Geschrieben im Erschrecken nach dem großen Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern für die Frankfurter Rundschau und für dieses Büchlein erweitert, versucht der nach eigenen Angaben eher politisch links einzuordnende Journalist und Publizist Stephan Hebel, der für zahlreiche linke und
linksliberale Printmedien schreibt, einen gedachten AfD –Wähler anzusprechen und ihn mit vielen Argumenten,…mehrGeschrieben im Erschrecken nach dem großen Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern für die Frankfurter Rundschau und für dieses Büchlein erweitert, versucht der nach eigenen Angaben eher politisch links einzuordnende Journalist und Publizist Stephan Hebel, der für zahlreiche linke und linksliberale Printmedien schreibt, einen gedachten AfD –Wähler anzusprechen und ihn mit vielen Argumenten, die sich hauptsächlich im Bereich von Zahlen und Statistiken bewegen, zu überzeugen, dass nicht die aktuelle Argumentation der AfD. Sondern vor allem ihr Wahlprogramm sich gegen seine ureigensten Interessen richtet. Nebenbei hofft er, mit seinem Text auch Menschen Argumente an die Hand zu geben für die Debatten mit evtll. AfD –Sympathisanten.
So weit, so löblich. Doch sein ganzer Text bewegt sich auf der rationalen Ebene. Gefühle und Ängste, die potentielle der AfD beschäftigen, Ängste vor weiterem sozialen Abstieg, Ängste, dass sie sich im eigenen Land nicht mehr zu Hause fühlen und dass man sie selbst vor lauter Engagement für Randgruppen und andere Benachteiligte schon längst vergessen hat, ja, sich sogar über sie lustig macht.
Die Wahl in den USA hat gezeigt, wie groß diese Angst ist von Menschen, die eben nicht alle ungebildet und dumm sind. Und sie hat gezeigt, was passiert, wenn ihre Stimme nicht mehr ernst genommen wird. Damit meine ich nicht die, die am 3. 10. in Dresden gepöbelt haben. Ich meine all die Menschen, denen ich fast jede Woche begegne und die sich nicht trauen, ihre wirkliche Meinung zu sagen zu bestimmten Themen.
Boris Palmer schreibt am 10.11.2016 im Blog der linksliberalen „Huffington Post“:
„Es ist zu einfach, 49 Prozent der amerikanischen Wähler für rassistische Dumpfbacken zu hakten. Dass Trump in den Umfragen so weit hinten lag und praktisch als erledigt galt, ist ein Fingerzeig.
Viele Menschen sagen bei Umfragen nicht, was sie denken, wenn sie glauben es sei gesellschaftlich unerwünscht. Das Phänomen heißt ‚underreporting‘“.
Ich erlebe das in meiner Umgebung fast täglich. Es findet aus Angst gegen die PC zu verstoßen, kein wirklicher Diskurs mit anderen statt.
Diese Menschen in den USA und auch bei uns sehen sich aus vielerlei Gründen gegen den großstädtischen, grün-alternativ geprägten Mainstream (vgl. die Debatte in der ZEIT, nach dem Essay von Bernd Ulrich) in die innere Opposition gedrängt und machen dann an der Wahlurne ihrem Herzen Luft. Umso mehr, als ihre bis vor kurzen noch „normale“ Haltung nun offensiv als rückständig und engstirnig oder gar schlimmer gebrandmarkt wird.
Palmer schreibt dazu: „Wir haben auch in Deutschland eine öffentliche Kultur entwickelt, unerwünschte Äußerungen durch Schmähung und Ausgrenzung unterdrücken zu wollen. Das kann dazu führen, dass sich eine Mehrheit der Menschen für jemanden wie Trump entscheidet, weil ihnen da nur noch auf die Nerven geht. Wenn wir vermeiden wollen, dass wir durch eine intolerante und aggressive Verteidigung der offenen Gesellschaft irgendwann auch in rechtspopulistisch regierten Gesellschaften aufwachen, sollten wir das dringend überdenken.“
Stephan Hebels Buch belehrt. Es nimmt die wirklichen Ängste der Menschen nicht wahr, weil diese schon lange nicht mehr wirklich gefragt werden. Und über den Islam verliert er nur wenige Worte. Dabei sind viele Ängste der Menschen genau damit verbunden.