Eine asiatisch-kosmopolitische Familiengeschichte in Episoden, rückwärts erzählt
Eko und Leo, ein japanisch-chinesisches Ehepaar lebt mit den Töchtern Yumi, Yoko und Kiko in Shanghai. Leo ist als Bauunternehmer ausgesprochen wohlhabend und kann seiner Familie ein kosmopolitisches Leben im
Überfluss ermöglichen, Häuser auf der ganzen Welt, teuere Privatschulen und Universitäten in den USA, Geld…mehrEine asiatisch-kosmopolitische Familiengeschichte in Episoden, rückwärts erzählt
Eko und Leo, ein japanisch-chinesisches Ehepaar lebt mit den Töchtern Yumi, Yoko und Kiko in Shanghai. Leo ist als Bauunternehmer ausgesprochen wohlhabend und kann seiner Familie ein kosmopolitisches Leben im Überfluss ermöglichen, Häuser auf der ganzen Welt, teuere Privatschulen und Universitäten in den USA, Geld spielt keine Rolle. Ausgehend vom Jahr 2040 blickt der Roman rückwärtsgewandt hinter die Fassade dieses Lebens und zeigt eine Familie in Selbstauflösung in der jedes Mitglied auf seine Art leidet, versucht dem zu entfliehen und zu oft dabei scheitert. Erzählt wird dies mit dem Fokus auf einzelne Familienmitglieder in den jeweiligen Kapiteln, bereichert durch die Perspektiven Außenstehender, die der Familie jedoch nahe stehen, wie etwa der Chauffeur.
Wirklich bereichernd und interessant war für mich die Darstellung der Vergangenheit und Familiengeschichte von Eko und Leo, die so auch Einblicke in die bewegte Geschichte der Bevölkerung Chinas und Japans liefert. Auch der gesellschaftskritische Blick der Autorin, insbesondere in Bezug auf die Rolle der Frau in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat mir sehr gut gefallen. An verschiedenen Figuren zeigt Min wie Frauen in allen kulturellen Gesellschaften im Roman, und über alle Dekaden, diskriminiert werden, ihnen Gewalt angetan wird und noch immer Schönheitsidealen unterworfen werden.
Insgesamt will der Roman für mich jedoch etwas zu viel. Jede der Schwestern und auch das Elternpaar hadert auf ihre Art mit dem Leben, die ganze Familie ist von dysfunktionalen Mustern durchzogen. Dies ist natürlich nicht völlig unrealistisch, trotzdem wirkt es stellenweise überladen. Die lange Rückwärtserzählung mit einzelnen Schlaglichtern der Geschichte aus verschiedenen Perspektiven ist grundsätzlich gelungen. Echte Tiefe, die die Dysfunktionalität näher ergründet zeigt sich für mich dadurch jedoch etwas zu selten. Wenn auch die Konstruktion des Romans Stück für Stück Erklärungen liefert und wie ein Puzzle das Bild und die Ursprünge der dysfunktionalen Familie zusammensetzt, bleiben einige weiße Flecken.
Sprachlich ist der Roman flüssig geschrieben, die Autorin findet stellenweise sehr starke, eingängige Bilder. Die Perspektivwechsel der Erzählstimme innerhalb eines Kapitels waren für mich jedoch nicht immer stimmig.
Für mich war Shanghai Story ein unterhaltsamer, kurzweiliger Roman, der mich nach Shanghai und das Leben dort entführt hat und Einblicke in Lebenswege in dieser Region vermittelt. Die Rückwärtserzählung in Episoden ist für mich nicht vollständig gelungen, da insgesamt zu viele Leerstellen verbleiben. Insgesamt sehe ich in der Autorin jedoch einiges an Potential und freue mich auf ihren nächsten Roman!