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Warum konnten Selfies zum Inbegriff der Bildkultur der Sozialen Medien werden? Wie verhalten sie sich zur Geschichte des Selbstporträts und der Selbstinszenierung? Wolfgang Ullrich schaut zurück und sieht sich in der Gegenwart um - ohne Selfiestick.

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Produktbeschreibung
Warum konnten Selfies zum Inbegriff der Bildkultur der Sozialen Medien werden? Wie verhalten sie sich zur Geschichte des Selbstporträts und der Selbstinszenierung? Wolfgang Ullrich schaut zurück und sieht sich in der Gegenwart um - ohne Selfiestick.

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Autorenporträt
Wolfgang Ullrich, geboren 1967 in München, studierte dort ab 1986 Philosophie, Kunstgeschichte, Logik/Wissenschaftstheorie und Germanistik. Neben Lehraufträgen an verschiedenen Hochschulen war er von 1997-2003 als Assistent am Institut für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste in München, 2003/04 war er Gastprofessor für Kunsttheorie an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Seine Professur für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, die er seit 2006 innehatte, legte er 2015 nieder. Seither lebt er als freier Autor in Leipzig. Zahlreiche Publikationen, insbesondere zur Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, über moderne Bildwelten sowie Wohlstandsphänomene.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2019

Profilpflege
Eine neue Reihe widmet sich der digitalen Bildkultur

In digitalen Kulturen hat man es mit Ausdrucksformen zu tun, die den digital natives als selbstverständlich, banal und natürlich erscheinen. Weshalb es sinnvoll ist, diese Formen für einen Moment der Selbstverständlichkeit zu entziehen, bevor sie durch neue Phänomene ersetzt werden. Zwei Bändchen einer neuen Reihe "Digitale Bildkulturen" proben dieses Verfahren. Annekathrin Kohout widmet sich dem "Netzfeminismus", Wolfgang Ullrich den "Selfies". Digitale Bildkulturen haben viele Voraussetzungen. Eine besteht darin, dass ihre Akteure im Besitz einer Digitalkamera sind. Beide Autoren nehmen diese schlichte, aber bedeutsame Beobachtung zum Ausgangspunkt und zeigen, wie mit der Kamera Themen gesetzt und Stile geprägt werden.

Kohouts Versuch über den "Netzfeminismus" nimmt sich dabei insbesondere die Frage vor, ob eine bestimmte Ästhetik sich bei der Verbreitung von feministischen Anliegen in sozialen Medien ausbildet und verselbständigt. Die vielen spielerischen Zugangsweisen, die Feministinnen wählen, wenn sie ihre Instagram-, Twitter- oder Tumblr-Profile pflegen, sind oft Ziel von Kritik älterer Generationen von Aktivistinnen, die darin die Verflachung eines politischen Kampfes sehen. Dass zu ihm die Aneignung neuer Bildpraktiken gehört, lässt sich Kohouts materialreichem Essay aber sehr wohl entnehmen. Da die Autorin es ablehnt, genauer zu umreißen, was Netzfeminismus ist, bleibt allerdings bis zuletzt unklar, ob dieser Begriff nun vor allem eine demokratisierte Kunstform, populären Aktivismus, einen bestimmten Teil der Kulturindustrie oder all diese Dinge auf einmal bezeichnet.

Ullrichs Essay über Selfies streift diese Bereiche ebenfalls, setzt sich aber eben nur mit der einen Bildgattung auseinander, die so beliebt ist, dass "Kodifizierungen bereits gut erkennbar sind". Diese bestehen, so zeigt Ullrich, weniger darin, eine Stimmung oder ein Gefühl durch Mimik mitzuteilen, sondern darin, sich bereits bekannten Bildern anzuähneln. Dass es sich bei diesen Bildern um Selbstporträts mit einer langen Geschichte handelt, macht der Essay unter Verwendung von Aby Warburgs Begriff der Pathosformel klar. Diese Ausdrucksformen von Affekten sind für Ullrich die wichtigste Analysekategorie, um zu erklären, warum das Selfie innerhalb kurzer Zeit zu einem so erfolgreichen Bildtyp aufsteigen konnte. Wesentlich scheint ihm dafür auch das enorme kommunikative Potential dieser Bilder, die oft wiederum mit Bildern, Emojis nämlich, beantwortet werden. Ullrich führt für die Emojis den Begriff der "mündlichen" Bilder ein, mit denen man sich "ähnlich vielseitig, spontan und geschmeidig artikulieren" könne wie mit Sprache.

Mit Hinweisen auf seine Quellen ist Ullrich sparsam - dadurch entsteht ein Text, der ähnlich wie sein Gegenstand vielseitig, spontan und geschmeidig ist und vor allem Lust darauf weckt, mehr zum Thema nachzulesen. (Nathan Jurgensons gerade erschienenes Buch über "The Social Photo. On Photography and Social Media" könnte hier ein Anfang sein.) Die Bände der neuen Reihe werden übrigens ergänzt durch ein - so das Versprechen - laufend ergänztes Glossar, samt Literaturhinweisen, auf der Website des Verlags.

HANNA ENGELMEIER.

Wolfgang Ullrich: "Selfies".

Wagenbach Verlag, Berlin 2019. 80 S., Abb., br., 10,- [Euro].

Annekathrin Kohout: "Netzfeminismus".

Wagenbach Verlag, Berlin 2019. 80 S., Abb., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hanna Engelmeier schaut mit Wolfgang Ullrichs Essay auf das Selfie und seine Kodifizierungen. In die Geschichte des Selbstporträts ordnet Ullrich das Selfie laut Rezensentin unter Verwendung von Warburgs "Pathosformeln" ein. Wie der Autor das Selbstverständliche in seinem Essay neu betrachtet und kenntnisreich erläutert, was das Selfie so attraktiv macht, findet Engelmeier lesenswert, auch wenn der Autor kaum Quellen nennt. So bleibt der Text für Engelmeier "geschmeidig und spontan" - wie ein Selfie -  und macht Lust auf mehr zum Thema.

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