Ein fiktiver Krimi mit extrem vielen Fakten - die dunkle Nazi-Zeit am schönen See!
Fiktiv und zugleich den Tatsachen entsprechend? Eigentlich ein Widerspruch in sich selbst.
Was die Krimis von Matthias Moor so lesenswert macht?
Zum einen lässt er sich für den Krimi als solchen ein
spannendes und in diesem Fall fiktives Ereignis einfallen. Konkret: im Wald an einem der Hegau-Berge werden…mehrEin fiktiver Krimi mit extrem vielen Fakten - die dunkle Nazi-Zeit am schönen See!
Fiktiv und zugleich den Tatsachen entsprechend? Eigentlich ein Widerspruch in sich selbst.
Was die Krimis von Matthias Moor so lesenswert macht?
Zum einen lässt er sich für den Krimi als solchen ein spannendes und in diesem Fall fiktives Ereignis einfallen. Konkret: im Wald an einem der Hegau-Berge werden die Überreste eines menschlichen Skeletts gefunden. Mit diesem Fund kann die Polizei nichts anfangen. Bis sich eine ältere Dame bei dem Privatdetektiv meldet und behauptet beziehungsweise überzeugt davon ist, dass es sich bei diesen Funden um die Überreste ihres Vaters handelt. Der, jüdischer Lehrer, während der Nazi-Diktatur von Berlin aus im Gebiet des Bodensees über die dortige, reichlich zerklüftete Grenze in die Schweiz fliehen wollte.
Ein dazu gehörendes Ehe-'Drama', Schilderungen der Zustände in Berlin während der Nazi-Herrschaft, die Gefahren während der Flucht von Berlin an den See - das Alles webt Matthias Moor sehr geschickt, spannend und absolut lesenswert in seinen neuen Krimi ein.
Was mich persönlich an den 'Moors' so fasziniert (und diese 'Mühe' mache ich mir gerne): egal, was der Autor schildert, sei es der Blick vom Bodanrück Richtung Überlingen, seien es die verwinkelten, zerklüfteten Grenzverläufe zwischen der Schweiz und Deutschland, die dortigen Städte und Dörfer, die Ruinen auf den Hegau-Bergen oder (und vor allem) die Personen, seinerzeitige regionale Nazi-'Größen' - es stimmt, es entspricht den Tatsachen. Walter Schick war nun mal unter anderem der Leiter der Gestapo-Leitstelle in Karlsruhe, in Bad Tölz gab es eine SS-Junkerschule und die Mundprats waren die Nachkommen Konstanzer Patrizier. Zu dem damals publizierten Nazi-Hetzblatt findet man im Internet den Verweis auf "Bodensee-Rundschau. Nationalsozialistisches Kampfblatt für das Deutsche Bodensee-Gebiet"...
Der Schreibstil von Matthias Moor ist unterhaltsam, stellenweise wo es passt humorvoll und stets informativ, auch bei vermeintlichen Nebensächlichkeiten.
Zitat Seite 99:
"Leo schaffte es immer, Kondome zu besorgen: Fromms Act, produziert in Berlin, ursprünglich von Julius Fromm, einem Juden. Die Nazis hatten Fromm gezwungen, sein Werk deutlich unter Wert zu verkaufen, und die neue Besitzerin war Heinrich Görings Patentante. Die verdiente sich mit den jüdischen Kondomen eine goldene Nase: Fromms wurden millionenfach an die Frontbordelle geschickt..."
Wer einfach mal im Internet nach dem Namen 'Julius Fromm' sucht, findet folgende Information: "1938 wurde Julius Fromm aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit von den Nazis gezwungen, sein Werk für 300.000 Reichsmark weit unter Wert „zu verkaufen“. Die Käuferin war Reichsmarschall Hermann Görings Patentante Elisabeth Edle von Epenstein-Mauternburg."
Genau diese äusserst gelungene Mischung aus Fiktion und nachprüfbaren Fakten machen die Faszination der Moor'schen (nicht morschen!) Krimis aus. Egal, welchen man in die Hand nimmt, am liebsten würde man das Buch erst dann wieder aus der Hand legen, wenn die letzte Seite gelesen ist!