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Ein rätselhaftes Familienschicksal Kathrin Schmidt zeigt in ihrem spannungsreichen Roman, wie mächtig die Vergangenheit wirken und auf welche Abwege sie führen kann. Bert Willer möchte seinen Sohn David überraschen: Er hat eine Reise nach Teneriffa gebucht und hofft, dort dem verschlossenen Jungen wieder näher zu kommen. Beide sind aufeinander angewiesen, seit Willers Frau Lou unangekündigt aus dem Leben schied, leiden aber jeder für sich allein. Kurz vor dem Abflug stößt David auf Aktenmaterial, das unmittelbar mit seinem Vater zu tun hat. Zwar versteht er längst nicht alles, doch genug, um…mehr

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Produktbeschreibung
Ein rätselhaftes Familienschicksal Kathrin Schmidt zeigt in ihrem spannungsreichen Roman, wie mächtig die Vergangenheit wirken und auf welche Abwege sie führen kann. Bert Willer möchte seinen Sohn David überraschen: Er hat eine Reise nach Teneriffa gebucht und hofft, dort dem verschlossenen Jungen wieder näher zu kommen. Beide sind aufeinander angewiesen, seit Willers Frau Lou unangekündigt aus dem Leben schied, leiden aber jeder für sich allein. Kurz vor dem Abflug stößt David auf Aktenmaterial, das unmittelbar mit seinem Vater zu tun hat. Zwar versteht er längst nicht alles, doch genug, um seinen Vater als einen früheren Mitarbeiter der Staatssicherheit zu erkennen und zu erahnen, in welcher Mission dieser damals unterwegs war. Die Akten verzeichnen nämlich mehrere Frauen, in deren Leben sich Bert Willer hineinbegeben hat, um mit ihnen intim zu werden und an intime Kenntnisse zu gelangen. David scheut die Konfrontation und ahnt nicht, dass sein Vater selbst von der Erinnerung an seine Einsätze und besonders an eine Frau heimgesucht wird: Bejla war über Jahre seine Nebenfrau, und ihr Leben ist auf beunruhigende Weise mit dem seinen verknüpft. Kathrin Schmidt erzählt ein rätselhaftes Familienschicksal und macht mit ihrem sinnlichen Realismus erfahrbar, wohin ein Vertrauensbruch führen kann.

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Autorenporträt
Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt für ihre literarischen Arbeiten zahlreiche Preise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis 1993. Ihr 1998 erschienener Roman »Die Gunnar-Lennefsen-Expedition« wurde mit dem Förderpreis des Heimito-von-Doderer-Preises und dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1998 ausgezeichnet. Für ihren Roman »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Preis der SWR-Bestenliste und den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Gedichtband »waschplatz der kühlen dinge« (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2006

Rosen für den Stasi-Spitzel
Kathrin Schmidt analysiert Lug und Trug im DDR-Alltag

Am Ende brechen alle Beziehungen explosionsartig auseinander. Ein verschwiegener Vertrauensbruch war am Anfang. Dazwischen liegen Jahre der Lüge, der Täuschung, der gezielten Manipulation. Kathrin Schmidt hat sich mit ihrem Roman "Seebachs schwarze Katzen" viel vorgenommen und tief in die DDR-Vergangenheit begeben. Das Leben des Spitzels Bert Willer, der sich vor der Wende rechtzeitig vom Ministerium für Staatssicherheit absetzte und unenttarnt in Berlin ein neues Leben als Anzeigenakquisiteur aufbaute, wird von der "alten Fettvettel-Zeit" eingeholt - eine Formulierung, die gleich Schlimmes ahnen läßt.

Kathrin Schmidt begibt sich an die Bruchstellen der Geschichte und zeigt die Abgründe, die davon aufgerissen wurden. Ihr Held war ein Lügner im Dienste des Systems. Jahrelang wurde er auf Frauen angesetzt, deren Geheimnisse er ausspionierte, indem er sie beschlief. Daneben war er mit Lou Kummer verheiratet, einer patenten, lebensfreudigen Frau, die nichts ahnte. Zwar kamen ihm schon am Tage der Hochzeit Zweifel, ob er das Richtige tue. Am Vortag hatte er den Ausweis verloren und mußte sich in der Meldestelle der Volkspolizei Ersatz beschaffen. Als er am Hochzeitstag den ersten Flieder vom Nachbarzaun brach, lief es ihm plötzlich heiß und kalt über den Rücken, so sehr meinte er darin ein schlechtes Vorzeichen zu sehen.

"Seebachs schwarze Katzen" setzt ein mit dem Ausbruch der Krise. Die Wiederkehr des Verdrängten ist nicht aufzuhalten und hat traumatische Folgen. Der feste Boden, auf dem sich die Protagonisten bewegten, rutscht weg. Die Vergangenheit überrollt alles. Kein Stein bleibt im Leben dieser Verlorenen und Betrogenen auf dem anderen. Bert Willers Frau Lou bringt sich um, als sie vom Geheimnis ihres Mannes erfährt. Der Schock über die Entdeckung des Verrats hat ihre Welt zerbrochen.

So jedenfalls legt die Schriftstellerin vorläufig die Fäden ihres verwickelten Romankonstrukts vor dem Leser aus. Und jetzt entfremdet sich auch Bert Willers Sohn David von seinem Vater. Zwar will dieser das Verhältnis im letzten Augenblick noch kitten, indem er eine Reise nach Teneriffa bucht, um ihm wieder näherzukommen. Aber die Dinge entwickeln sich nicht wie erwartet. Erneut dreht sich der Familienkosmos um die eigene Achse. Der introvertierte David nämlich entdeckt vor der Abreise Spuren des verheimlichten Vaterlebens. Er findet Aktenmaterial, das diesen eindeutig als Spitzel denunziert. Mehr noch: Er erfährt, daß der Vater jahrelang mit einer Nebenfrau liiert war. Einen Tag nach der Hochzeit hatte ihm nämlich der Führungsoffizier einen Strauß Rosen entgegengehalten. Er solle mit Bejla ein Verhältnis eingehen, um sie zu bearbeiten und Aufschluß über ihre geheimen Gedanken zu bekommen, die natürlich "feindlich-negativ" seien.

So fing das perfekte Doppelleben des Bert Willer an, der sich über die weiche, warmherzige, kluge Bejla auch noch mokierte, die wild nach ihm wurde und gleichzeitig von naiver Vertrauensseligkeit war. Als sie Jahre später vom Betrug erfährt, hungert sie sich aus Schmach und Schande zu Tode. Von diesem Ereignis bezieht Kathrin Schmidts Roman seinen Titel: "Eingegangen wie Seebachs schwarze Katzen" sei Bejla, so erzählt Lou ihrem Ehemann vor ihrem eigenen (fingierten) Selbstmord. Wie begreiflich es auch sein mag, daß die Schriftstellerin Kathrin Schmidt die Verirrungen der DDR und die verhängnisvollen Auswirkungen all der Verwerfungen und Lügen formal analog abbilden will - hier tut sie des Guten zuviel. Denn noch einmal verknüpft sie die Fäden in kriminalistischer Manier. Lou nämlich, so begreift der Leser erst allmählich, ist gar nicht gestorben. Sie hat von der Existenz der Nebenfrau erfahren und sich kurz vor deren Tod komplizenhaft mit ihr verbündet. Ihr Suizid ist nur vorgetäuscht. In Wahrheit verläßt sie ihren Mann und zieht mit Bejlas Mann Harald nach deren Tod nach Süddeutschland, um dort ein ruhiges Leben an seiner Seite zu führen. Bis auch sie durch ein zufälliges Ereignis mit der vertuschten Vergangenheit konfrontiert wird und zusammenbricht.

Die 1958 in Gotha geborene Schriftstellerin Kathrin Schmidt, die in Berlin lebt, hat als Lyrikerin begonnen und ist für ihre Prosaarbeiten mehrfach ausgezeichnet worden, zuletzt 1998 mit dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. "Seebachs schwarze Katzen" ist ein artistischer Versuch, die Geschichte der DDR aus der Perspektive des Durchschnittsbürgers zu beleuchten und die desaströsen Verwüstungen in der Biographie des einzelnen zu reflektieren. Atemlos ist dieser Roman geschrieben, wie unter großem Druck und in äußerster Verdichtung, die stellenweise in extreme Detailfreudigkeit ausufert. Das hat den Nachteil, daß man sich in manchen allzu künstlich konstruierten Winkeln des Romans verliert. Das hat aber auch den Vorteil, daß man die bestürzende Verkrümmung der Menschen durch ihr politisches System hautnah mitbekommt.

PIA REINACHER

Kathrin Schmidt: "Seebachs schwarze Katzen". Roman. Kiepenheuer&Witsch Verlag, Köln 2005. 285 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Bei Kathrin Schmidt, die auch als Lyrikerin über eine singuläre Stimme verfügt, ist zu allererst die Artistik, die Raffinesse der sprachlichen Volten der eigentliche Plot." Frankfurter Rundschau

"Zeitgeschichte und wilde Fabulierlust, Detailtreue und Phantasiebrausen schließen sich bei Kathrin Schmidt nicht aus." Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Wie lustvoll die deutsche Sprache sein kann, und wie abgründig diese Lust ist: Diese Erfahrung rührt an etwas, was man immer schon verborgen ahnte. Jetzt ist es auf die Welt gekommen." Die Zeit

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Rezensentin Kristina Maidt-Zinke kann dem neuen Roman der ostdeutschen Lyrikerin und Erzählerin Kathrin Schmidt wenig abgewinnen. Einerseits erfülle er, wie die vorhergehenden beiden Romane, die Lesererwartungen, was den bekannten schnodderigen wie zugleich märchenhaften Ton des magischen Realismus betreffe. In der Kombination aus "Familiendrama, Enthüllungskrimi oder politisch ambitionierter Aufarbeitungsliteratur" leide aber die gesamte Konstruktion an einem Zuviel, gekleidet in eben diesen Ton aus "Saft-und-Kraft-Prosa". Im Wesentlichen gehe es um den Witwer Bert Willer, der in seinem früheren Leben ein auf Damen spezialisierter Stasi-Spitzel gewesen ist und nun, als alleinerziehender Vater, auf der Urlaubsinsel Teneriffa mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Wie die Rezensentin bedauert, gelingt es der Autorin nicht Täter und Opfer gegeneinander in Position zu bringen, das Ganze bleibt eine eigentümliche Mischung aus verkappter Geschichtsanalyse in einem Milieu "nervenaufreibender Mittelmäßigkeit". "Kunst oder Krampf" fragt sich die Rezensentin und hält dem immerhin Roman zugute, dass man ihn schnell vergisst.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Atemlos ist dieser Roman geschrieben [...]..Das hat [...] den Vorteil, dass man die bestürzende Verkrümmung der Menschen durch ihr politisches System hautnah mitbekommt.« FAZ