»So etwas wie >Sechzehn Pferde> haben Sie noch nicht gelesen. Ein zutiefst beunruhigender Ritt.« Val McDermid Sechzehn Pferdeköpfe werden auf einer Farm des sterbenden englischen Küstenorts Ilmarsh entdeckt. Kreisförmig eingegraben in den Ackerboden, nur ein einziges Auge blickt in die rote Wintersonne. Die Veterinärforensikerin Dr. Cooper Allen wird zum Tatort gerufen. Früher wollten sie Tierleben retten, heute diagnostiziert sie ihren Tod. Dann entspinnt sich eine unvorhergesehene Kette weiterer Verbrechen. Durch die Kadaver in der Erde verbreitet sich eine Infektion, die Gemeinde wird unter Quarantäne gestellt. Die Außenseiterin soll mit dem örtlichen Polizisten Alec Nichols die schockierenden Fälle aufdecken. Doch was, wenn das Böse nicht nur im Boden lauert, sondern in den Menschen selbst? Etwas Böses, das Allen selbst immer tiefer in einen Strudel aus Schuld und Vergeltung hinabzieht? »Buchanan balanciert eindrucksvoll zwischen Horror und Empathie, zeigt das echte Böse und erforscht die menschlichen Kosten des wirtschaftlichen Zusammenbruchs.« Sara Sligar
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Rezensentin Sylvia Staude annonciert mit Greg Buchanans Debütroman einen Krimi von hoher literarischer Qualität. In der fiktiven, verfallenen Küstenortschaft Ilmarsh ermittelt Detective Sergeant Alec Nichols zunächst widerwillig nach dem Auffinden von sechzehn abgetrennten Pferdeköpfen auf einem Feld, resümiert Staude. Was unaufgeregt und oft nur angedeutet erzählt wird, sorgt der Rezensentin zufolge nicht nur für eine dunkle, bedrohliche Romanatmosphäre, sondern lässt sie ebenfalls daran zweifeln, ob sie die Auflösung des Krimis erfahren möchte - schließlich kann eine Erzählung, die mit grausam getöteten Tieren beginnt nicht gut enden, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Puh, 16 abgeschnittene Pferdeköpfe findet die sechzehnjährige Rebecca auf der Farm ihres Vaters an der Ostküste Englands. Am Ende gibt es auch noch drei menschliche Leichen, schreibt Rezensent Tobias Gohlis, der in seiner Kurzkritik warnt: dieser Roman ist voller Gewalt und somit nichts für schwache Nerven. Die Mischung aus Traum, Dokument und Fantasie mit ihren erzählerischen Sprüngen hat Gohlis erst verwirrt, bevor er liest, dass der schottische Autor Greg Buchanan früher Computerspiele entwickelt hat. Für den Rezensenten funktioniert diese Erzählweise auch als Buch ganz großartig.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2022High mit Bärlauch
Krimis in Kürze: Greg Buchanan und Gudrun Lerchbaum
Wenn beim Lesen eines Kriminalromans die Frage aufkommt, ob das denn überhaupt ein Kriminalroman sei, muss das kein Indiz für einen Mangel sein. Im Gegenteil: Meist ist es ein Zeichen dafür, dass eine Erzählung die ausgetretenen Wege verlässt und sich auf neuem Terrain bewegt. Kein anderes Genre erscheint durch die Masse der Bücher und Fernsehdrehbücher so gnadenlos durchformatiert. Nahezu jede und jeder, der oder die zu schreiben beginnt, glaubt, die Befolgung einer Handvoll Verfahrensregeln werde ihn oder sie schon zum Ziel führen wie ein Navi in einer fremden Stadt.
Weil ein Roman nun aber kein Schrank ist, den man nach Anleitung zusammenbaut, und auch kein Gericht, für das es ein todsicheres Kochrezept gibt, ist die Anwendung bestimmter Regeln keine Erfolgsgarantie. Greg Buchanan zum Beispiel, ein zweiunddreißigjähriger Brite, hat zwar Erfahrung als Drehbuchautor für Videospiele gesammelt, aber vermutlich weiß er gerade deshalb sehr genau, warum ein Roman einprägsame, bildgewaltige Settings braucht, die man nicht vergisst, aber keine Levels, die man sich erspielen muss, um am Schluss mit einer Auflösung belohnt zu werden.
"Sechzehn Pferde" (S. Fischer, 448 S., geb., 22,- Euro) ist ein erstaunliches Debüt. Es ist sehr düster, es hat Züge einer "gothic novel" und unstrittige literarische Qualitäten. Wovon es erzählt und wie es das tut, das ist immer mehr als nur ein Fall und dessen Aufklärung. Sechzehn Pferde, das sind, streng genommen, sechzehn abgetrennte Pferdeköpfe: in einem Kreis angeordnet und so eingegraben, dass ein totes Auge in die Sonne schaut. Dass in den Kadavern das Anthraxbazillus enthalten ist und nach der forensischen Untersuchung verbreitet wird, verleiht dem Buch in pandemischen Zeiten eine zusätzliche Dimension.
Die Geschichte spielt in einem fiktiven ostenglischen Küstenort mit dem sprechenden Namen Ilmarsh. Eine sieche Kleinstadt, der Pier mit Spielhallen und Karussells ist verrottet, die Touristen bleiben weg, die Industrie ist längst fort, es fehlt daher nicht an Leuten, deren Leben auch langsam abstirbt und die zu vielem fähig sind. Der Polizist Alex Nichols ist einer von ihnen, er ist Witwer, alleinerziehend und voller Schuldgefühle. Cooper, die Veterinärforensikerin aus London, die hinzugezogen wird, ist so labil, dass auch sie in dieser Welt schnell an ihre Grenzen gerät.
Buchanan zeigt das Geschehen zumeist aus ihrer Perspektive, ohne dass sie deshalb den Überblick hätte. Er beginnt mit ihr in einer Therapiesituation, und er lässt das Buch auch mit dieser Therapiesitzung enden. Das ist eine kluge Rahmung, die genug Raum lässt für andere Blicke, sodass der Erzähler am Ende eher wie jemand wirkt, der verschiedene Fundstücke von der Camcorderaufzeichnung bis zum Chatprotokoll einfach nur arrangiert hat.
Auch bei Gudrun Lerchbaum geht es eher um vorsichtige Zeitdiagnostik und die Momentaufnahme einer Gesellschaft als um einen Fall und dessen Lösung. "Das giftige Glück" (Haymon, 272 S., geb., 19,90 Euro) hat einen schönen Titel und eigentlich keinen stringenten Plot. Auf Bärlauchpflanzen im Raum Wien hat sich ein Pilz gebildet. Wer ihn kostet, der ist unglaublich high - und dann sofort tot. "Viennese Weed" nennt ein Blogger, ein Oldenburger Doktorand, der über Pilze und Sporen forscht, die Einmaldroge in seinem Blog.
Er greift selbst ein ins Geschehen, ist aber keine Hauptfigur. Die heißt Kiki, ist aus Lerchbaums Buch "Wo Rauch ist" bekannt und betreut Olga, ehemalige Hausbesetzerin mit Multipler Sklerose. Und da ist Jassa, eine Dreizehnjährige, deren Mutter abgehauen ist und die bei ihrem Vater lebt. Eher zufällig beschert das Mädchen einer bekannten Moderatorin mit Bärlauch Glück und Tod.
Gudrun Lerchbaum hat einen österreichischen Eigenheiten angemessenen Humor, er ist böse, aber nie bösartig, er verrät seine Figuren nicht. Man hat jederzeit den Eindruck, dass Lerchbaum sehr genau weiß, was sie da tut. Sie schreibt, als läge die Pandemie schon hinter uns und würde von dieser neuen, durch Pilzsporen verbreiteten Seuche abgelöst, die Tod und Glücksversprechen koinzidieren lässt. Ist das nun ein Kriminalroman? Falsche Frage. Besser: Ist es ein gutes Buch? Da fällt die Antwort leicht. PETER KÖRTE
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Krimis in Kürze: Greg Buchanan und Gudrun Lerchbaum
Wenn beim Lesen eines Kriminalromans die Frage aufkommt, ob das denn überhaupt ein Kriminalroman sei, muss das kein Indiz für einen Mangel sein. Im Gegenteil: Meist ist es ein Zeichen dafür, dass eine Erzählung die ausgetretenen Wege verlässt und sich auf neuem Terrain bewegt. Kein anderes Genre erscheint durch die Masse der Bücher und Fernsehdrehbücher so gnadenlos durchformatiert. Nahezu jede und jeder, der oder die zu schreiben beginnt, glaubt, die Befolgung einer Handvoll Verfahrensregeln werde ihn oder sie schon zum Ziel führen wie ein Navi in einer fremden Stadt.
Weil ein Roman nun aber kein Schrank ist, den man nach Anleitung zusammenbaut, und auch kein Gericht, für das es ein todsicheres Kochrezept gibt, ist die Anwendung bestimmter Regeln keine Erfolgsgarantie. Greg Buchanan zum Beispiel, ein zweiunddreißigjähriger Brite, hat zwar Erfahrung als Drehbuchautor für Videospiele gesammelt, aber vermutlich weiß er gerade deshalb sehr genau, warum ein Roman einprägsame, bildgewaltige Settings braucht, die man nicht vergisst, aber keine Levels, die man sich erspielen muss, um am Schluss mit einer Auflösung belohnt zu werden.
"Sechzehn Pferde" (S. Fischer, 448 S., geb., 22,- Euro) ist ein erstaunliches Debüt. Es ist sehr düster, es hat Züge einer "gothic novel" und unstrittige literarische Qualitäten. Wovon es erzählt und wie es das tut, das ist immer mehr als nur ein Fall und dessen Aufklärung. Sechzehn Pferde, das sind, streng genommen, sechzehn abgetrennte Pferdeköpfe: in einem Kreis angeordnet und so eingegraben, dass ein totes Auge in die Sonne schaut. Dass in den Kadavern das Anthraxbazillus enthalten ist und nach der forensischen Untersuchung verbreitet wird, verleiht dem Buch in pandemischen Zeiten eine zusätzliche Dimension.
Die Geschichte spielt in einem fiktiven ostenglischen Küstenort mit dem sprechenden Namen Ilmarsh. Eine sieche Kleinstadt, der Pier mit Spielhallen und Karussells ist verrottet, die Touristen bleiben weg, die Industrie ist längst fort, es fehlt daher nicht an Leuten, deren Leben auch langsam abstirbt und die zu vielem fähig sind. Der Polizist Alex Nichols ist einer von ihnen, er ist Witwer, alleinerziehend und voller Schuldgefühle. Cooper, die Veterinärforensikerin aus London, die hinzugezogen wird, ist so labil, dass auch sie in dieser Welt schnell an ihre Grenzen gerät.
Buchanan zeigt das Geschehen zumeist aus ihrer Perspektive, ohne dass sie deshalb den Überblick hätte. Er beginnt mit ihr in einer Therapiesituation, und er lässt das Buch auch mit dieser Therapiesitzung enden. Das ist eine kluge Rahmung, die genug Raum lässt für andere Blicke, sodass der Erzähler am Ende eher wie jemand wirkt, der verschiedene Fundstücke von der Camcorderaufzeichnung bis zum Chatprotokoll einfach nur arrangiert hat.
Auch bei Gudrun Lerchbaum geht es eher um vorsichtige Zeitdiagnostik und die Momentaufnahme einer Gesellschaft als um einen Fall und dessen Lösung. "Das giftige Glück" (Haymon, 272 S., geb., 19,90 Euro) hat einen schönen Titel und eigentlich keinen stringenten Plot. Auf Bärlauchpflanzen im Raum Wien hat sich ein Pilz gebildet. Wer ihn kostet, der ist unglaublich high - und dann sofort tot. "Viennese Weed" nennt ein Blogger, ein Oldenburger Doktorand, der über Pilze und Sporen forscht, die Einmaldroge in seinem Blog.
Er greift selbst ein ins Geschehen, ist aber keine Hauptfigur. Die heißt Kiki, ist aus Lerchbaums Buch "Wo Rauch ist" bekannt und betreut Olga, ehemalige Hausbesetzerin mit Multipler Sklerose. Und da ist Jassa, eine Dreizehnjährige, deren Mutter abgehauen ist und die bei ihrem Vater lebt. Eher zufällig beschert das Mädchen einer bekannten Moderatorin mit Bärlauch Glück und Tod.
Gudrun Lerchbaum hat einen österreichischen Eigenheiten angemessenen Humor, er ist böse, aber nie bösartig, er verrät seine Figuren nicht. Man hat jederzeit den Eindruck, dass Lerchbaum sehr genau weiß, was sie da tut. Sie schreibt, als läge die Pandemie schon hinter uns und würde von dieser neuen, durch Pilzsporen verbreiteten Seuche abgelöst, die Tod und Glücksversprechen koinzidieren lässt. Ist das nun ein Kriminalroman? Falsche Frage. Besser: Ist es ein gutes Buch? Da fällt die Antwort leicht. PETER KÖRTE
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Greg Buchanan [...] legt mit seinem Debüt 'Sechzehn Pferde' einen atemberaubenden Roman vor. Erik Lim Hohenloher Tagblatt 20220716