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Mit Wikingernostalgie und Arktis-Sehnsucht hat Sarah Moss nichts am Hut. Die schottische Akademikerin war zwar schon als Studentin in Island im Urlaub, aber der Landschaft wegen, nicht um die Isländer kennenzulernen. Doch als sich ein paar berufliche Dinge ändern, geht sie mit Mann und zwei Söhnen als Wissenschaftlerin nach Reykjavik. Das Timing könnte nicht schlechter sein. Ausgerechnet als der Vulkan aus- und die Wirtschaft des Landes zusammenbricht, zieht die Familie um, so dass ihr ausgehandeltes Gehalt sofort nur noch ein Drittel wert ist. Sie und ihre Familie fühlen sich in dem Land, dessen Lebensstil eher am amerikanischen als am mitteleuropäischen orientiert ist, als Außenseiter. Sie mieten eine Wohnung, statt eine zu kaufen, sie gehen zu Fuß, sie möchten frisches Obst essen. Sie suchen nach Secondhand-Läden, die es nicht gibt, und sie bleiben fremd. Die Autorin versucht, sich über Nahrungsmittel, Literatur und Kindererziehung dem Gastland anzunähern, doch es gelingt nur einigermaßen. Darüber verzweifelt sie nicht. Ihr Humor ist lakonisch, aber menschenfreundlich. Sie analysiert, statt sich vorschnell eine Meinung zu bilden. Wie nebenbei erklärt sie viel zur Geschichte Islands oder zum Bankenzusammenbruch. Diesen beschreibt sie anschaulich anhand all der leerstehenden Neubauten am Stadtrand, dieses Drangs, "die Lavafelder mit mehr und mehr offenen Küchen und stählernen Balkonbrüstungen und Untergrund-Carports zu bedecken", ohne dass es Bedarf dafür gibt. Und doch: Als das Jahr zu Ende geht, will sie bleiben. Unverständnis und Begeisterung schließen einander nicht aus. Ein kluges Buch.
bär
"Sommerhelle Nächte. Unser Jahr in Island" von Sarah Moss. Mareverlag, Hamburg 2014. 464 Seiten. Gebunden, 22 Euro.
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Julia Westlake