Anders als erhofft, aber lesenswert!
"Russische Spezialitäten" von Dmitij Kapitelman - ein hochaktueller Roman, der eine Familie in den Fokus stellt, in der Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Riss geht, als die Familienmitglieder sich auf unterschiedliche Seiten des
Konfliktes stellen. Die Mutter bleibt trotz ihrer Jahre in Kiew dem russischen Staat treu und verfolgt mit…mehrAnders als erhofft, aber lesenswert!
"Russische Spezialitäten" von Dmitij Kapitelman - ein hochaktueller Roman, der eine Familie in den Fokus stellt, in der Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Riss geht, als die Familienmitglieder sich auf unterschiedliche Seiten des Konfliktes stellen. Die Mutter bleibt trotz ihrer Jahre in Kiew dem russischen Staat treu und verfolgt mit voller Überzeugung die russische Staatspropaganda im Fernsehen vom Leipziger Wohnzimmer aus, Anders geht es ihrem Sohn, dem Hauptprotagonisten und Erzähler des Romans, der sich auf die ukrainische Seite stellt.
Im ersten Teil des Romans geht es um das Leben der Familie in Leipzig, im zweiten Teil begleiten wir den Protagonisten nach Kiew, wo er trotz des Krieges hinreist, um die Situation vor Ort zu sehen und mit alten Freunden und Bekannten zu sprechen.
Es ist ein Roman, der trotz seiner nicht einmal 200 Seiten ein Vielzahl von Themen aufgreift. Insbesondere im ersten Teil geht um Themen wie Identität, Zugehörigkeit und Familiendynamiken, die der Autor zwischen Geschichten um den familieneigenen, russischen Lebensmittelladen spinnt. Im zweiten Teil erhalten wir Einblicke in das Leben in Kiew, das zum einen fast normal und gewöhnlich zu laufen scheint, aber sich mit dem Angriff Russlands völlig verändert hat. Interessant fand ich auch die Ausführungen zur Sprache und wie politisch es ist, in der Ukraine russisch bzw. ukrainisch zu sprechen und wie auch die Identität des Protagonisten von der russischen Sprache geprägt ist. Trotz der Ernsthaftigkeit hat der Roman auch eine humorvolle Seite, was dem Buch die Schwere nimmt. Deshalb und weil der Roman trotz des Humors voller tiefgründiger Gedanke und Sätze ist, empfand ich die Lektüre als ausgesprochen bereichernd.
Dennoch hatte ich nach dem Lesen des Klappentextes andere Erwartungen an den Roman. So wurde mir der Konflikt zwischen Sohn und Mutter wurde mir viel zu wenig betrachtet. Es gab eher hier und da Sticheleien bzgl. der politischen Ansichten, aber keinerlei tiefergehenden Auseinandersetzungen und Diskussionen. Ich fand es schade, nicht mehr darüber zu erfahren, was das Denkmuster der Mutter ist und warum sie Russland so die Treue hält, trotz ihrer Jahre in Kiew. Auch die Reise des Protagonisten nach Kiew hatte für mich zu wenig Bezug zur Mutter.
Auch wenn ich andere Erwartungen hatte: Eine lesenswerte Lektüre!