit der Nachricht erkennbar zugenommen. Aber sich zu motivieren, am große Shakespeare-Buch weiter zu schreiben, das im nächsten Jahr bei DTV geplant ist, falle ihm gerade nicht ganz leicht. Andererseits sei die Günthersche Shakespeare-Ausgabe ja nicht aus der Welt, „die Subskriptionsexemplare sind ausgeliefert und die öffentlichen Bibliotheken bestückt. Jetzt kommt alles darauf an, dass die Versicherung einspringt und den Schaden reguliert“. Denn aus eigener Kraft könne ein so kleiner Verlag wie ars vivendi den Nachdruck nicht stemmen.
Laut ars vivendi -Verleger Norbert Treuheit habe die Allianz die Deckung zugesagt, „aber nur, wenn die Versicherung zeitnah überweist“, sagt er gegenüber der SZ, „können wir unseren Zeitplan einhalten und nachproduzieren“. Insgesamt 191 Titel seines Verlages sind betroffen. Als ihn vor zwei Wochen die Nachricht erreichte, sei er, so Treuheit, erst mal in Schockstarre verfallen. „Aber wir sind Kämpfer“, und deshalb werde er alles tun, damit die Shakespeare-Ausgabe zum Jubiläum, auf das sie gezirkelt ist, vollständig vorliegt.
Aber selbst wenn alles gut geht, steht dem Verleger eine Heidenarbeit bevor: „Wir müssen erneut die verschiedenen Fassungen zusammentragen und die Korrekturen abgleichen“, denn Druckvorlagen in dem Sinne gebe es schließlich heutzutage nicht mehr. So wirkt sich die Digitalisierung, die dem gedruckten Buch ohnehin zusetzt, in diesem Fall mit doppelter Härte aus. Besonders schwer sei der Schlag für ihn gewesen, sagt Norbert Treuheit noch, weil das Projekt schon in der Vergangenheit zwei Rückschläge verkraften musste. Krankheitsbedingt war der Abschluss der Edition mehrmals verschoben worden, sie stand bereits kurz vor dem Scheitern. Nachdem 2014, der 450. Geburtstag Shakespeares, als Termin nicht zu halten war, wäre eine neuerliche Verzögerung fatal.
Im Gegensatz zu Shakespeare, der vor dem Feuer kapitulierte, wollen seine deutschen Sachwalter standhaft bleiben. Kein zweites Mal soll er seine Bühne verlieren, zumindest nicht seine verlegerische bei ars vivendi .
CHRISTOPHER SCHMIDT
Frank Günther in seinem Haus in Rot an der Rot bei Biberach.
FOTO: ARS VIVENDI
William Shakespeare:
Romeo und Julia.
Aus dem Englischen von Frank Günther. Band 5
der Gesamtausgabe.
Verlag ars vivendi,
Cadolzburg, 1. Auflage 2000. 296 Seiten, 30 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Liebesmüh?
Shakespeare-Übersetzer Frank Günther und der Brand
William Shakespeare und Brand-Katastrophen gehören offenbar zusammen. 1613, drei Jahre vor seinem Tod, brannte das Londoner Globe Theatre, dessen Miteigentümer er war, vollständig ab, und zwar, wie es die Ironie des Schicksals wollte, während einer Vorstellung eines seiner eigenen Stücke, „Heinrich VIII.“. Das Feuer war ein schwerer Schlag für Shakespeare und seine Truppe, die von einem Tag auf den anderen ihre Spielstätte und damit ihre Einnahmequelle verloren hatten. Ein Jahr später wurde das Theater zwar wieder aufgebaut, aber Shakespeare war nicht mehr dabei. Er hatte seine Anteile an die Kollegen verkauft. Offenbar fühlte er sich zu alt, um noch einmal neu anzufangen. „Aber“, sagt Frank Günther, „man müsste es ihm ja nicht nachmachen“.
Seit den Siebzigerjahren übersetzt Günther, geboren 1947, Shakespeares Gesamtwerk ins Deutsche. Angefangen hat dieses Mammutprojekt ganz harmlos, als er, damals noch Regisseur, „Viel Lärm um nichts“ in Angriff nahm, eine Auftragsarbeit, die der studierte Anglist mit Gewalt und einer gehörigen Portion Naivität in zwei Wochen durchpeitschte. Gut dreißig Jahre später ist eine Lebensleistung daraus geworden: Ende 2015 soll der letzte der auf 39 Bände angelegten Ausgabe herauskommen, von denen 34 bereits erschienen sind, damit die Edition zu Shakespeares 400. Todestag komplett vorliegt.
Günther wäre dann der erste, der den ganzen Shakespeare allein ins Deutsche übersetzt hat. Seine Übertragungen werden als Taschenbücher bei DTV verlegt und in einer aufwendig ausgestatteten bibliophilen Ausgabe bei ars vivendi in Cadolzburg, einem kleinen Verlag, der mit ungeheurem Idealismus ein großes Werk zu seiner Sache gemacht hat.
Frank Günther wirkt im Gespräch mit der SZ erstaunlich gefasst, wenn man bedenkt, dass bei dem Lagerbrand in der Nähe von Leipzig sein Lebenswerk in Flammen aufgegangen ist. Von 22 Bänden der Ausgabe ist fast der gesamte Bestand betroffen, allerdings unterschiedlich schwer. Rund fünfzig Prozent sind durch Feuer, Löschwasser und Ruß unbrauchbar geworden, ein anderer Teil der Auflage „stinkt nur“, so Günther. Ein weiterer Teil von bislang ungeklärtem Umfang ist kontaminiert, kann aber eventuell durch entsprechende chemische Aufbereitung noch gerettet werden. Auf 1,2 Millionen Euro beläuft sich der gesamte Schaden.
„Ich bin jetzt 65“, sagt Frank Günther mit Galgenhumor, „die Krebswerte steigen“, und sein Alkoholkonsum habe seit der Nachricht erkennbar zugenommen. Aber sich zu motivieren, am große Shakespeare-Buch weiter zu schreiben, das im nächsten Jahr bei DTV geplant ist, falle ihm gerade nicht ganz leicht. Andererseits sei die Günthersche Shakespeare-Ausgabe ja nicht aus der Welt, „die Subskriptionsexemplare sind ausgeliefert und die öffentlichen Bibliotheken bestückt. Jetzt kommt alles darauf an, dass die Versicherung einspringt und den Schaden reguliert“. Denn aus eigener Kraft könne ein so kleiner Verlag wie ars vivendi den Nachdruck nicht stemmen.
Laut ars vivendi -Verleger Norbert Treuheit habe die Allianz die Deckung zugesagt, „aber nur, wenn die Versicherung zeitnah überweist“, sagt er gegenüber der SZ, „können wir unseren Zeitplan einhalten und nachproduzieren“. Insgesamt 191 Titel seines Verlages sind betroffen. Als ihn vor zwei Wochen die Nachricht erreichte, sei er, so Treuheit, erst mal in Schockstarre verfallen. „Aber wir sind Kämpfer“, und deshalb werde er alles tun, damit die Shakespeare-Ausgabe zum Jubiläum, auf das sie gezirkelt ist, vollständig vorliegt.
Aber selbst wenn alles gut geht, steht dem Verleger eine Heidenarbeit bevor: „Wir müssen erneut die verschiedenen Fassungen zusammentragen und die Korrekturen abgleichen“, denn Druckvorlagen in dem Sinne gebe es schließlich heutzutage nicht mehr. So wirkt sich die Digitalisierung, die dem gedruckten Buch ohnehin zusetzt, in diesem Fall mit doppelter Härte aus. Besonders schwer sei der Schlag für ihn gewesen, sagt Norbert Treuheit noch, weil das Projekt schon in der Vergangenheit zwei Rückschläge verkraften musste. Krankheitsbedingt war der Abschluss der Edition mehrmals verschoben worden, sie stand bereits kurz vor dem Scheitern. Nachdem 2014, der 450. Geburtstag Shakespeares, als Termin nicht zu halten war, wäre eine neuerliche Verzögerung fatal.
Im Gegensatz zu Shakespeare, der vor dem Feuer kapitulierte, wollen seine deutschen Sachwalter standhaft bleiben. Kein zweites Mal soll er seine Bühne verlieren, zumindest nicht seine verlegerische bei ars vivendi .
CHRISTOPHER SCHMIDT
Frank Günther in seinem Haus in Rot an der Rot bei Biberach.
FOTO: ARS VIVENDI
William Shakespeare:
Romeo und Julia.
Aus dem Englischen von Frank Günther. Band 5
der Gesamtausgabe.
Verlag ars vivendi,
Cadolzburg, 1. Auflage 2000. 296 Seiten, 30 Euro.
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