Die kleine Stadt Mill River in Vermont war schon immer das Zuhause der über 80-jährigen Mary McAllister. Als Tochter eines Pferdezüchters hat sie es weit gebracht, denn nun lebt sie auf einem Hügel in einer Marmorvilla mit Blick auf die Stadt. Seit mehr als 60 Jahren, seit dem Unfalltot ihres
Ehemannes, lebt Mary durch eine Sozialphobie abgeschottet und isoliert von der Außenwelt, denn seit sie…mehrDie kleine Stadt Mill River in Vermont war schon immer das Zuhause der über 80-jährigen Mary McAllister. Als Tochter eines Pferdezüchters hat sie es weit gebracht, denn nun lebt sie auf einem Hügel in einer Marmorvilla mit Blick auf die Stadt. Seit mehr als 60 Jahren, seit dem Unfalltot ihres Ehemannes, lebt Mary durch eine Sozialphobie abgeschottet und isoliert von der Außenwelt, denn seit sie als junges Mädchen misshandelt und vergewaltigt wurde und auch noch in einer Ehe voller Gewalt gefangen war, traut sie niemandem mehr. Einzig in Father Michael O‘Brien sieht sie einen Vertrauten und Freund, der sie bei ihren heimlichen Wohltaten für ihre Mitmenschen unterstützt. Nun ist Mary vom Bauchspeicheldrüsenkrebs gezeichnet und setzt mit Tabletten ihrem Leben ein Ende. Father Michael kommt die Aufgabe zu, Marys Vermächtnis öffentlich zu machen…
Darcy Chan hat mit ihrem Buch „Sehnsucht nach Mill River“ einen sehr einfühlsamen und fesselnden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, der Leser wird schnell in die Geschichte hineinkatapultiert und darf regen Anteil an Marys Leben nehmen, wobei er sie sehr gut kennenlernt. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, die berichtet von der Gegenwart, die andere lässt den Leser durch die Gedanken von Father Michael auf eine junge Mary treffen und darf sich in ihrer Vergangenheit in den 40er Jahren umsehen. Durch den regen Perspektivwechsel bekommt der Leser schnell ein gutes Bild über die zwischenmenschlichen Verhältnisse innerhalb der Kleinstadt sowie die Schicksalsschläge, die Mary erdulden musste. Sehr gekonnt führt die Autorin die beiden Ebenen am Ende zusammen und lässt die Zusammenhänge und das Handeln der Protagonistin noch deutlicher zu Tage treten. Ebenso gefühlvoll werden die Kleinstadtbewohner mit ihren eigenen Geschichten thematisiert, um aufzuzeigen, wie Mary mit ihrem unsichtbaren Handeln in ihre Leben eingreift. Das Geheimnis von Mary verwahrt sich die Autorin bis zum Schluss, so bleibt die Handlung unterschwellig spannend.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich angelegt und lassen dem Leser die Wahl, seine Sympathien gerecht zu verteilen. Mary ist eine Frau, die in ihrem Leben einiges ertragen musste. Schon als junge Frau vergewaltigt, verliebt sie sich ausgerechnet in einen brutalen und arroganten Schnösel, der sie heiratet und zu einer gut situierten Frau macht. Doch das Leben mit ihm ist ein Märtyrium, Schläge und Demütigungen an der Tagesordnung, was Mary so sehr traumatisiert, dass sie am Ende nicht mehr in der Lage ist, zu Menschen in ihrem Umfeld Kontakt zu wahren. Sie isoliert sich völlig von der Außenwelt, lebt einsam und allein in ihrem Haus und beobachtet die Menschen der Stadt. Father Michael ist über Jahre ihre einzige Bezugsperson. Dabei hat Mary ein großes Herz, ist hilfsbereit und selbstlos. Patrick ist ein brutaler Mann, der immer bekommt, was er will. Aber er weiß nichts zu schätzen, sondern ist schnell gelangweilt. Father Michael ist ein sympathischer Mann mit einer Marotte für Silberlöffel, die er überall mitgehen lässt. Aber auch Protagonisten wie die Lehrerin Claudia, Daisy Delaine oder Kyle Hansen geben der Handlung immer wieder ein neues Gesicht.
„Sehnsucht nach Mill River“ ist ein wunderschöner und unterhaltsamer Schmöker, der die verschiedensten Themen anpackt. Hier hat die Liebe ebenso Platz wie Schicksalsschläge, Einsamkeit, oder auch Geheimnisse. Erzählerisch schön und einfühlsam verpackt in eine sehr kurzweilige Lektüre. Verdiente Leseempfehlung!