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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Alien-Blockbuster, aber kindgerecht: Dem Sog des humorvollen Gruselromans „Crater Lake“ können sich auch skeptische junge Leser kaum entziehen
Beginnen wir mit einem Missverständnis. Im Klappentext wirbt der Carlsen-Verlag für „Crater Lake“, den jüngst auf Deutsch erschienenen Jugendroman der Britin Jennifer Killick, mit einem Zitat aus dem englischsprachigen Buchmagazin The Bookseller: „Schwungvoller Grusel vom Feinsten“, steht da. „Dazu jede Menge Humor.“
Feststellung, nachdem man den Roman zusammen mit seinem 13-jährigen Sohn gelesen hat: Humor ja, Grusel nein. Der Plot klingt zwar auf den ersten Blick ziemlich unheimlich – Aliens, die Menschen in Wespen verwandeln, wollen die Weltherrschaft an sich reißen, eine Schulklasse scheint ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Doch die Art und Weise, wie Jennifer Killick ihre Geschichte geschrieben hat, nämlich aus der Perspektive der Hauptfigur Lance, dessen Humor an den einer amerikanischen Sitcom erinnert, lässt auch in den spannendsten Passagen kein schlimmes Gruselgefühl aufkommen.
Viel eher hat man es hier mit einer Coming-of-Age-Komödie zu tun, einer Art Superhelden-Blockbuster mit klarer Gut-Böse-Aufteilung. Bereits im ersten Kapitel wissen wir, wer in dieser Geschichte die Fieslinge sind, nämlich Lance’ Lehrerin Miss Hoche und sein Mitschüler Trent. Der Held ist natürlich Lance selbst, der sich im Lauf des Romans vom „Klassenidioten“ (Selbstbezeichnung) zum Retter der Menschheit entwickelt. Seine besten Freunde Chets, Katja, Big Mak und Adrianne stehen ihm bei diesem Abenteuer zur Seite. Jede und jeder hat dabei besondere Fähigkeiten, ohne die alle anderen verloren wären.
Ein Bus bringt Lance, seine Freunde und den Rest der Klasse am Anfang der Geschichte ins „Camp Crater Lake“, eine Jugendherberge an einem geheimnisvollen See, der einst durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist. Bereits auf der Hinfahrt wird klar, dass dieser Schulausflug keinen harmlosen Verlauf nehmen wird. Der Bus legt plötzlich eine Vollbremsung hin, danach klatscht eine blutige Hand von außen gegen die Fensterscheibe. „Zombies“? „Orcs“? „Body-Snatcher-Aliens“? Nach dem ersten Schrecken witzeln sich die Jugendlichen über die Situation hinweg. Der Verletzte bleibt mit dem Busfahrer zurück am Straßenrand, die Klasse will Hilfe holen. Sie nähert sich zu Fuß „den bedrohlichen Toren des Crater-Lake-Zentrums, die sich tiefschwarz vor dem klaren blauen Himmel abzeichnen“.
Auch innerhalb des Geländes, das ein Stacheldraht von der Außenwelt abtrennt und in dem es weder Funknetz noch Wlan gibt, gehen eigenartige Dinge vor sich. Der einzige sichtbare Mitarbeiter serviert der Klasse blutrote Tomatensuppe, dann treibt er sie in einen Aufenthaltsraum, wo sich die Jugendlichen eine Doku über Wespen anschauen. Kein gutes Omen, wie sich später herausstellen wird. Denn bereits in der Nacht werden sich Hoche und die meisten Mitschüler in wespenartige Wesen verwandeln, die einen menschheitsvernichtenden Plan verfolgen. Der See im Meteoritenkrater spielt dabei eine wichtige Rolle, genauso wie der Schlaf, denn schnell wird klar: Wer einschläft, ist verloren. In dieser Ausnahmesituation gelten alte Hierarchien nicht mehr, und Lance wird zum Anführer: „Ab jetzt für die Sicherheit meiner Freunde zuständig zu sein ist ganz schön heftig, und ich weiß nicht, warum ich so sicher bin, dass ich das Richtige tue. Ich fühle das einfach.“
Bald beginnt eine Verfolgungsjagd durch die Wälder rund um den See. Dank Lance schafft es die Gruppe stets, ihre Feinde zu überlisten. Kommentar des 13-jährigen Lesers: „Das ist unrealistisch. Die Chance steht ein Prozent, dass sie überleben, und 99 Prozent, dass sie sterben – aber sie überleben immer.“
Okay, Realismus sollte man in einem Roman, in dem Aliens um die Weltherrschaft ringen, vielleicht nicht erwarten. Glaubwürdigkeit hingegen schon. Und so unwahrscheinlich es ist, dass diese Jugendlichen die Menschheit retten: Der Roman ist in sich stimmig. Und: Superhelden haben nun mal superheldenhafte Ideen.
Dass das Spaß machen kann, muss auch letztlich der 13-Jährige zugeben. Zwar sei der Humor, wie er sagt, etwas „gewöhnungsbedürftig“. Das letzte Drittel des Romans verschlingt er dann aber doch: „Ich wollte unbedingt wissen, wie das ausgeht.“ In diesen Sog der Geschichte sind in Großbritannien, wo der Roman 2020 in dem kleinen walisischen Verlag Firefly Press erschienen ist, offensichtlich viele geraten. Bis 2022 wurden dort 75 000 Exemplare verkauft.
Fazit: Wer amerikanische Gut-Böse-Blockbuster mag, kindgerecht erzählt, weil der gruselige Alien-Plot durch eine humorvolle Erzählweise ausgeglichen wird, macht mit „Crater Lake“ nichts falsch. Und falls es jemanden nach der Sommerferienlektüre nach dem zweiten Band dürstet: Er kommt im September.
HEIKE NIEDER
Jennifer Killick: Crater Lake. Schlaf niemals ein. Aus dem Englischen von Gabriele Haefs. Carlsen, Hamburg 2023.
240 Seiten, 15 Euro.
Ab 10 Jahren.
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