Moussa Tchangaris Buch ist der Versuch, die großen politischen Herausforderungen der aktuellen Sicherheitskrise in der Sahelzone im Detail zu beleuchten. Er geht der Frage nach, warum es den Vereinten Nationen mit dem UN-Aktionsplan nicht gelang, die Krise zu stoppen. Tchangari kritisiert vor allem, dass die EU dezidiert Gelder für das Militär bereitstellt, was die Unsicherheiten im Land verstärkt hat, anstatt in die Landwirtschaft zu investieren. Auch die Prävention von gewalttätigem Extremismus bei Jugendlichen in Kombination mit fehlenden Bildungseinrichtungen ist nach Tchangari essenziell. Wer den Ausbruch des Terrors verstehen und künftig verhindern will, sollte unbedingt dieses Buch lesen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Einiges lernt Judith Raupp von Moussa Tchangaris Buch über die konfliktreiche jüngere politische Geschichte der Sahelzone. Der Autor beschäftigt sich laut Raupp mit den politischen Dynamiken in der Region und auch mit der oft unheilvollen Rolle, die Europa dabei spielt, erfahren wir. Keineswegs geht es in dem Buch um klare Schuldzuweisungen in eine Richtung, so die Rezensentin, vielmehr stellt Tchangari dar, wie repressive lokale Regimes islamistischen Terrorgruppen Anhänger in die Hände treiben, und wie die eigennützige Politik Europas, der USA und Chinas oftmals dazu beiträgt, die Situation zu verschlechtern. Ein Aktionsplan der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2016 etwa wirkte kontraproduktiv, führt Raupp mit Tchangari aus. Nicht jeder These des Autors muss man voll und ganz zustimmen, meint Raupp, aber die grundsätzliche Diagnose eines Ansehensverlusts des Westens in der Region hat Hand und Fuß.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2024Repression
und Frustration
Moussa Tchangari erklärt,
was die Krise der Sahelzone
mit dem Westen zu tun hat.
Der nigrische Menschenrechtsaktivist Moussa Tchangari sieht die Länder der Sahelzone in der „schwerwiegendsten Krise“ seit der Unabhängigkeit in den Sechzigerjahren. Es sei das erste Mal, dass Terroristen sogar in Hauptstädten Anschläge verüben, einheimische Armeen die Kontrolle über Teile des Staatsgebiets verlieren und dass ausländisches Militär zu Hilfe gerufen wird.
Tchangari, Generalsekretär der Organisation Alternative Espaces Citoyens, will mit seinem Buch „Sahel“ zeigen, weshalb diese Krise auch Europa angeht. Allerdings suggeriert der Untertitel „Warum die Krisenregion auch ein europäisches Problem ist“, dass der Autor auf diese Frage eine klare Antwort hätte. Das ist nicht der Fall. Tchangari beschränkt sich auf die Analyse, wie die Konflikte in der Sahelzone entstanden sind und welchen Anteil die Weltpolitik daran hat. Erfrischend dabei ist, dass der Autor aus der Region stammt.
Tchangari benennt die Schwäche des Aktionsplans zur Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus, den die Vereinten Nationen 2016 verabschiedet haben. Regierungen in der Sahelzone haben ihn genutzt, um repressiv gegen die Bevölkerung vorzugehen. Gleichzeitig sind soziale und ökonomische Reformen ausgeblieben, die der Jugend eine Perspektive verschafft hätten.
Die Frustration junger Menschen treibt den dschihadistischen Terrorgruppen Anhänger in die Arme. Sie führt zudem dazu, dass große Teile der Bevölkerung die jüngsten Militärputsche in mehreren Sahel-Ländern begrüßen. Laut Tchangari sind die Menschen enttäuscht von den bisherigen vermeintlich demokratischen Regierungen, die eher an ihr eigenes Wohl als an die Bevölkerung denken.
Der Autor spricht aber auch dem Ausland einen Teil der Verantwortung zu, weshalb die Sahelzone in den 2000er-Jahren in die Krise gerutscht ist. So wolle Europa vor allem Migration verhindern und interessiere sich sonst kaum für die Menschen im Sahel. Außerdem hätten Staaten wie Frankreich oder die USA – zum Teil militärisch – interveniert, um den Zugang zu Ressourcen zu sichern. Tchangari führt als Beispiel das Öl in der Tschadsee-Region an. Dort tragen die USA und Frankreich nach Ansicht des Autors ihren Wirtschaftskrieg gegen China aus.
Über manche Argumente Tchangaris kann man streiten, zum Beispiel darüber, inwieweit die USA in die Teilung des Sudan verwickelt waren. Tatsache ist allerdings, dass westliche Länder ihren Ruf in vielen Regionen Afrikas verspielen, weil sie egoistische Interessen verfolgen. Demokratie und Wohlstand bleiben damit auf der Strecke. Den Preis bezahlt vor allem die lokale Bevölkerung.
JUDITH RAUPP
Moussa Tchangari:
Sahel. Warum die Krisenregion auch ein europäisches Problem ist. Übersetzt von Christoph Birk Schermelleh und Lea Mara Eßer. Westend-Verlag, Frankfurt 2023. 144 Seiten, 16 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
und Frustration
Moussa Tchangari erklärt,
was die Krise der Sahelzone
mit dem Westen zu tun hat.
Der nigrische Menschenrechtsaktivist Moussa Tchangari sieht die Länder der Sahelzone in der „schwerwiegendsten Krise“ seit der Unabhängigkeit in den Sechzigerjahren. Es sei das erste Mal, dass Terroristen sogar in Hauptstädten Anschläge verüben, einheimische Armeen die Kontrolle über Teile des Staatsgebiets verlieren und dass ausländisches Militär zu Hilfe gerufen wird.
Tchangari, Generalsekretär der Organisation Alternative Espaces Citoyens, will mit seinem Buch „Sahel“ zeigen, weshalb diese Krise auch Europa angeht. Allerdings suggeriert der Untertitel „Warum die Krisenregion auch ein europäisches Problem ist“, dass der Autor auf diese Frage eine klare Antwort hätte. Das ist nicht der Fall. Tchangari beschränkt sich auf die Analyse, wie die Konflikte in der Sahelzone entstanden sind und welchen Anteil die Weltpolitik daran hat. Erfrischend dabei ist, dass der Autor aus der Region stammt.
Tchangari benennt die Schwäche des Aktionsplans zur Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus, den die Vereinten Nationen 2016 verabschiedet haben. Regierungen in der Sahelzone haben ihn genutzt, um repressiv gegen die Bevölkerung vorzugehen. Gleichzeitig sind soziale und ökonomische Reformen ausgeblieben, die der Jugend eine Perspektive verschafft hätten.
Die Frustration junger Menschen treibt den dschihadistischen Terrorgruppen Anhänger in die Arme. Sie führt zudem dazu, dass große Teile der Bevölkerung die jüngsten Militärputsche in mehreren Sahel-Ländern begrüßen. Laut Tchangari sind die Menschen enttäuscht von den bisherigen vermeintlich demokratischen Regierungen, die eher an ihr eigenes Wohl als an die Bevölkerung denken.
Der Autor spricht aber auch dem Ausland einen Teil der Verantwortung zu, weshalb die Sahelzone in den 2000er-Jahren in die Krise gerutscht ist. So wolle Europa vor allem Migration verhindern und interessiere sich sonst kaum für die Menschen im Sahel. Außerdem hätten Staaten wie Frankreich oder die USA – zum Teil militärisch – interveniert, um den Zugang zu Ressourcen zu sichern. Tchangari führt als Beispiel das Öl in der Tschadsee-Region an. Dort tragen die USA und Frankreich nach Ansicht des Autors ihren Wirtschaftskrieg gegen China aus.
Über manche Argumente Tchangaris kann man streiten, zum Beispiel darüber, inwieweit die USA in die Teilung des Sudan verwickelt waren. Tatsache ist allerdings, dass westliche Länder ihren Ruf in vielen Regionen Afrikas verspielen, weil sie egoistische Interessen verfolgen. Demokratie und Wohlstand bleiben damit auf der Strecke. Den Preis bezahlt vor allem die lokale Bevölkerung.
JUDITH RAUPP
Moussa Tchangari:
Sahel. Warum die Krisenregion auch ein europäisches Problem ist. Übersetzt von Christoph Birk Schermelleh und Lea Mara Eßer. Westend-Verlag, Frankfurt 2023. 144 Seiten, 16 Euro.
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