Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Literaturwissenschaft - Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 1,7, Freie Universität Berlin (Osteuropa-Institut), Veranstaltung: Soll und Haben. Ein Roman und seine historischen Implikationen., Sprache: Deutsch, Abstract: Im Jahr 1855 ist Breslau eine Stadt im Wandel: es werden erste Schienenstücke in die nähere Umgebung verlegt, kurz darauf auch längere Verbindungen zu den Städten Berlin, Wien, Dresden und Krakau gebaut. Der erste deutsche Hauptbahnhof entsteht in Breslau, die Industrialisierung und Urbanisierung hält Einkehr. Die Stadt beginnt bedeutungsvoll zu wachsen. Mitten in dieser Stadt konstruiert Gustav Freytag das Leben der Figuren seines Romans ´Soll und Haben´ in sechs Büchern. Er verknüpft Fiktion und Realität dermaßen geschickt, dass man kein Problem damit hätte, die fiktionalen Gegebenheiten als reell anzuerkennen. So beschreibt Freytag z.B. im zweiten Kapitel des dritten Buches die Revolution in Polen, indem er zwei seiner Figuren ins Grenzgebiet reisen lässt, wo sie von einigen unschönen Ereignissen heimgesucht werden. [...] Als am 01.01.1926 die Urheberrechte an Gustav Freytags Romanen erlischen, beginnt 30 Jahre nach dessen Tod der Wettlauf der bearbeiteten Herausgaben4. Die nationalistischen Verleger beispielsweise hatten das Ziel, mit einer preiswerteren einfachen Volksausgabe die antisemitischen Ressentiments auch in weitere Volksschichten tragen zu können. Die erste gekürzte Ausgabe von Soll und Haben erschien jedoch im Sommer 1926 beim Verlag Schlüter & Co. in Leipzig. Der Verfasser war Dr. Fritz Skowronnek, ein in Ostpreußen geborener, streng nationaler Heimatschriftsteller mit stark polenfeindlicher Tendenz, der wegen seiner antislawischen Ausfälle sogar ein Einreiseverbot in Polen erhielt. In der vorliegenden Arbeit wird anhand dieser umstrittenen gekürzten Ausgabe von Soll und Haben aufgezeigt, inwiefern hier die „große Linie der Handlung gewahrt“ wurde. Alle Passagen, die in dieser Arbeit wörtlich der Originalausgabe entnommen wurden, fehlen in Skowronneks Fassung von 1926. Zieht sich der rote Faden ohne Knoten durch die sechs Bücher? Werden wichtige Charaktere originalgetreu beschrieben? Und wie wurde diese Ausgabe von der Leserschaft aufgenommen? Dieser Frage möchte ich mich zuerst widmen, indem ich verschiedene Zeitgenossen zu Wort kommen lasse.