Mit diesem Buch legt der Herausgeber wichtige Analysen zur Theologie Schleiermachers vor, mit der die liberale Theologie ihren eigentlichen Grundstock erhielt. Pro und Contra kommen zur Geltung – unterm Strich stärker das Contra, ausgearbeitet von Sven Grosse selbst, sodann von Harald Seubert und
Daniel von Wachter. Provokativ fragt Grosse: „Gehört Schleiermacher in den Kanon christlicher…mehrMit diesem Buch legt der Herausgeber wichtige Analysen zur Theologie Schleiermachers vor, mit der die liberale Theologie ihren eigentlichen Grundstock erhielt. Pro und Contra kommen zur Geltung – unterm Strich stärker das Contra, ausgearbeitet von Sven Grosse selbst, sodann von Harald Seubert und Daniel von Wachter. Provokativ fragt Grosse: „Gehört Schleiermacher in den Kanon christlicher Theologen?“ Er antwortet mit einem entschiedenen und begründeten Nein. Denn das, was christlich ist, muss sich „aus der Bibel begründen lassen“ und mit den grundlegenden Dogmen der Alten Kirche gemäß der Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen kompatibel sein (S. 85). Namentlich im Abschnitt über die Frage der Christologie zeigt Grosse, dass Schleiermacher den Ausdruck „Menschwerdung Gottes“ im Sinn der kirchlichen Grundbekenntnisse verfehlt. Christus weise der „Glaubenslehre“ zufolge das Maximum eines Gottesbewusstseins auf, das doch auch in jedem Menschen, wenngleich unzureichend, lebendig sei. So sei er im Grunde selbst nur Mensch. Namentlich das Kreuz Christi, aber auch seine Auferstehung und Himmelfahrt würden entsprechend umgedeutet. Gegenüber der Tradition sei „alles in seinem Wesen verändert worden“ (106) – und zwar aus dem Motiv heraus, „die Grenzlinie der Theologie so weit zurückzuziehen, dass es keine Überschneidungen mit anderen Wissenschaften“ gebe (109). Grosses Abhandlung mündet in den Satz: „Bei dem, was Schleiermacher sich aber unter christlicher Kirche vorstellte, ist Kirche nicht mehr vorhanden, genauso wenig, wie der wahre Erlöser darin vorhanden ist“ (118). Auch Seubert beleuchtet aus kenntnisreicher theologischer und religionsphilosophischer Perspektive Schleiermachers Defizite in der Überzeugung, dass sie der Unterminimierung christlicher Glaubenswahrheiten zugrundeliegen. Dem reformatorischen Anliegen werde man „nur gerecht, wenn man es aus dem Schleiermacherschen Bann herauslöst“ (158). Es lohnt sich, alle sechs Aufsätze des Bandes vergleichend zu lesen.