Der intensive Blick des Wolfs an der Hallenwand auf dem Copenhell-Gelände in Kopenhagen ist an sich schon eindrucksvoll. Mit einer darunter liegenden Leiche beginnt der neue Thriller von Anne Nørdby. "Rot. Blut. Tot" ist nach „Eis. Kalt. Tot“ der zweite Band um das dänische Ermittlerduo Jesper Bæk
und Kirsten Vinther und zu meiner Freude ist auch die Super Recognizerin Marit Rauch Iversen wieder…mehrDer intensive Blick des Wolfs an der Hallenwand auf dem Copenhell-Gelände in Kopenhagen ist an sich schon eindrucksvoll. Mit einer darunter liegenden Leiche beginnt der neue Thriller von Anne Nørdby. "Rot. Blut. Tot" ist nach „Eis. Kalt. Tot“ der zweite Band um das dänische Ermittlerduo Jesper Bæk und Kirsten Vinther und zu meiner Freude ist auch die Super Recognizerin Marit Rauch Iversen wieder mit an Bord. Herausgekommen ist ein enorm spannendes, bedrückendes, vielschichtiges Buch, das die Leserschaft nicht nur mit nach Kopenhagen und die Insel Møn nimmt, sondern auch auf eine Reise in die mystische Welt der Asengläubigen.
Aber von vorn.
Ein Toter wird unter dem Copenhell-Wolf auf der Halbinsel Refshaleøen gefunden. Die Leiche ist grausam zugerichtet und der Mord wirft Fragen auf, denn der Tote war unheilbar an Krebs erkrankt und hätte ohnehin nur noch kurze Zeit zu leben gehabt. Noch bevor Jesper Bæk und seine Kollegen auch nur annähernd eine Idee haben, wer hinter der Tat stecken könnte, wird auf der Insel Møn eine weitere Leiche gefunden. Der Modus Operandi ist zu ähnlich, als dass es keinen Zusammenhang geben könnte. Für die Bewohner der Insel ist schnell klar, dass es sich beim Täter um Hans Erik Rask, einen intelligenzgeminderten Mann handeln muss. Schließlich saß er wegen des Mordes an einem kleinen Mädchen 31 Jahre im Gefängnis gesessen. Da er inzwischen entlassen wurde, ist für alle klar: der Wolf von Møn ist zurück. Die Ermittler stoßen bei ihrer Arbeit in dem durch unterschiedliche religiöse Ansichten tief gespaltenen Dorf abwechseln auf Ablehnung und Unterstützung. Die Polizei versucht, bei ihrer Fahndung nach Hans Erik Rask dem wütenden Mob zuvorzukommen, der den Mann am liebsten lynchen würde. Aber nach und nach tauchen immer mehr Ungereimtheiten auf, und was hat alles mit der ehemaligen Tierversuchsanstalt auf der Nachbarinsel zu tun?
Ich kenne Anne Nørdby von der Tom-Skagen-Reihe und habe auch „Eis. Kalt. Tot“, den Vorgängerband zu diesem Buch gelesen. Aber mit „Rot. Blut. Tot“ toppt die Autorin alles, was ich bislang von ihr kenne. Die Verflechtung der mystischen Aspekte (sie zitiert die Edda, Wölfe spielen eine zentrale Rolle und das Publikum erfährt einiges über den Asatro, eine Glaubensgemeinschaft, die an die Asen, also die nordischen Götter glaubt), Krimigeschehen und aktueller dänischer Politik ist hervorragend gelungen und gibt dem Buch einen sehr speziellen Touch. Die Insel Lindolm samt der inzwischen aufgegebenen Tierversuchsanstalt ist ebenso real wie die Idee der FD (Dansk Folkeparti), dort straffällig gewordene Asylbewerber:innen unterbringen zu wollen und auch das Ghettogesetz gibt es seit 2021. Dazu ist der Spannungsbogen fast konstant sehr hoch und auch sprachlich ist das Buch sehr ansprechend geschrieben. Die Geschichte wird in verschiedenen Erzählsträngen erzählt, aus der Sicht der Ermittler, aus der Sicht des Wolfs von Møn, dessen Gedankengänge ab und zu auch Licht in die Geschehnisse der Vergangenheit bringen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, wer den ersten Band der Reihe kennt, kann eine deutliche Entwicklung feststellen. Die Balance zwischen Ermittlungsarbeit und Privatleben der Ermittler ist ausgewogen, wenn auch die Probleme von Jespers Tochter Josefine mit se*ualisierter Gewalt in der Polizeischule etwas zu oberflächlich angerissen werden. Der Schluss war für mich eine Überraschung – alles in allem macht das Buch einfach Lust auf mehr.
Als Dänemark-Fan mit dem Copenhell-Wolf als Aufnäher auf der Hose bin ich natürlich nicht ganz unparteiisch, was das Buch angeht. Dennoch gebe ich eine klare Lese-Empfehlung für alle Freunde des Scandi-Noir, von Kopenhagen, der Insel Møn, für alle, die sich für die alten nordischen Religionen interessieren und überhaupt alle, die spannende und gut geschriebene Thriller mögen. Von mir natürlich fünf Sterne.