Der neue Roman von Hengameh Yaghoobifarah.
Freitagabend, ein Hochhaus, 15. Stock. Avas Date mit Robin läuft perfekt. Bis es klingelt und zwei unerwartete Gäste vor der Tür stehen: Delia hat das Handy in Avas Schlafzimmer liegen lassen und will es abholen kommen. Silvia möchte Ava zur Rede stellen, denn seit einer Weile wird sie geghostet. In Avas Flur begegnen sich die drei Liebhaber_innen nun zum ersten Mal. Überfordert flüchtet Ava auf das Dach des Hochhauses, die anderen laufen ihr hinterher. In der Eile bringt niemand den Schlüssel oder ein Handy mit. So wird aus einem Date zu zweit eine gemeinsame Mission zu viert. Das Ziel: runterkommen vom Dach. Doch der Weg dorthin birgt Konflikte und Enthüllungen. Robin, Delia und Silvia kämpfen auf ganz eigene Weise um Avas Nähe und Aufmerksamkeit... In »Schwindel« erzählt Hengameh Yaghoobifarah so fluide, echt und witzig über queeres Begehren, wie niemand sonst es vermag. Eine kompromisslos heutige Liebesgeschichte von radikaler Lebendigkeit und ein irres Lesevergnügen.
»Hengameh Yaghoobifarah ist eine schriftstellerische Begabung.« DIE ZEIT.
»Niemand kann so aufregend, klug und wahnsinnig witzig über »Queers« schreiben wie Hengameh Yaghoobifarah. Man inhaliert diesen Roman förmlich, lernt dabei so etwas wie eine neue Sprache und lacht sich halb tot. Jede seiner Seiten ist so deliciously prall mit Leben.« DANIEL SCHREIBER.
Freitagabend, ein Hochhaus, 15. Stock. Avas Date mit Robin läuft perfekt. Bis es klingelt und zwei unerwartete Gäste vor der Tür stehen: Delia hat das Handy in Avas Schlafzimmer liegen lassen und will es abholen kommen. Silvia möchte Ava zur Rede stellen, denn seit einer Weile wird sie geghostet. In Avas Flur begegnen sich die drei Liebhaber_innen nun zum ersten Mal. Überfordert flüchtet Ava auf das Dach des Hochhauses, die anderen laufen ihr hinterher. In der Eile bringt niemand den Schlüssel oder ein Handy mit. So wird aus einem Date zu zweit eine gemeinsame Mission zu viert. Das Ziel: runterkommen vom Dach. Doch der Weg dorthin birgt Konflikte und Enthüllungen. Robin, Delia und Silvia kämpfen auf ganz eigene Weise um Avas Nähe und Aufmerksamkeit... In »Schwindel« erzählt Hengameh Yaghoobifarah so fluide, echt und witzig über queeres Begehren, wie niemand sonst es vermag. Eine kompromisslos heutige Liebesgeschichte von radikaler Lebendigkeit und ein irres Lesevergnügen.
»Hengameh Yaghoobifarah ist eine schriftstellerische Begabung.« DIE ZEIT.
»Niemand kann so aufregend, klug und wahnsinnig witzig über »Queers« schreiben wie Hengameh Yaghoobifarah. Man inhaliert diesen Roman förmlich, lernt dabei so etwas wie eine neue Sprache und lacht sich halb tot. Jede seiner Seiten ist so deliciously prall mit Leben.« DANIEL SCHREIBER.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mutig, gelungen und besonders. Hengameh Yaghoobifarahs überaus gelungener Roman hat Rezensent Stefan Michalzik auch deshalb so gut gefallen, weil er sich jeder Einordnung verweigert. Über die Themen Sehnsucht, das Bedürfnis nach Nähe und den begehrten Körper, der zur Obsession wird, entsteht eine universelle Zeichenlehre aller liebenden Seelen, unabhängig von ihrer Orientierung. Gleichzeitig liegt der Fokus auf dem queeren Milieu, das ebenfalls in Frage gestellt wird. Für Robin etwa bedeutete lesbisch zu sein, den gesellschaftlichen Normierungen von Liebe zu entkommen, doch auch in der queeren Community müsse man sich an Konventionen und Erwartungen anpassen, erfährt Michalzik durch Avas Konfrontation mit ihrer lesbischen Mitbewohnerin, den eigentlichen Plot des Romans. So erzähle Yaghoobifarah fernab eines politisch manifesten Tons, was den Roman in seiner literarischen Unterhaltsamkeit und Kraft aufblühen ließe. Humorvoll spiele Yaghoobifarah mit gesellschaftlichen Klischees und dekonstruiere sie, weshalb Michalzik diesen kammerspielartigen Dialog nur empfehlen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Nicht bloß soapy Entertainment, sondern auch ein gekonntes Gegenwartsporträt« taz. Die Tageszeitung 20241016
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2024Achtung, Abgrund!
Wie lieben Menschen mit fluider Genderidentität, die alles, was sie erleben, zuerst im Internet gesehen haben?
Hengameh Yaghoobifarah erzählt es. Spoiler: nicht ohne Machtspielchen.
VON AURELIE VON BLAZEKOVIC
Eine Tür fällt zu. Man dreht sich um, tastet hektisch die Hosentaschen ab, aber weiß es längst: Ausgesperrt, ohne Schlüssel. Neben dem stecken gebliebenen Aufzug und dem Stau im Tunnel wohl eine der nervigsten Situationen, in denen man sich im Leben so wiederfindet. Normalerweise kommt man unbeschadet wieder raus, und doch fühlt es sich schwer bedrohlich an, wenn es kein Zurück und kein Entkommen gibt, und das womöglich noch zusammen mit anderen Menschen. Ein gutes Setting also für eine Geschichte.
In „Schwindel“, dem zweiten Roman von Hengameh Yaghoobifarah, finden sich vier Menschen gemeinsam auf einem Hochhausflachdach wieder. Sie hängen auch sonst intensiv aneinander, romantisch. Als queeres Polykül, das sich um Ava gebildet hat. Vorrangig in ihre Richtung fließen alle Liebe und Sehnsüchte in diesem Beziehungsgeflecht, bezeichnenderweise hat Avas Therapeutin es mal als Harem bezeichnet. Da ist also ein Machtgefälle, trotz des Consent-Denkens, des Hinterfragens der Strukturen im Allgemeinen und der therapieerfahrenen Bedürfniskommunikation, die hier gepflegt wird.
Zu Beginn der Geschichte vergnügt sich Ava gerade mit Robin, die, außerhalb einer ihrerseits offenen Langzeitbeziehung mit einem Mann, eine Affäre mit Ava hat. Ein Umstand, der Robin nicht fest verfügbar macht – und umso interessanter für Ava. Dann klingelt Delia an der Wohnungstür, eine heftig kiffende Transperson, Pronomen: dey. Delia ist verträumt und verliebt in Ava und hat ein Handy bei ihr vergessen. Möglich, dass das nur ein Vorwand ist, weil Delia das nicht falsche Gefühl hat, dass Ava das Interesse verloren hat. Das wäre so schon ein komplexes Liebesleben, aber als nächstes betritt Silvia die Wohnung, deutlich älter als die anderen, und auch sie eine enttäuschte Loverin von Ava.
„Bei einem Harem würde ich wenigstens für sie aufkommen. Vom Kommen allein kann niemand seine Miete zahlen“, denkt Ava in einer für Yaghoobifarah typisch trockenen Pointe. Ein anderes Problem, wieder Harem-typisch: Ava hat ihre Lover nicht durchweg gut behandelt, emotional. Gaslighting, Ghosting, all das. Nun stehen alle drei vor ihr, und reagieren sensibel auf die Präsenz der anderen. Wut, Enttäuschung und Tränen, vor denen Ava flüchten will, treiben sie auf das Hochhausdach. Die anderen hinterher. Und dann fällt die Tür zu. So zusammengesperrt, kann sich das Beziehungs- und Identitätsgeflecht in Ruhe entwirren. Mit Fallhöhe, wir befinden uns auf einem Dach, und es wird bald dunkel. Und eine Idee, wie man sich von dort oben befreit, hat niemand.
Yaghoobifarah hält in dem Roman eine Sprache von Menschen fest, die im echten Leben Dinge erleben, die sie zuerst im Internet gesehen haben. Früher auf Tumblr, heute auf Reddit oder Tiktok, wo sich Begriffe wie „passenger princess“ etablieren. In der queeren Community, die sich längst weniger in Gay-Bars als im Internet formiert, ist diese gemeinsame Sprache und die Kategorien, die sie bereithält, noch wichtiger. „delia dachte lange über sich selbst, ein service top zu sein oder ein_e stone butch“, heißt es. Yaghoobifarahs Figuren, ihre Perspektiven, nehmen in der Geschichte annähernd gleich verteilt Raum ein, sprechen very online. Was mit der „hippie-stoner-zu-420dyke-pipeline“ gemeint sein kann, ist Menschen, die nicht im Internet aufgewachsen sind, nahezu unmöglich vermittelbar.
Welche Gemeinsamkeiten haben nach Erfindung des sozialen Internets und der Genderdiskurse der vergangenen Jahre eine Lesbe aus der Boomergeneration wie Silvia und eine 30-jährige Lesbe überhaupt noch? Ist eine Beziehung einer viel älteren Frau mit einer jüngeren nicht problematisch? Oder wäre man da schon bei Ageism? Kann eine cis Frau, die mit einem trans Mann zusammenlebt, noch Lesbe sein? Fragen, die in Deutschland wahrscheinlich niemand sonst mit der Leichtigkeit von Hengameh Yaghoobifarah behandeln und in die Fiktion tragen könnte. Doch mehr als um die Identität der Figuren geht es in dieser Geschichte um ihr Begehren. Ein Verlangen, von dem sie nicht wussten, „dass es außerhalb von Groschenromanen wirklich existierte“. Das alles in einer von Körperflüssigkeiten getränkten, nicht-männlichen Explizitheit, wie man sie in diesem Jahr zum Beispiel auch in Miranda Julys fantastischem Roman „Auf allen Vieren“ lesen konnte.
„Schwindel“ ist erzählerisch und sprachlich einfacher, aber amüsant ist es schon, wie die eigentlichen Machtverhältnisse auf diesem Hochhausdach zum Ausdruck kommen. Delia hängt an Ava, die immer zwei Meter weiter rückt, wenn Delia sich nähert. Silvia ist reicher an Jahren und Erfahrungen als Ava, doch deswegen nicht überlegen. Sie ist es, die von Ava geghostet wurde. Und Robin, für die Lesbischsein „das Ticket nach draußen“ ist, „raus aus dem Gefängnis des Frauseins, in dem ihre Mutter, ihre Tanten, ihre Großmutter, ihre Schwester, ja, im Prinzip alle hetero Frauen, festsaßen“ – sie hat nun einen festen Freund. Ava ist, für alle sichtbar, verliebt in sie. Und sie erwartet, dass die anderen drei sich an das Skript halten, das offenbar sie geschrieben hat. Das wird sich rächen.
Gender und Sexualität und Abhängigkeiten und Drogen sowieso, alles fließt durcheinander. Gegen den Schwindel, der dabei entsteht, hilft das ausgiebige Kiffen nur bedingt. Yaghoobifarahs Figuren verschwinden manchmal seitenweise in Fantasien oder leicht psychotischen Zuständen, auch die Buchstaben auf den Seiten drehen sich dann mit.
„Schwindel“ behandelt die Erfahrung, die in Zeiten offener und alternativer Beziehungsmodelle viele Menschen machen: Vor den Risiken der Liebe – Zurückweisung, Verlassen- und Betrogenwerden, das Auflösen der eigenen Identität – schützen auch polyamore Konstrukte nicht wirklich. Wie toxisch ist das hier beschriebene Beziehungsmodell im Vergleich zur Hetero-Normcore-Beziehung, in der sie an den Nudelsalat für die Grillbeilage denkt und er von der Man Cave träumt? Schwer dysfunktional ist Yaghoobifarahs Polykül ganz sicher hierin: im Umgang mit dem Problem einer zugefallenen Tür.
„Zum Schreiben brauche ich einen wachen Kopf und Ruhe. Tagsüber trinke ich viel Kaffee,
ab Nachmittag Tee. Wenn ich den Umgebungslärm ausschalten kann, kann ich
auch unterwegs arbeiten. Dabei helfen mir Noise Canceling Kopfhörer und Musik ohne Vocals,
ob Techno oder Ambient, ist stimmungsabhängig.“
Hengameh Yaghoobifarah spricht am Buchmessen-Freitag um 13 Uhr
am SZ-Stand über ihren Roman „Schwindel“.
Hengameh Yaghoobifarah: Schwindel.
Roman.
Blumenbar, Berlin 2024. 240 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Wie lieben Menschen mit fluider Genderidentität, die alles, was sie erleben, zuerst im Internet gesehen haben?
Hengameh Yaghoobifarah erzählt es. Spoiler: nicht ohne Machtspielchen.
VON AURELIE VON BLAZEKOVIC
Eine Tür fällt zu. Man dreht sich um, tastet hektisch die Hosentaschen ab, aber weiß es längst: Ausgesperrt, ohne Schlüssel. Neben dem stecken gebliebenen Aufzug und dem Stau im Tunnel wohl eine der nervigsten Situationen, in denen man sich im Leben so wiederfindet. Normalerweise kommt man unbeschadet wieder raus, und doch fühlt es sich schwer bedrohlich an, wenn es kein Zurück und kein Entkommen gibt, und das womöglich noch zusammen mit anderen Menschen. Ein gutes Setting also für eine Geschichte.
In „Schwindel“, dem zweiten Roman von Hengameh Yaghoobifarah, finden sich vier Menschen gemeinsam auf einem Hochhausflachdach wieder. Sie hängen auch sonst intensiv aneinander, romantisch. Als queeres Polykül, das sich um Ava gebildet hat. Vorrangig in ihre Richtung fließen alle Liebe und Sehnsüchte in diesem Beziehungsgeflecht, bezeichnenderweise hat Avas Therapeutin es mal als Harem bezeichnet. Da ist also ein Machtgefälle, trotz des Consent-Denkens, des Hinterfragens der Strukturen im Allgemeinen und der therapieerfahrenen Bedürfniskommunikation, die hier gepflegt wird.
Zu Beginn der Geschichte vergnügt sich Ava gerade mit Robin, die, außerhalb einer ihrerseits offenen Langzeitbeziehung mit einem Mann, eine Affäre mit Ava hat. Ein Umstand, der Robin nicht fest verfügbar macht – und umso interessanter für Ava. Dann klingelt Delia an der Wohnungstür, eine heftig kiffende Transperson, Pronomen: dey. Delia ist verträumt und verliebt in Ava und hat ein Handy bei ihr vergessen. Möglich, dass das nur ein Vorwand ist, weil Delia das nicht falsche Gefühl hat, dass Ava das Interesse verloren hat. Das wäre so schon ein komplexes Liebesleben, aber als nächstes betritt Silvia die Wohnung, deutlich älter als die anderen, und auch sie eine enttäuschte Loverin von Ava.
„Bei einem Harem würde ich wenigstens für sie aufkommen. Vom Kommen allein kann niemand seine Miete zahlen“, denkt Ava in einer für Yaghoobifarah typisch trockenen Pointe. Ein anderes Problem, wieder Harem-typisch: Ava hat ihre Lover nicht durchweg gut behandelt, emotional. Gaslighting, Ghosting, all das. Nun stehen alle drei vor ihr, und reagieren sensibel auf die Präsenz der anderen. Wut, Enttäuschung und Tränen, vor denen Ava flüchten will, treiben sie auf das Hochhausdach. Die anderen hinterher. Und dann fällt die Tür zu. So zusammengesperrt, kann sich das Beziehungs- und Identitätsgeflecht in Ruhe entwirren. Mit Fallhöhe, wir befinden uns auf einem Dach, und es wird bald dunkel. Und eine Idee, wie man sich von dort oben befreit, hat niemand.
Yaghoobifarah hält in dem Roman eine Sprache von Menschen fest, die im echten Leben Dinge erleben, die sie zuerst im Internet gesehen haben. Früher auf Tumblr, heute auf Reddit oder Tiktok, wo sich Begriffe wie „passenger princess“ etablieren. In der queeren Community, die sich längst weniger in Gay-Bars als im Internet formiert, ist diese gemeinsame Sprache und die Kategorien, die sie bereithält, noch wichtiger. „delia dachte lange über sich selbst, ein service top zu sein oder ein_e stone butch“, heißt es. Yaghoobifarahs Figuren, ihre Perspektiven, nehmen in der Geschichte annähernd gleich verteilt Raum ein, sprechen very online. Was mit der „hippie-stoner-zu-420dyke-pipeline“ gemeint sein kann, ist Menschen, die nicht im Internet aufgewachsen sind, nahezu unmöglich vermittelbar.
Welche Gemeinsamkeiten haben nach Erfindung des sozialen Internets und der Genderdiskurse der vergangenen Jahre eine Lesbe aus der Boomergeneration wie Silvia und eine 30-jährige Lesbe überhaupt noch? Ist eine Beziehung einer viel älteren Frau mit einer jüngeren nicht problematisch? Oder wäre man da schon bei Ageism? Kann eine cis Frau, die mit einem trans Mann zusammenlebt, noch Lesbe sein? Fragen, die in Deutschland wahrscheinlich niemand sonst mit der Leichtigkeit von Hengameh Yaghoobifarah behandeln und in die Fiktion tragen könnte. Doch mehr als um die Identität der Figuren geht es in dieser Geschichte um ihr Begehren. Ein Verlangen, von dem sie nicht wussten, „dass es außerhalb von Groschenromanen wirklich existierte“. Das alles in einer von Körperflüssigkeiten getränkten, nicht-männlichen Explizitheit, wie man sie in diesem Jahr zum Beispiel auch in Miranda Julys fantastischem Roman „Auf allen Vieren“ lesen konnte.
„Schwindel“ ist erzählerisch und sprachlich einfacher, aber amüsant ist es schon, wie die eigentlichen Machtverhältnisse auf diesem Hochhausdach zum Ausdruck kommen. Delia hängt an Ava, die immer zwei Meter weiter rückt, wenn Delia sich nähert. Silvia ist reicher an Jahren und Erfahrungen als Ava, doch deswegen nicht überlegen. Sie ist es, die von Ava geghostet wurde. Und Robin, für die Lesbischsein „das Ticket nach draußen“ ist, „raus aus dem Gefängnis des Frauseins, in dem ihre Mutter, ihre Tanten, ihre Großmutter, ihre Schwester, ja, im Prinzip alle hetero Frauen, festsaßen“ – sie hat nun einen festen Freund. Ava ist, für alle sichtbar, verliebt in sie. Und sie erwartet, dass die anderen drei sich an das Skript halten, das offenbar sie geschrieben hat. Das wird sich rächen.
Gender und Sexualität und Abhängigkeiten und Drogen sowieso, alles fließt durcheinander. Gegen den Schwindel, der dabei entsteht, hilft das ausgiebige Kiffen nur bedingt. Yaghoobifarahs Figuren verschwinden manchmal seitenweise in Fantasien oder leicht psychotischen Zuständen, auch die Buchstaben auf den Seiten drehen sich dann mit.
„Schwindel“ behandelt die Erfahrung, die in Zeiten offener und alternativer Beziehungsmodelle viele Menschen machen: Vor den Risiken der Liebe – Zurückweisung, Verlassen- und Betrogenwerden, das Auflösen der eigenen Identität – schützen auch polyamore Konstrukte nicht wirklich. Wie toxisch ist das hier beschriebene Beziehungsmodell im Vergleich zur Hetero-Normcore-Beziehung, in der sie an den Nudelsalat für die Grillbeilage denkt und er von der Man Cave träumt? Schwer dysfunktional ist Yaghoobifarahs Polykül ganz sicher hierin: im Umgang mit dem Problem einer zugefallenen Tür.
„Zum Schreiben brauche ich einen wachen Kopf und Ruhe. Tagsüber trinke ich viel Kaffee,
ab Nachmittag Tee. Wenn ich den Umgebungslärm ausschalten kann, kann ich
auch unterwegs arbeiten. Dabei helfen mir Noise Canceling Kopfhörer und Musik ohne Vocals,
ob Techno oder Ambient, ist stimmungsabhängig.“
Hengameh Yaghoobifarah spricht am Buchmessen-Freitag um 13 Uhr
am SZ-Stand über ihren Roman „Schwindel“.
Hengameh Yaghoobifarah: Schwindel.
Roman.
Blumenbar, Berlin 2024. 240 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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