Im beschaulichen Whistler, der über Vancouver gelegenen Ski-Region, ist Grey Stevens der lokale Weed-Anbauer (alles rein biologisch natürlich). Er unterhält dort einen gemütlichen Vertrieb mit Ex-Bikern, Alt-Hippies und Straßenmusikerkids, und auch ansonsten mangelt es ihm an jeder Art von Ehrgeiz, Gier oder sonstigen beklagenswerten Ambitionen. Doch dann versuchen zwei verfeindete Gangs, seinen Laden zu übernehmen, zu weniger netten Konditionen. Sie drängen nach Whistler, schalten seine alten Vertriebsleute aus und geraten sich gegenseitig in die Haare. Es wird blutig und chaotisch im Ski-Paradies, denn die beiden Gangs schrecken auch vor grobem Kaliber nicht zurück. Stevens muss reagieren, zumal er eine junge Punkerin ritterlich aus den Klauen des Mafiasohnes Nicky gerettet hat, der ihm das persönlich übelnimmt. Und mit einem Mal läuft alles aus dem Ruder ...
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buecher-magazin.deGrey Stevens lebt in Whistler, einem kanadischen 10000-Einwohner-Kaff rund 150 Kilometer nördlich von Vancouver. Im Winter fährt er Snowboard, im Sommer rollt er auf dem Skateboard durch den einstigen Olympiaort. Nebenbei jobbt der Mittdreißiger in einer Bar, seine Freundin, die wollte, dass er endlich erwachsen wird, ist ihm weggelaufen. Am Geld liegt's nicht, Grey ist der örtliche Marihuana-Anbauer, die Skaterkids und Alt-Hippies liefern Gras für ihn aus, die Touristen sind gute Kunden. Aber die Typen aus der Großstadt, die sich gerade breitmachen, riechen nach Ärger: Sie wollen Greys mittelständisches Drogenimperium übernehmen. Da ist Nicky in seinem inferno-orangen Angeber-Camaro, der Sohn des Mafiabosses aus Vancouver, sowie der ziemlich abgebrühte Travis, der auf den dämlichen Junior aufpassen soll. Aber auch die asiatischen Guys der "Indo-Army" lassen durchblicken, dass sie auf das Geschäft scharf sind. Und so kommt's, wie es kommen muss, die Situation eskaliert in der Tradition von "Schnappt Shorty", so witzig wie schön. Und der ansonsten friedliche Grey muss den bösen Jungs Kontra geben und ebenso böse zurückschlagen. Abhauen ist nicht, denn er hat sich auch noch in die Punkerin Dara verguckt, die dem aufdringlichen Nicky böse eins auf die Nüsse gegeben hat.
© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2018Und kein Fake ist völlig falsch
Krimis in Kürze: James Rayburn, Dietrich Kalteis und Tom Bouman
Muss man eigentlich nach einer Regel suchen, wann Roger Smith einen neuen Thriller als Roger Smith und wann er ihn als James Rayburn schreibt? Nicht ernstlich - solange sich da kein Qualitätsgefälle zeigt. Das ist auch im neuen Rayburn, der einfach "Fake" (Klett-Cotta, 383 S., geb., 16,95 [Euro]) heißt, nicht zu erkennen. Das Buch ist mit der gewohnten Härte geschrieben, die Konstruktion ist filigran, die politische Unterfütterung auf der Höhe der Zeit.
Es geht um eine heikle Aufgabe für den ausgemusterten Agenten Pete Town. Eine amerikanische Geisel des IS, weltbekannt durch ihre amerikakritischen Auftritte in IS-Videos, ist offenbar durch eine amerikanische Drohne zu Tode gekommen. Das darf nicht sein, weil es aussichtsreiche Friedensverhandlungen gefährdet. Und so soll Town, der Mann für die tollen Narrative, diese Ärztin durch eine gute Inszenierung am Leben halten, was nicht einfach ist, weil ihr Ehemann, ein alternder Frauenheld und gescheiterter Schriftsteller, unberechenbar ist und weil es einflussreiche Leute gibt, die gar kein Interesse am Frieden haben, weil er die Profite aus dem Waffenhandel kappt.
Town fühlt sich wie der Mann im Wetterhäuschen seiner Großmutter, der nur bei Regen heraustritt, wogegen die strohblonde Frau im Dirndl den Sonnenschein ankündigt. Das ist von einer Selbstironie, die sehr angemessen ist angesichts der Komplikationen, die sich bei seiner Mission ergeben. Und weil kein Fake völlig falsch ist, kommt Town gegen Ende des Plots zu dem paradoxen Schluss: "Wenn etwas nie passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht trotzdem wahr ist."
Diese Logik ließe manche der Kiffer schwindeln, die in "Shootout" (Suhrkamp, 342 S., br., 9,95 [Euro]) auftauchen. Geschrieben hat das Buch der gebürtige Kölner Dietrich Kalteis, der seit seiner Kindheit in Kanada lebt. Man muss ihn nicht gleich mit Elmore Leonard vergleichen, um die Qualitäten dieses Thrillers zu würdigen, zu denen dessen deutsche Übersetzung leider nicht gehört. Abwegig ist allerdings der Bezug zu Leonard auch nicht, vor allem wenn man sich das Personal anschaut, das Kalteis in dem Roman rund um den kanadischen Wintersportort Whistler herum versammelt, wo sich neulich noch die G-7-Finanzminister trafen und wo Touristen hinkommen, um Einheimischen dabei zuzusehen, wie sie große Käseräder den Berg hinabrollen.
Auch bei Kalteis geht es um Märkte und Anteile, um Strafe und Vergeltung für handelswidrige Maßnahmen. Der lokale Anbauer Grey ist ein freundlicher Monopolist, eher Hippie-Nachfahre als Hipster, mit dezentralem und kleinteiligem Vertrieb. Der Sohn des nicaraguanischen Mafioso, der mit ein paar Handlangern im orangefarbenen Angeberauto auftaucht, um einen Claim abzustecken, hat die Aura der blutigen Unfähigkeit, die konkurrierende "Indo-Army" zeigt ihm gleich, womit er zu rechnen hat - und das sind bestimmt nicht die schlechtgelaunten Polizisten, die keine Lust auf Provinz haben.
Kalteis setzt dabei immer wieder ein paar gute Sprüche ab, übertreibt es aber nie mit der Kifferlässigkeit. Seine Art Humor hat auf dem Buchcover ihren passenden Ausdruck gefunden. Es zeigt die kanadische Flagge mit ein paar Kugellöchern. Und das Ahornblatt wurde durch eine Hanfpflanze ersetzt.
Die nordamerikanische Provinz ist auch der Schauplatz von Tom Boumans Romanen. "Auf der Jagd" war ein ganz starkes Debüt (F.A.Z. vom 7. Mai 2017). "Im Morgengrauen" (Ars Vivendi, 350 S., br., 22,- [Euro]) bleibt nicht dahinter zurück. Es ist eine Wiederbegegnung mit dem Polizisten, Witwer und ehemaligen Somalia-Kämpfer Henry Farrell in Wild Thyme, Pennsylvania. Henry erzählt in der ersten Person, er ist selbst ein Teil dieser Hillbilly-Welt; er kennt das Gesetz, und er kennt die Überlebensstrategien der Menschen, die sich dort durchschlagen müssen, und deshalb weiß er auch, dass man manchen Dingen besser ihren Lauf lässt. "Als Polizist in einer kleinen Gemeinde muss man aufpassen, den Einwohnern nicht allzu sehr auf den Geist zu gehen."
Nebenher arbeitet Henry auch noch für seinen besten Freund Ed, den besten Holzbauer in der Gegend, raucht sein Marihuanapfeifchen, aber wenn ein Fall ihn packt, ist er ein guter Jäger. Diesmal geht es um das Verschwinden einer jungen Frau. Ihr Freund, auch er mit Drogenproblem, ist verdächtig, aber der Fall zieht schnell weitere Kreise und entzieht sich Henrys überschaubaren Zuständigkeiten. Tom Boumans Roman ist weniger Krimi als Sittenbild und soziales Porträt eines Amerikas, das auch durch Fracking oder Schutzzölle nicht "great again" werden wird. Es ist ein hartes, ein illusionsloses und gut geschriebenes Buch, dessen große Empathie sich Henrys liebevoll-realistischem Blick auf seine Heimat verdankt.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: James Rayburn, Dietrich Kalteis und Tom Bouman
Muss man eigentlich nach einer Regel suchen, wann Roger Smith einen neuen Thriller als Roger Smith und wann er ihn als James Rayburn schreibt? Nicht ernstlich - solange sich da kein Qualitätsgefälle zeigt. Das ist auch im neuen Rayburn, der einfach "Fake" (Klett-Cotta, 383 S., geb., 16,95 [Euro]) heißt, nicht zu erkennen. Das Buch ist mit der gewohnten Härte geschrieben, die Konstruktion ist filigran, die politische Unterfütterung auf der Höhe der Zeit.
Es geht um eine heikle Aufgabe für den ausgemusterten Agenten Pete Town. Eine amerikanische Geisel des IS, weltbekannt durch ihre amerikakritischen Auftritte in IS-Videos, ist offenbar durch eine amerikanische Drohne zu Tode gekommen. Das darf nicht sein, weil es aussichtsreiche Friedensverhandlungen gefährdet. Und so soll Town, der Mann für die tollen Narrative, diese Ärztin durch eine gute Inszenierung am Leben halten, was nicht einfach ist, weil ihr Ehemann, ein alternder Frauenheld und gescheiterter Schriftsteller, unberechenbar ist und weil es einflussreiche Leute gibt, die gar kein Interesse am Frieden haben, weil er die Profite aus dem Waffenhandel kappt.
Town fühlt sich wie der Mann im Wetterhäuschen seiner Großmutter, der nur bei Regen heraustritt, wogegen die strohblonde Frau im Dirndl den Sonnenschein ankündigt. Das ist von einer Selbstironie, die sehr angemessen ist angesichts der Komplikationen, die sich bei seiner Mission ergeben. Und weil kein Fake völlig falsch ist, kommt Town gegen Ende des Plots zu dem paradoxen Schluss: "Wenn etwas nie passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht trotzdem wahr ist."
Diese Logik ließe manche der Kiffer schwindeln, die in "Shootout" (Suhrkamp, 342 S., br., 9,95 [Euro]) auftauchen. Geschrieben hat das Buch der gebürtige Kölner Dietrich Kalteis, der seit seiner Kindheit in Kanada lebt. Man muss ihn nicht gleich mit Elmore Leonard vergleichen, um die Qualitäten dieses Thrillers zu würdigen, zu denen dessen deutsche Übersetzung leider nicht gehört. Abwegig ist allerdings der Bezug zu Leonard auch nicht, vor allem wenn man sich das Personal anschaut, das Kalteis in dem Roman rund um den kanadischen Wintersportort Whistler herum versammelt, wo sich neulich noch die G-7-Finanzminister trafen und wo Touristen hinkommen, um Einheimischen dabei zuzusehen, wie sie große Käseräder den Berg hinabrollen.
Auch bei Kalteis geht es um Märkte und Anteile, um Strafe und Vergeltung für handelswidrige Maßnahmen. Der lokale Anbauer Grey ist ein freundlicher Monopolist, eher Hippie-Nachfahre als Hipster, mit dezentralem und kleinteiligem Vertrieb. Der Sohn des nicaraguanischen Mafioso, der mit ein paar Handlangern im orangefarbenen Angeberauto auftaucht, um einen Claim abzustecken, hat die Aura der blutigen Unfähigkeit, die konkurrierende "Indo-Army" zeigt ihm gleich, womit er zu rechnen hat - und das sind bestimmt nicht die schlechtgelaunten Polizisten, die keine Lust auf Provinz haben.
Kalteis setzt dabei immer wieder ein paar gute Sprüche ab, übertreibt es aber nie mit der Kifferlässigkeit. Seine Art Humor hat auf dem Buchcover ihren passenden Ausdruck gefunden. Es zeigt die kanadische Flagge mit ein paar Kugellöchern. Und das Ahornblatt wurde durch eine Hanfpflanze ersetzt.
Die nordamerikanische Provinz ist auch der Schauplatz von Tom Boumans Romanen. "Auf der Jagd" war ein ganz starkes Debüt (F.A.Z. vom 7. Mai 2017). "Im Morgengrauen" (Ars Vivendi, 350 S., br., 22,- [Euro]) bleibt nicht dahinter zurück. Es ist eine Wiederbegegnung mit dem Polizisten, Witwer und ehemaligen Somalia-Kämpfer Henry Farrell in Wild Thyme, Pennsylvania. Henry erzählt in der ersten Person, er ist selbst ein Teil dieser Hillbilly-Welt; er kennt das Gesetz, und er kennt die Überlebensstrategien der Menschen, die sich dort durchschlagen müssen, und deshalb weiß er auch, dass man manchen Dingen besser ihren Lauf lässt. "Als Polizist in einer kleinen Gemeinde muss man aufpassen, den Einwohnern nicht allzu sehr auf den Geist zu gehen."
Nebenher arbeitet Henry auch noch für seinen besten Freund Ed, den besten Holzbauer in der Gegend, raucht sein Marihuanapfeifchen, aber wenn ein Fall ihn packt, ist er ein guter Jäger. Diesmal geht es um das Verschwinden einer jungen Frau. Ihr Freund, auch er mit Drogenproblem, ist verdächtig, aber der Fall zieht schnell weitere Kreise und entzieht sich Henrys überschaubaren Zuständigkeiten. Tom Boumans Roman ist weniger Krimi als Sittenbild und soziales Porträt eines Amerikas, das auch durch Fracking oder Schutzzölle nicht "great again" werden wird. Es ist ein hartes, ein illusionsloses und gut geschriebenes Buch, dessen große Empathie sich Henrys liebevoll-realistischem Blick auf seine Heimat verdankt.
PETER KÖRTE
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»Mit unvorhersehbaren Wendungen und hohem Tempo ist Dietrich Kalteis ein Kriminalroman gelungen, der das Lesevergnügen stetig steigert.« Sonja Hartl Deutschlandfunk Kultur 20180706