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"Royal Mary", der in Georgien preisgekrönte Roman Ischaghaschwilis, spielt in einer Stadt, die ein Schmelztiegel der Kulturen war: Tiflis gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Atmosphäre dieser Stadt, Bilder von Märkten, Spelunken und Palästen, exzentrische Typen, fremde Mächte, ja fast die Gerüche einer vergangenen Zeit – mit Witz und Virtuosität fängt Iaschaghaschwili all das ein, und erzählt doch von Mord und Todschlag. Und alles dreht sich um ein Pferd – und den Schah von Persien… Dabei ist der Autor bescheiden genug, auch noch auf Puschkin und Kipling und Borges zu verweisen.

Produktbeschreibung
"Royal Mary", der in Georgien preisgekrönte Roman Ischaghaschwilis, spielt in einer Stadt, die ein Schmelztiegel der Kulturen war: Tiflis gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Atmosphäre dieser Stadt, Bilder von Märkten, Spelunken und Palästen, exzentrische Typen, fremde Mächte, ja fast die Gerüche einer vergangenen Zeit – mit Witz und Virtuosität fängt Iaschaghaschwili all das ein, und erzählt doch von Mord und Todschlag. Und alles dreht sich um ein Pferd – und den Schah von Persien… Dabei ist der Autor bescheiden genug, auch noch auf Puschkin und Kipling und Borges zu verweisen.
Autorenporträt
Abo Iaschaghaschwili Schriftsteller, 1977 in Tiflis geboren, studierte in Tiflis, München und Berlin, arbeitet in Georgien auch als Bergführer. Bisher drei Romane, mehrere Kurzgeschichten und Beiträge für literarische Zeitschriften. Für "Royal Mary", seinen zweiten Roman, wurde Iaschaghaschwili 2015 mit dem renommierten georgischen Literaturpreis "Saba" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.2017

Rivalen der Rennbahn
Ein historischer Roman feiert die Stadt Tiflis

Eine Straßenbahn, von Pferden gezogen, in der ein Schwarzfahrer mit einem Taschendieb gemeinsame Sache macht; eine Flüsterkneipe, in der Schaben zu einem Rennen gegeneinander antreten und eine von ihnen unter einem Polizistenabsatz ihr jähes Ende findet; ein Zirkuswagen mit einer Leiche, die keine ist; Badehäuser, Märkte, Vergnügungsparks und schließlich ein Theaterhaus, dessen Besucher das wahre Drama nicht auf der Bühne, sondern unter ihresgleichen im Zuschauerraum erleben: Es geht Schlag auf Schlag in Abo Iaschaghaschwilis Roman "Royal Mary", die Schauplätze innerhalb der georgischen Metropole Tiflis wechseln rasant, und weil auch die Perspektiven wechseln, ist das Buch nichts für flüchtige Leser.

Wer nicht aufpasst, ist verloren, denn auch die erzählte Zeit verläuft hier nicht linear, und schließlich erweist sich der Untertitel "Ein Mord in Tiflis" als noch äußerst zurückhaltende Beschreibung des Geschehens, in dem es von plötzlichen Todesfällen nur so wimmelt und in dem die genüssliche Irritation geradezu als programmatisch erscheint. Dass wir uns im Frühjahr 1889 befinden, als der Schah von Persien das damals russisch beherrschte Tiflis als Station seiner Europa-Reise besucht, wird erst spät explizit gemacht, zuvor aber durch Anspielungen auf Ereignisse wie die Mordserie um Jack the Ripper angedeutet. Und auch die Aktivitäten der Spione aller möglichen Großmächte der Zeit weben einen Hintergrund, vor dem sich das Geschehen des Romans abspielt, ohne dass sich die Ebenen klar voneinander trennen ließen, schließlich sind die verübten Morde wenigstens zum Teil politisch motiviert.

Das klingt nach einem Puzzlespiel, tatsächlich besitzt der Roman diesen Charakter durchaus, allerdings mit dem Unterschied, dass es keine Vorlage für denjenigen gibt, der als Leser die Teile zusammensetzen soll und, wichtiger noch, nicht darauf bauen kann, dass sie auf ein kohärentes Bild abzielen. Das spricht nicht gegen das Buch, das vor zwei Jahren mit dem Saba-Preis, dem wichtigsten seines Landes, ausgezeichnet wurde, und das intellektuelle Vergnügen beim Verfolgen seiner Winkelzüge speist sich auch aus der Freude am Zusammenfügen disparater Schilderungen, die sich gegenseitig beleuchten, eine gültige Auflösung des Geschehens aber nur andeuten: Wer hat denn nun das Rennpferd "Royal Mary" entführt, dessen Verschwinden die Handlung in Gang setzt? Wer ist verantwortlich für den Tod des buckligen Engländers, der die Strippen zu ziehen scheint? Und ist die plötzliche wiederkehrende Kindheitserinnerung der jungen Frau, die eigentlich als Informantin im Harem des Schahs plaziert werden sollte, zufällig der im Theater gespielten Musik geschuldet, oder ist auch dies das Resultat einer komplizierten Intrige?

Was jedenfalls dabei entsteht, ist ein Porträt der Stadt Tiflis im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert, das in liebevollen Beschreibungen von Prachtstraßen und Armensiedlungen, Palästen und Kaschemmen schwelgt, das Geräusche und Gerüche so selbstverständlich mit einbezieht wie die Moden und Marken jener Zeit. Vor allem aber ist "Royal Mary" durchzogen von Anspielungen auf populäre literarische Stoffe des neunzehnten Jahrhunderts, allen voran natürlich die Dupin-Geschichten von Edgar Allan Poe, in denen ein begnadeter Beobachter seine Schlüsse aus völlig unübersichtlichen Szenerien zieht, nur dass hier der Ermittler, ein Franzose namens Albre, für den Leser erkennbar mit großem intellektuellen Aufwand tatsächliche Zufälle in ein System presst, das der Realität nicht standhält. Dass das Leben komplizierter ist als seine literarische Interpretation, ist diesem Roman eingeschrieben, und am Ende kann man mit Albre allerhand vermuten, aber von einer messerscharfen Analyse des Geschehens ist man weit entfernt. Der Franzose jedenfalls tritt ab, nachdem er die Theaterbühne in Sorge um den Schah gestürmt hat und feststellen musste, dass die vermeintlich gegen den persischen Herrscher gerichtete Waffe funktionslos ist - eine Requisite, mit dem Anschein von Echtheit und ohne praktischen Nutzen.

So erweist sich "Royal Mary" nicht nur als ausgezeichnet recherchierter, mit gut plazierten Anachronismen versehener historischer Kriminalroman, sondern auch als geistreiches Spiel mit dem Leser. Am Ende steht das große Scheitern eigentlich aller zuvor mit so großem Aufwand gesponnener Pläne, und im allerletzten Kapitel, das wie das allererste in der Pferdebahn spielt, meint man den Triumph des Alltags über die politischen Intrigen zu spüren. Stärker als alle Ränke ist das produktive und anarchische Vielvölkerchaos dieser Stadt vor der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert. Und dieser Befund bewahrt das kluge und anspielungsreiche Buch davor, jene Sinnlichkeit einzubüßen, die einem Roman gut zu Gesicht steht.

TILMAN SPRECKELSEN

Abo Iaschaghaschwili: "Royal Mary". Roman.

Aus dem Georgischen

von Lia Wittek. Edition.

fotoTAPETA, Berlin 2017. 120 S., br., 14,80 [Euro].

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