Gibt es eine Schweizer Literatur? In der deutschen Literaturgeschichtsschreibung werden häufig die bekannten Schweizer Autoren wie etwa Gottfried Keller, Hermann Hesse, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt oder Peter Bichsel einfach mit vereinnahmt. Die weniger bekannten SchriftstellerInnen bleiben
dagegen meist unerwähnt, was dem Herauspicken von Rosinen gleichkommt.
Natürlich sind die deutsche…mehrGibt es eine Schweizer Literatur? In der deutschen Literaturgeschichtsschreibung werden häufig die bekannten Schweizer Autoren wie etwa Gottfried Keller, Hermann Hesse, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt oder Peter Bichsel einfach mit vereinnahmt. Die weniger bekannten SchriftstellerInnen bleiben dagegen meist unerwähnt, was dem Herauspicken von Rosinen gleichkommt.
Natürlich sind die deutsche und die Schweizer Literatur eng miteinander verquickt und vernetzt und doch hat sich in dem Alpenland eine eigenständige Literatur entwickelt. Eine letzte umfassende Darstellung der deutschsprachigen Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts wurde von einem DDR-Autorenkollektiv erarbeitet und erschien 1991 nach der Wende. Daher war eine Schweizer Literaturgeschichte, die sich nicht nur auf das 20. Jahrhundert beschränkt, längst fällig.
Dieser komplexen Aufgabe haben sich die beiden Herausgeber Peter Rusterholz und Andreas Solbach, unterstützt von einem Autorenteam aus dreizehn renommierten LiteraturwissenschaftlerInnen, angenommen. Nun liegt im Metzler Verlag eine Literaturgeschichte vor, die die Schweizer Literatur aus den Kulturräumen der deutschen, sowie in knapper Form der französischen, der italienischen und der rätoromanischen Schweiz vorstellt.
In elf ausführlichen Kapiteln stellen die AutorInnen die multikulturelle Vielfalt der Schweizer Literatur dar, wobei sich der Bogen von den Anfängen (Kloster St. Gallen) bis zum Ende des 20. Jahrhunderts spannt. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei natürlich die Nachkriegsliteratur, als die Schweizer Literatur mit Frisch und Dürrenmatt Weltgeltung erlangte.
Auf die Schweizer Frauenliteratur wird ebenfalls in einem gesonderten Kapitel „Der Auf-bruch der Frauen (1970-2000)“ eingegangen. Literarisch ästhetisch war der Aufbruch von Schriftstellerinnen vor allem in den 70er Jahren beeindruckend, indem sie neue stilistische und inhaltliche Möglichkeiten erkundeten, sodass sich eine eigene weibliche Schriftspur verfolgen lässt. Einige Kapitel sind außerdem durch Autorenporträts oder Exkurse ergänzt - u.a. über den Schweizer Film.
Obwohl die einzelnen Autoren/innen in ihren Beiträgen unterschiedliche Schwerpunkte setzten, ist doch eine überwiegend einheitliche Darstellung und Homogenität gelungen. Dabei geht das Buch jedoch über eine herkömmliche Literaturgeschichte hinaus und betrachtet immer wieder die historischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Schweiz.
Gemeinsam mit den detailreichen Textbeiträgen geben 195 Schwarz-Weiß-Abbildungen einen kulturgeschichtlich aussagekräftigen und lebendigen Überblick zur Schweizer Literatur. Eine umfassende Bibliografie (unterteilt in die einzelnen Kapitel) sowie ein Personenregister erhöhen die Benutzbarkeit des Bandes und machen es zu einem großartigen Nachschlagewerk.
Manfred Orlick