Der Debütroman von Lion Christ: Über einen jungen Mann, „der so lange fortläuft, bis er bei sich selbst ankommt – ein berührendes radikal ehrliches Buch.“ Jenny Erpenbeck
München, 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. Im München von Franz Josef Strauß und Freddie Mercury, von erstickendem Biedersinn und wildem Hedonismus, ist jeder eigene Schritt eine kleine Befreiung. Flori rennt vor seinen Eltern davon, vor seiner ersten großen Liebe, vor jedem mit Erwartungen an ihn. Er wirft sich in die Clubs und Klappen, die heimlich zweckentfremdeten Ehebetten und Berührungen in aller Öffentlichkeit. Mit „Sauhund“ setzt Lion Christ Flori und allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal.
München, 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. Im München von Franz Josef Strauß und Freddie Mercury, von erstickendem Biedersinn und wildem Hedonismus, ist jeder eigene Schritt eine kleine Befreiung. Flori rennt vor seinen Eltern davon, vor seiner ersten großen Liebe, vor jedem mit Erwartungen an ihn. Er wirft sich in die Clubs und Klappen, die heimlich zweckentfremdeten Ehebetten und Berührungen in aller Öffentlichkeit. Mit „Sauhund“ setzt Lion Christ Flori und allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in D, A, L ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Lion Christs Buch ist ein Beweis dafür, so Rezensent Alain Claude Sulzer, dass man in der Literatur das, worüber man schreibt, nicht selbst erlebt haben muss. Denn es komme in guten Romanen wie diesem nicht auf die Korrektheit lebensweltlicher Details an, sondern auf emotionale Stimmigkeit. Und die findet Sulzer im Buch des in den späten Neunzigern geborenen Christ, das sich um einen jungen Schwulen namens Flori dreht, der ein den Achtzigerjahren aus der bayrischen Provinz nach München zieht und dort zwar Freiheit, jedoch nur bedingt Glück findet. Es ist die Zeit der AIDS-Epidemie, erläutert der Rezensent, konservative Politiker hetzen gegen Homosexuelle und Flori verliebt sich in einen HIV-Positiven. Besonders toll findet Sulzer den Einsatz des Dialekts, der die Hauptfigur nicht desavouiert, sondern ihr zum Schutzraum wird, und auch, dass die Rückschau nichts Anklagendes und Überreflektiertes an sich hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.09.2023Es
spatzelt
Lion Christ versucht in seinem
Debüt „Sauhund“ eine bairische
Erzählung. Wo bleibt das Gfui?
Da ist dieser Name: Lion Christ. Den kann man nicht mehr ignorieren, sobald man anfängt, seinen Roman „Sauhund“ zu lesen, ein Debüt, erschienen bei Hanser. Darin erzählt der Schriftsteller Lion Christ die Geschichte des jungen Flori. Aufgewachsen auf dem bayerischen Dorf in den frühen Achtzigern, zieht es ihn, schwul, lebenshungrig, in die Großstadt, überzeugt, zu Größerem bestimmt zu sein.
Flori erlebt im damals angesagten München einige Aufs und Abs in Nachtclubs, bis er am Ende zu einer Art Reife in Form einer Liebesbeziehung findet. Das Motiv ist so bewährt wie bekannt: In Irmgard Keuns „Das kunstseidene Mädchen“ von 1932 strebt Doris in Berlin nach Höherem, will ein „Glanz“ werden. Man kennt es aus der bayerischen Literatur, von Lena Christ, deren Dienstbotin „Rumpelhanni“ in der Stadt was werden will. Mindestens Wirtin.
Lion Christ ist ein Pseudonym, bestätigt der Hanser-Verlag. Vielleicht ambitioniert aus Lena Christ und Lion Feuchtwanger zusammengestellt. Mit dieser Wahl macht Christ die Richtung überdeutlich, in die er schreiben, den Ton, den er anschlagen, die Tradition, an die er anknüpfen will: die saftige bairische Erzählung. Bodenständiges Personal, man macht sich „fesch“, schimpft einander „Scheißkerl“.
Am Dorf geht’s dialektal provinziell zu, in der Großstadt dialektal weltgewandt. Das Tragische, das in den Geschichten immer auch drinsteckt, wird durch das Bairische wattiert, nichts wirkt mehr ganz so ernst. Helmut Dietl hat diesen Effekt in „Monaco Franze“ geschmeidig perfektioniert. Dietl ist auch eine der Referenzen in „Sauhund“. Nun waren Dietl, Feuchtwanger, Christ Meister. Was lässig hingeschnoddert aussieht, ist nicht lässig hingeschnoddert, sondern komponierte Kunst. Um es kurz zu machen: Der Autor von „Sauhund“ liefert sein Buch Vergleichen aus, die es nicht bestehen kann.
Selbst wenn man diese Überlegungen konsequent beiseitelässt, hat der Roman Schwächen: Lion Christ verharrt über 360 Seiten in der immer gleichen halbironischen Distanz zur Geschichte und zu den Figuren. Flori bricht heimlich nach München auf, schnorrt sich durch, stolpert durchs Nachtleben, geht ins Old Mrs Henderson, ins Belami, den Klenzehof – gab es alles wirklich, Christ hat akribisch recherchiert, hat auch die Schwulenmagazine München von hinten oder das Adam studiert, aus deren Kontaktbörsen er zitiert. Flori lässt sich auf Männer ein, lässt sich ausnutzen, nutzt aus, kellnert, prostituiert sich, lebt eine Weile bei einem schillernden schwulen Paar. Das alles erzählt Christ mit ständigem ironischem Sicherheitsabstand. Lion Christs Figuren spatzln, was das Zeug hält. Man ahnt, dass so ein Gefühl wie im Rosenmüller-Film „Wer früher stirbt ist länger tot“ entstehen soll: wohlig, heimelig, ein bisschen morbid. Aber Dialekt wirkt ausgeschrieben immer wie Fantasiesprache, das Kernige lässt sich schlecht einfangen. „Du sollst net Resl zu mir sagen, du garstige warme Wurstsemmel“, schimpft Floris Freundin Theresa einmal. Dialektsex klingt so: „Ui, schau, ganz feucht wird der da gleich schon“. Man weiß nie, ob etwas jetzt sexy gemeint ist oder lustig. Böse oder lustig. Tragisch oder lustig. Am Ende ist es stets keins von beidem.
Die behauptete Not, die Flori fühlt und die ihn in regelmäßigen Abständen an die Isar treibt, in die er sich dramatisch zu stürzen überlegt, bleibt rätselhaft. Für seine Homosexualität erfährt er jedenfalls kaum Ablehnung. Auch nicht von den Eltern, bei denen er sich zwei Jahre lang nicht meldet.
Nichts tut in dieser Geschichte weh, nichts geht wirklich nahe. Als traue Christ sich selbst nicht, sich auf seine Figuren einzulassen, und laufe ständig Gefahr, die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Flori ist einfach ein selbstmitleidiger Junge. Selbst als er sich in einen HIV-positiven Jungen verliebt, kommt keine Wärme auf. Das Thema Aids, das in den Achtzigern im Bewusstsein der Menschen als diffus dräuende Gefahr auftauchte, setzt Christ als roten Faden, als dokumentarischen Kommentar.
Im Zivildienst im Altenheim lernt der Protagonist Frau Eichinger kennen, eine mondäne Dame, die die Geliebte von Lion Feuchtwanger gewesen sein will. Sie ist die Einzige, die Floris Hochstapelei durchschaut, lässt ihn das aber nicht spüren: „Pfeifens auf das alles, schauens zu, dass fortkommen und Ihren Weg finden, haben wir uns da verstanden?“ Zwischen den beiden ist wortloses Einvernehmen. Es bleibt die einzig echte Beziehung in dem Roman.
CHRISTIANE LUTZ
Er liefert sich Vergleichen aus,
die er nicht bestehen kann
Als traue sich der Autor nicht,
sich auf seine Figuren einzulassen
Lion Christ: Sauhund. Roman. Hanser,
München 2023.
368 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
spatzelt
Lion Christ versucht in seinem
Debüt „Sauhund“ eine bairische
Erzählung. Wo bleibt das Gfui?
Da ist dieser Name: Lion Christ. Den kann man nicht mehr ignorieren, sobald man anfängt, seinen Roman „Sauhund“ zu lesen, ein Debüt, erschienen bei Hanser. Darin erzählt der Schriftsteller Lion Christ die Geschichte des jungen Flori. Aufgewachsen auf dem bayerischen Dorf in den frühen Achtzigern, zieht es ihn, schwul, lebenshungrig, in die Großstadt, überzeugt, zu Größerem bestimmt zu sein.
Flori erlebt im damals angesagten München einige Aufs und Abs in Nachtclubs, bis er am Ende zu einer Art Reife in Form einer Liebesbeziehung findet. Das Motiv ist so bewährt wie bekannt: In Irmgard Keuns „Das kunstseidene Mädchen“ von 1932 strebt Doris in Berlin nach Höherem, will ein „Glanz“ werden. Man kennt es aus der bayerischen Literatur, von Lena Christ, deren Dienstbotin „Rumpelhanni“ in der Stadt was werden will. Mindestens Wirtin.
Lion Christ ist ein Pseudonym, bestätigt der Hanser-Verlag. Vielleicht ambitioniert aus Lena Christ und Lion Feuchtwanger zusammengestellt. Mit dieser Wahl macht Christ die Richtung überdeutlich, in die er schreiben, den Ton, den er anschlagen, die Tradition, an die er anknüpfen will: die saftige bairische Erzählung. Bodenständiges Personal, man macht sich „fesch“, schimpft einander „Scheißkerl“.
Am Dorf geht’s dialektal provinziell zu, in der Großstadt dialektal weltgewandt. Das Tragische, das in den Geschichten immer auch drinsteckt, wird durch das Bairische wattiert, nichts wirkt mehr ganz so ernst. Helmut Dietl hat diesen Effekt in „Monaco Franze“ geschmeidig perfektioniert. Dietl ist auch eine der Referenzen in „Sauhund“. Nun waren Dietl, Feuchtwanger, Christ Meister. Was lässig hingeschnoddert aussieht, ist nicht lässig hingeschnoddert, sondern komponierte Kunst. Um es kurz zu machen: Der Autor von „Sauhund“ liefert sein Buch Vergleichen aus, die es nicht bestehen kann.
Selbst wenn man diese Überlegungen konsequent beiseitelässt, hat der Roman Schwächen: Lion Christ verharrt über 360 Seiten in der immer gleichen halbironischen Distanz zur Geschichte und zu den Figuren. Flori bricht heimlich nach München auf, schnorrt sich durch, stolpert durchs Nachtleben, geht ins Old Mrs Henderson, ins Belami, den Klenzehof – gab es alles wirklich, Christ hat akribisch recherchiert, hat auch die Schwulenmagazine München von hinten oder das Adam studiert, aus deren Kontaktbörsen er zitiert. Flori lässt sich auf Männer ein, lässt sich ausnutzen, nutzt aus, kellnert, prostituiert sich, lebt eine Weile bei einem schillernden schwulen Paar. Das alles erzählt Christ mit ständigem ironischem Sicherheitsabstand. Lion Christs Figuren spatzln, was das Zeug hält. Man ahnt, dass so ein Gefühl wie im Rosenmüller-Film „Wer früher stirbt ist länger tot“ entstehen soll: wohlig, heimelig, ein bisschen morbid. Aber Dialekt wirkt ausgeschrieben immer wie Fantasiesprache, das Kernige lässt sich schlecht einfangen. „Du sollst net Resl zu mir sagen, du garstige warme Wurstsemmel“, schimpft Floris Freundin Theresa einmal. Dialektsex klingt so: „Ui, schau, ganz feucht wird der da gleich schon“. Man weiß nie, ob etwas jetzt sexy gemeint ist oder lustig. Böse oder lustig. Tragisch oder lustig. Am Ende ist es stets keins von beidem.
Die behauptete Not, die Flori fühlt und die ihn in regelmäßigen Abständen an die Isar treibt, in die er sich dramatisch zu stürzen überlegt, bleibt rätselhaft. Für seine Homosexualität erfährt er jedenfalls kaum Ablehnung. Auch nicht von den Eltern, bei denen er sich zwei Jahre lang nicht meldet.
Nichts tut in dieser Geschichte weh, nichts geht wirklich nahe. Als traue Christ sich selbst nicht, sich auf seine Figuren einzulassen, und laufe ständig Gefahr, die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Flori ist einfach ein selbstmitleidiger Junge. Selbst als er sich in einen HIV-positiven Jungen verliebt, kommt keine Wärme auf. Das Thema Aids, das in den Achtzigern im Bewusstsein der Menschen als diffus dräuende Gefahr auftauchte, setzt Christ als roten Faden, als dokumentarischen Kommentar.
Im Zivildienst im Altenheim lernt der Protagonist Frau Eichinger kennen, eine mondäne Dame, die die Geliebte von Lion Feuchtwanger gewesen sein will. Sie ist die Einzige, die Floris Hochstapelei durchschaut, lässt ihn das aber nicht spüren: „Pfeifens auf das alles, schauens zu, dass fortkommen und Ihren Weg finden, haben wir uns da verstanden?“ Zwischen den beiden ist wortloses Einvernehmen. Es bleibt die einzig echte Beziehung in dem Roman.
CHRISTIANE LUTZ
Er liefert sich Vergleichen aus,
die er nicht bestehen kann
Als traue sich der Autor nicht,
sich auf seine Figuren einzulassen
Lion Christ: Sauhund. Roman. Hanser,
München 2023.
368 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Ein warmer, melancholischer queerer Roman mit Lokalkolorit. Floris atemlose Suche beschreibt Lion Christ in einer wunderschönen, lokal gefärbten bildhaften Sprache, die das heutige München aus seiner Vergangenheit heraus zum Leuchten bringt... Ein eindrucksvoller Debütroman." Alicia Brown, Vogue Germany, 29.12.23
"Lion Christ fängt die Atmosphäre nicht nur der Stadt, sondern auch jener Jahre stimmig ein. Die literarisch noch weitgehend unberührte Exotik der Kombination von Zeit, Ort und Thema - Achtziger Jahre, Bayern, Homosexualität - fasziniert von Anfang an... Christ formuliert in seinem Debütwerk abwechslungsreich und setzt dabei einen gewaltig großen Wortschatz variantenreich ein... Er beobachtet genau und treffend." Stefan May, Ö1 ex libris, 26.11.23
"Faszinierend ist bei der Lektüre von 'Sauhund' immer wieder das Eintauchen in die vor Intensität strotzenden Szenen... Der Roman berührt in seiner Feinsinnigkeit und Lebendigkeit." Katrin Kaiser, Münchener Abendzeitung, 03.11.23
"In seinem Erstlingsroman 'Sauhund' schreibt Lion Christ über die Münchner Homosexuellenszene der frühen 1980er Jahre. Emphatisch genau, als wäre er dabei gewesen... Dem Autor ist das Kunststück gelungen, sich mit Haut und Haaren in die Vergangenheit seines Protagonisten hineinzuschreiben und mit ihm zu verschmelzen." Alain Claude Sulzer, Neue Zürcher Zeitung, 31.10.23
"Ein einzigartiges Debüt ... mit einem Protagonisten, wie man ihn noch nicht wirklich kennt." Michael Luisier, SRF2 Kultur, 05.09.23
"Lion Christ fängt die Atmosphäre nicht nur der Stadt, sondern auch jener Jahre stimmig ein. Die literarisch noch weitgehend unberührte Exotik der Kombination von Zeit, Ort und Thema - Achtziger Jahre, Bayern, Homosexualität - fasziniert von Anfang an... Christ formuliert in seinem Debütwerk abwechslungsreich und setzt dabei einen gewaltig großen Wortschatz variantenreich ein... Er beobachtet genau und treffend." Stefan May, Ö1 ex libris, 26.11.23
"Faszinierend ist bei der Lektüre von 'Sauhund' immer wieder das Eintauchen in die vor Intensität strotzenden Szenen... Der Roman berührt in seiner Feinsinnigkeit und Lebendigkeit." Katrin Kaiser, Münchener Abendzeitung, 03.11.23
"In seinem Erstlingsroman 'Sauhund' schreibt Lion Christ über die Münchner Homosexuellenszene der frühen 1980er Jahre. Emphatisch genau, als wäre er dabei gewesen... Dem Autor ist das Kunststück gelungen, sich mit Haut und Haaren in die Vergangenheit seines Protagonisten hineinzuschreiben und mit ihm zu verschmelzen." Alain Claude Sulzer, Neue Zürcher Zeitung, 31.10.23
"Ein einzigartiges Debüt ... mit einem Protagonisten, wie man ihn noch nicht wirklich kennt." Michael Luisier, SRF2 Kultur, 05.09.23