»Wo wollen Sie denn hin, junge Frau?« Der Fahrer des Lastwagens fuhr langsam neben Sarah her. »Ich kann Sie wenigstens ein Stück mitnehmen, Sie sollten mit Ihrem Baby nicht in diesem Regen herumlaufen – Sie sind ja beide schon ganz naß.« Sarah hatte sich fest vorgenommen, es allein zu schaffen, und ganz sicher war in ihren Planungen nicht vorgesehen, daß sie auf ihrem Weg nach Schloß Sternberg mit ihrem kleinen Sohn trampte. Nicht einmal im Traum hatte sie diese Möglichkeit auch nur erwogen. Jetzt allerdings sah es anders aus: Seit etwa fünf Minuten ging ein wahrer Wolkenbruch auf sie und Andreas nieder. Es stimmte, was der Mann gesagt hatte: Sie waren naß bis auf die Haut. Andreas weinte noch nicht, aber sein Gesichtchen sah unglücklich aus, und sie wußte, daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis er in jämmerliches Geschrei ausbrechen würde. Zögernd sah sie zu dem Mann hinauf. Er sah wild aus mit seinen langen Haaren, dem ungepflegten Bart und dem dicken Bauch, über dem sich ein speckig glänzendes T-Shirt spannte. Aber seine Augen blickten sie freundlich und ein wenig besorgt an, sein Lächeln war beinahe schüchtern. Sie mußte an das denken, was sie zurückgelassen hatte und daran, wie weit der Weg nach Sternberg noch war – beinahe unüberwindlich weit, wenn man kaum noch Geld hatte. Ihre Flucht war nicht gut geplant gewesen, dazu hatte sie keine Zeit mehr gehabt, es hatte alles viel zu schnell gehen müssen. »Nun steigen Sie schon ein! Je länger Sie da draußen bleiben, desto schlimmer wird es!« Sie nickte. »Danke für Ihr Angebot, ich glaube, ich sollte es annehmen.« Er zog die Handbremse an. »Geben Sie mir das Kind, dann können Sie besser einsteigen.« Sarah wunderte sich, wie selbstverständlich sie diesem fremden Mann ihren kleinen Sohn reichte.