Sahra Wagenknecht (*1969) galt bis zu ihrem Rückzug aus der Politik im Jahr 2019 als polarisierende Frontfrau der LINKEN. In TV-Talkshows argumentiert sie stets eloquent und versteckt sich nicht vor Wahrheiten. Mit ihrer ehrlichen Art eckt sie an. Politische Ränkespiele sind nicht ihr Ding, weil es
ihr anders als den meisten Abgeordneten noch um die Sache und nicht um Macht und Geld geht.…mehrSahra Wagenknecht (*1969) galt bis zu ihrem Rückzug aus der Politik im Jahr 2019 als polarisierende Frontfrau der LINKEN. In TV-Talkshows argumentiert sie stets eloquent und versteckt sich nicht vor Wahrheiten. Mit ihrer ehrlichen Art eckt sie an. Politische Ränkespiele sind nicht ihr Ding, weil es ihr anders als den meisten Abgeordneten noch um die Sache und nicht um Macht und Geld geht.
Christian Schneiders Biografie, welche auf Gesprächen mit Sahra Wagenknecht und engen Vertrauten/Weggefährten basiert, versucht das Mysterium um die Linkenpolitikerin zu klären. Der Autor stellt dazu den Menschen und dessen Sozialisation wie Überzeugungen in den Fokus.
So erfährt der Leser u. a. von Wagenknechts ostdeutscher Herkunft und der prägenden Rolle ihrer Großeltern. Ihren iranischen Vater hat sie nie kennengelernt und sich früh in Traumwelten zurückgezogen. Wegen ihres exotischen Aussehens wurde sie in der Schule gehänselt und hatte nicht viele Freunde. Hinzu kam ihre hohe Intelligenz. Mit Einserabi in der Tasche träumte sie in der DDR von einem Philosophiestudium, was ihr aber verwehrt blieb. Ihre kritische Ader war schon damals stark ausgeprägt und so machte sie aus der Not eine Tugend und betrieb in Sachen Klassischer Philosophie eigenständige Studien. Dabei kam Wagenknecht ihre Liebe zu Büchern zugute. Bis heute gehört das Lesen zu ihrem Leben. Erst mit der Wende 1989 politisiert sie sich und tritt in die PDS ein. Nun darf sie auch studieren, erst Philosophie und Literatur dann Wirtschaftswissenschaften. Das nötige theoretische Rüstzeug für eine Politkarriere hat sie nun, aber Anerkennung und Wertschätzung innerhalb der Partei muss sich erst noch hart erarbeiten. Immer wieder sieht sie sich Anfeindungen ausgesetzt, flüchtet kurzzeitig ins EU-Parlament, um dann als neues Gesicht der LINKEN zurückzukommen. Hier lernt sie 2005 auch ihren zweiten Ehemann Oskar Lafontaine kennen. Er steht ihr bei innerparteilichen Grabenkämpfen bei und berät sie bis zum freiwilligen Rückzug von der Parteispitze. So weit, so bekannt.
An Schneiders Buch fand ich vor allen Dingen die Einblicke in Wagenknechts Kindheit und Erwachsenwerden sehr spannend. Denn hier lernt der Leser die Person Sahra Wagenknecht mit ihren Talenten, Ängsten und Überzeugungen besser kennen. Und schnell wird klar, sie ist keine "eiskalte Politikerin", sondern eine blitzgescheite Beobachterin, treue Freundin und ehrliche Haut. Sie verstellt sich nicht, um anderen zu gefallen, sondern macht ihr Ding - was ich im politischen Einerlei sehr sympatisch finde. Auch ihre Leidenschaft für Literatur konnte ich gut nachvollziehen, da ich selbst viel lese.
Als weniger überzeugend, weil zu intellektuell und dadurch mit Details überfrachtet, empfand ich den Teil über ihre staatspolitischen/-philosophischen Überzeugungen bzw. Vorbilder, wie z. B. Marx. Hier wäre weniger mehr gewesen, gerade für Leser ohne entsprechende Vorkenntnisse. Im Ganzen war dieser Part einfach zu theorielastig.
Die Umstände und Ursachen für ihren Rückzug werden angeschnitten und hätten gern noch etwas ausführlicher ausfallen können. Gefallen hat mir hingegen der Ausblick auf ihr Leben jenseits der Politik. Denn mit 50 Jahren , ihren Erfolgen als Buchautorin bzw. Sprachrohr der sozialen Gerechtigkeit ist noch lang noch nicht Schluss. Mich würde es jedenfalls freuen, bald wieder etwas von ihr zu hören.
Über das Titelbild lässt sich vortrefflich streiten, schön fand ich aber, dass Christian Schneider Wagenknecht innerhalb des Buchs genügend Raum gab und auf allzu kritische Töne verzichtete.
FAZIT
Eine Biografie, die Sahra Wagenknecht zwar nicht zu 100 Prozent ergründen kann, aber nahe dran ist. Für eine Person, die nie mit der Politik geliebäugelt hat, hat sie ihren Job doch souverän gemeistert oder?