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Was ist das für ein Land, in dessen Supermärkten man vergeblich nach frischem Gemüse sucht, dafür aber auf abgepacktes Walfleisch stößt? In dem man Waffen mit an Bord eines Flugzeugs nehmen darf (und sogar fünf Kilo Munition, solange diese in einer anderen Tasche stecken)? In dem das Verkehrsamt ein sagenhaftes unsichtbares Volk befragt, bevor es den Verlauf einer neuen Straße plant? Die Antwort lautet: Island. In dem Jahr, als ganz Europa auf das kleine Land im hohen Norden schaut, weil seine Wirtschaft implodiert und sein (seither berühmtester) Vulkan Eyjafjallajökull explodiert, zieht die…mehr

Produktbeschreibung
Was ist das für ein Land, in dessen Supermärkten man vergeblich nach frischem Gemüse sucht, dafür aber auf abgepacktes Walfleisch stößt? In dem man Waffen mit an Bord eines Flugzeugs nehmen darf (und sogar fünf Kilo Munition, solange diese in einer anderen Tasche stecken)? In dem das Verkehrsamt ein sagenhaftes unsichtbares Volk befragt, bevor es den Verlauf einer neuen Straße plant? Die Antwort lautet: Island. In dem Jahr, als ganz Europa auf das kleine Land im hohen Norden schaut, weil seine Wirtschaft implodiert und sein (seither berühmtester) Vulkan Eyjafjallajökull explodiert, zieht die Britin Sarah Moss mit ihrem Mann und den zwei kleinen Söhnen nach Reykjavík, wo sie vor allem eins lernt: zu staunen. Über das merkwürdige isländische Konsumverhalten, lebensgefährliche Vorfahrtsregeln, über 13 atheistische Weihnachtsmänner, flüssige Lava, kochenden Treibsand, Mondschatten und über Polarlichter, die in den sommers ewig hellen Nächten wie außerirdische Wesen über den Himmel wabern. "Sommerhelle Nächte" ist eine geistreiche Reflexion darüber, was es bedeutet, fremd zu sein, und eine empathische Erkundung der von extremen Umweltbedingungen geprägten Kultur Islands. Moss' ironische Erzählweise und ihre Gabe, Alltagssituationen zu beobachten und daraus treffsichere Schlüsse sowohl auf die isländische Mentalität wie auch auf sich selbst zu ziehen, machen ihren Reisebericht zu einer ebenso informativen wie kurzweiligen Lektüre.
Autorenporträt
Sarah Moss, geboren in Schottland, studierte und promovierte an der Oxford University. Nach Stationen am University of Exeter's Cornwall Campus und an der Universität Island lehrt sie heute an der University of Warwick. Bei mare erschien bereits ihr bei Presse und Publikum gleichermaßen erfolgreicher Roman "Schlaflos" (2013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.04.2014

Pferde, die bei
Frost fliegen
Sarah Moss beobachtet die
Eigenheiten der Isländer
Sie sind wegen der Landschaft gekommen, außerdem währt im Sommer ein Sonnentag gerne ein paar Wochen. Nach dem Abitur war Sarah Moss mit ihrer besten Freundin in Island. Der Start war mies: eine üble Überfahrt in der Plastikkoje mit schlechtem Geruch und Pfefferminzriegeln. Aber sie will dorthin zurück, unbedingt. Fünfzehn Jahre später ist sie verheiratet, Mutter zweier Söhne und Literaturprofessorin in Kent. Bei einem Blick auf die Website der National University stellt sich heraus, dass sie in Island zufällig jemanden suchen, der sich auf britische Literatur des 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Weniger Gehalt als zuvor, dafür eine Rückkehr in ihr Sehnsuchtsland.
  Im Jahr 2013 erschien Sarah Moss’ erster Roman „Schlaflos“, der noch in ihrer Heimat Schottland spielt. Ihre Beobachtungen in Island hat sie nun im Reisebericht „Sommerhelle Nächte. Unser Jahr in Island“ aufgeschrieben. Bustickets werden im Schwimmbad verkauft, und samstags ist Nammidag, alle Süßigkeiten im Supermarkt kosten nur die Hälfte – da herrscht Ausnahmezustand. Island ist zutiefst kapitalistisch und unter dauerhafter „Spannung zwischen Unabhängigkeit und Abgeschiedenheit“. Die Familie erreicht das Land in der Kreppa, der isländischen Wirtschaftskrise. Im Lebensmittelregal gibt es nur traditionell vergorene Molke und getrockneten Fisch, kaum frisches Gemüse. Man hilft sich mit Kohl und gefrorenen polnischen Beeren in Fünfkilo-Säcken. Neben der erschütterten Wirtschaft erlebt die Familie noch den gewaltigen Staub von Eyjafjallajökull und andere unvergessliche, akut aber nicht so bedrohliche Naturwunder wie die „kahlen Felsen aus nackter Lava“, den Gebirgszug Esja im rosafarbenen Sommerlicht, die Kälte, die Dunkelheit und das Polarlicht des Winters. Es ist düster und kalt in diesen Monaten. Viele ihrer Erfahrungen sind aber sehr lustig: „Flure, die nach Raumspray und Füßen riechen.“ Und die Landes-Poesie ist kryptisch: „Das rechte Pferd fliegt flugs bei Frost“, was der Expertin bis zuletzt nicht verständlich wird.
  Intelligent und selbstironisch reflektiert Sarah Moss über kulturelle Unterschiede. Niemand geht hier zu Fuß. Dafür lassen die Isländer ihre Kinder immer draußen spielen und geben ihnen früh Eigenverantwortung. Im Kindergarten helfen Vierjährige den Dreijährigen mit den Reißverschlüssen und dabei, den linken vom rechten Stiefel zu unterscheiden. Kinderwagen mit schlafenden Säuglingen lässt man vertrauensvoll auf der Straße vor Geschäften stehen. Es passiert nichts, man kennt ja jeden. Aber Einwanderer sind „Menschen mit wenig Macht, deren Unerfahrenheit sie in Gefahr bringt“. Also besser nicht alles adaptieren, denn die Sicherheit ihrer Söhne ist für die Autorin natürlich wichtiger als jeder Kulturrelativismus.
  „Wie bei so vielen Reisebüchern scheint das Schreiben eine Therapie für das Trauma der Entfremdung zu sein“, schreibt Moss. Alles ist langsamer und ruhiger in Island, der Tagesablauf saisonal, die Jahreszeiten drastischer. Um elf Uhr nachts spielen Leute im Sommer Fußball. Der Sonnenuntergang dauert Stunden; und schlaflose Professoren schreiben kulturanthropologische Reiseberichte mit viel Witz.
ANTONIA MAHLER
Sarah Moss: Sommerhelle Nächte. Unser Jahr in Island. Aus dem Englischen von Nicole Seifert. Mareverlag, Hamburg 2014. 400 Seiten, 22 Euro.
Es ist düster und kalt
in den Wintermonaten –
aber dafür lustig
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2015

Carports im Lavafeld

Mit Wikingernostalgie und Arktis-Sehnsucht hat Sarah Moss nichts am Hut. Die schottische Akademikerin war zwar schon als Studentin in Island im Urlaub, aber der Landschaft wegen, nicht um die Isländer kennenzulernen. Doch als sich ein paar berufliche Dinge ändern, geht sie mit Mann und zwei Söhnen als Wissenschaftlerin nach Reykjavik. Das Timing könnte nicht schlechter sein. Ausgerechnet als der Vulkan aus- und die Wirtschaft des Landes zusammenbricht, zieht die Familie um, so dass ihr ausgehandeltes Gehalt sofort nur noch ein Drittel wert ist. Sie und ihre Familie fühlen sich in dem Land, dessen Lebensstil eher am amerikanischen als am mitteleuropäischen orientiert ist, als Außenseiter. Sie mieten eine Wohnung, statt eine zu kaufen, sie gehen zu Fuß, sie möchten frisches Obst essen. Sie suchen nach Secondhand-Läden, die es nicht gibt, und sie bleiben fremd. Die Autorin versucht, sich über Nahrungsmittel, Literatur und Kindererziehung dem Gastland anzunähern, doch es gelingt nur einigermaßen. Darüber verzweifelt sie nicht. Ihr Humor ist lakonisch, aber menschenfreundlich. Sie analysiert, statt sich vorschnell eine Meinung zu bilden. Wie nebenbei erklärt sie viel zur Geschichte Islands oder zum Bankenzusammenbruch. Diesen beschreibt sie anschaulich anhand all der leerstehenden Neubauten am Stadtrand, dieses Drangs, "die Lavafelder mit mehr und mehr offenen Küchen und stählernen Balkonbrüstungen und Untergrund-Carports zu bedecken", ohne dass es Bedarf dafür gibt. Und doch: Als das Jahr zu Ende geht, will sie bleiben. Unverständnis und Begeisterung schließen einander nicht aus. Ein kluges Buch.

bär

"Sommerhelle Nächte. Unser Jahr in Island" von Sarah Moss. Mareverlag, Hamburg 2014. 464 Seiten. Gebunden, 22 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Sarah Moss ist eine brillante Erzählerin."
Julia Westlake