Das schönste Schmetterlingsbuch unserer Zeit Nach ihren beiden erfolgreichen, hochgelobten Büchern »Von seltenen Vögeln« und »Das botanische Schauspiel« widmet sich Anita Albus in ihrem neuen Buch einer der faszinierendsten Erscheinungen der Natur: den Schmetterlingen. Spannend und farbenfroh erzählt sie von Raupen, Larven und Faltern aus aller Welt und lässt immer wieder auch die großen Schmetterlingsliebhaber der Literaturgeschichte - von Goethe über Strindberg bis Nabokov - zu Wort kommen. Wie in ihren vorangegangenen Büchern verbindet Anita Albus dabei naturkundliches Wissen und historische Bildung mit dem genauen, liebevollen Blick einer Künstlerin, die mit Worten und Farben malt. Der opulent ausgestattete Band enthält über 60 Abbildungen, darunter zahlreiche spektakuläre Schmetterlingsbilder von Anita Albus selbst. Ein Buch, das uns zum Staunen bringt und den Schmetterlingen bei aller Präzision der Darstellung ihren Zauber, ihr Geheimnis lässt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2019Schmetterling, du abgeflog'nes Ding
Die Feinmalerin Anita Albus ist den Geheimnissen der Falter auf der Spur. Und vergisst auch die Motten nicht.
Von Stefan Trinks
Anders als ihre historische Vorläuferin Maria Sibylla Merian vor fast vierhundert Jahren schöpft die Künstlerin und Kunsthistorikerin Anita Albus in ihrem neuen Buch über Schmetterlinge nicht aus einer Artenfülle - Albus' aufwendig mit glänzend blauem Leineneinband, Fadenheftung, Lesebändchen und Fünfziger-Jahre-Folienumschlag gestaltetes Buch steht ebenso wie sein Sujet selbst schon auf der Roten Liste der aussterbenden Spezies. Wie das Vorgängerwerk "Von seltenen Vögeln" ist "Sonnenfalter und Mondmotten" aus der Not des Schmetterling-Sterbens geboren, eine Verlustanzeige. Denn wann hätten wir in freier Wildbahn den letzten Apollofalter, einen Schwalbenschwanz oder auch nur ein Tagpfauenauge gesehen? Ähnlich wie das Massensterben der Bienen ist auch das der Falter in unseren Breiten ein Menetekel der bevorstehenden Metamorphosen der Natur.
Dessen ungeachtet oder vielleicht gerade deshalb illuminiert Albus auch dieses Werk wie bereits ihre früheren Bücher mit graziös ausgeführten Aquarellen auf Pergament, wobei angesichts der hauchzarten Schmetterlingsflügel noch stärker auffällt, wie ungeheuer filigran ihre Technik ist und wie passend für diesen Stoff aus schierem Nichts: Wie durchscheinende gotische Buntglasfenster oder Edelsteinmosaike wirken die aufgespannten Flügel; ein Licht unbekannter Quelle scheint sie von hinten zu durchstrahlen. Die Pigmente der benutzten Wasserfarben und die zarten Höhungen mit Deckweiß erzeugen im Auge den Eindruck filigraner Schuppen, deren Bauwunder sie im Kapitel "Auf den Flügeln" über Seiten hinweg nachvollziehbar werden lässt.
Albus setzt mit Wasserfarben auf feiner Tierhaut dieselbe Technik ein wie Albrecht Dürer fünfhundert Jahre zuvor in seinen Schmetterlingsaquarellen. An einer Stelle verrät Albus, dass im besonders prächtigen Bild des "Pfauentrogon", auf dessen schwarzen Flügeln als Tarnung grüne Laubblätter zu liegen scheinen, volle drei Monate Arbeit stecken. Mit dem lichtschluckenden Elfenbeinschwarz, das tatsächlich aus dem verkohlten Kalziumapatit alter Stoßzahnreste besteht, mit Perlglanz-Naturpigmenten und geriebenen Halbedelsteinfarben ist keine synthetische Farbe, sondern pure Natur aufs Pergament gebracht worden. Oder in Albus' Worten "goldgekröntes Grün", denn es gilt, der Natur als größter Künstlerin sinnlich möglichst nahe zu kommen.
Es bedeutet daher das Gegenteil von ehrenrührig, wenn man ihre Illuminationen altmeisterlich nennt. Zumal sich bei genauem Hinsehen leicht erkennen lässt, dass die malerisch fixierten Falter von Albus durch die Moderne hindurchgegangen sind: Anders als fast alle früheren Schmetterlingsillustrationen weisen sie weder taxonomische Inschriften auf dem Hintergrund, noch Schatten auf; insbesondere in den Gliederungen der Körper und Flügel gibt es Stilisierungen wie beispielsweise bei den Blütenformen der großen modernen Künstlerin Georgia O'Keefe aus den zwanziger Jahren, wodurch bei Albus eine Art "Neue Sachlichkeit der Fauna" entsteht, die den autonomen Status und Kunstcharakter des Dargestellten noch betont.
So nimmt es nicht Wunder, dass Maria Sibylla Merian im Literaturverzeichnis nur mit ihrem wissenschaftlichen Opus magnum zur Verwandlung der Insekten Surinams, "Metamorphosis Insectorum Surinamensium", zitiert wird, der größte Schmetterlingssammler unter den modernen Literaten, Vladimir Nabokov, aber mit nicht weniger als sechs Werken. Von Nabokov wissen wir, dass er der Rhythmik und dem "Textus" der Flügelgliederungen in seinen schriftstellerischen Werken nachspürte, und auch bei Albus' von feinen schwarzen Bleiruten wie Notenlinien unterteilten Flügel-Farbglasfenstern stellt sich dieses Gefühl sehr häufig ein. Dennoch sieht Albus Nabokovs Parallelisierung des Schlüpfvorgangs in seinem erst postum veröffentlichten, zwischen Kafkas Samsa und Stevensons Dr. Jekyll & Mr. Hyde changierenden Essay "Einladung zu einer Verwandlung" durchaus nicht unkritisch. Gleich zu Beginn bringt sie die schwüle Beschreibung in direkte Nähe von dessen "Lolita"-Phantasien und weist dem Literatur-Lepidopterologen Fehler nach.
Auch widmet sie sich in "Sonnenfalter und Mondmotten", wie die Bipolarität des Titels bereits andeutet, nicht nur den heiteren Tagschmetterlingen, sondern ebenso den Kreaturen der Nacht, die nicht in gleichem Maß wie diese die Gunst der Menschen genießen. Seit jeher gibt es diesen holzschnittartigen Manichäismus der Tierwelt, der die tagaktiven Wesen der lichtvoll guten Seite zuschlägt, die Nachtaktiven hingegen der zwielichtigen. Den Motten in ihrer tragischen Sucht nach Licht, und sei es nur demjenigen des Mondes, gehört seit dem zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts immerhin die geneigte Zuwendung der Schwarzromantiker - Literaten wie Novalis, den Albus mit seiner Hommage an diese irrlichternden Bewohner der Blauen Stunde und der Dämmerung zwischen Alltag und Schlafnacht zitiert, und natürlich Bram Stoker mit seinem flattrigen Geschöpf Dracula. Aus der alten Aufteilung in Schwarz und Weiß, Tag und Nacht resultiert der wenig schmeichelhafte Vergleich etwa des Totenkopfschwärmers mit einer kleinen Fledermaus, da er dieser mit seinen zwölf Zentimetern Spannweite und seinem unheimlichen "Vampirtattoo" eines Totenschädels auf den Flügeln gleicht.
Jenseits aller künstlerischen Gestaltung sind aber auch Albus' sich immer weiter ins Kapillare verästelnde Texte eine Offenbarung für all jene, die ihre Freude an bisweilen auch abseitigen Wissensbeständen haben. Einem Schmetterling im dichten Urwald-Unterholz gleich, fliegt sie von Blüte zu Blüte und teilt mit ihren Lesern den Nektar, der im Mittelalter als Rahm gedacht wurde: Noch bis ins achtzehnte Jahrhundert hießen die Butterfliegen-Butterflies daher im Deutschen bündig nur "Schmettlinge", vom alten Wort für Schmand und Rahm. Auch weiß Albus, dass der bereits genannte Pfauentrogon der Quetzal der Azteken ist und Sex in der Luft hat.
Dass wir nun für die Zukunft ein neues, besonderes Synonym für das Wortfeld "abgerockt" und "verbraucht" besitzen, nämlich "abgeflogen" als Terminus für Schönheits- durch Flügelschuppenverlust, ist nur einer der vielen Lektüregewinne dieses Buchs.
Anita Albus: "Sonnenfalter und Mondmotten".
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2019. 240 S., Abb., geb., 48,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Feinmalerin Anita Albus ist den Geheimnissen der Falter auf der Spur. Und vergisst auch die Motten nicht.
Von Stefan Trinks
Anders als ihre historische Vorläuferin Maria Sibylla Merian vor fast vierhundert Jahren schöpft die Künstlerin und Kunsthistorikerin Anita Albus in ihrem neuen Buch über Schmetterlinge nicht aus einer Artenfülle - Albus' aufwendig mit glänzend blauem Leineneinband, Fadenheftung, Lesebändchen und Fünfziger-Jahre-Folienumschlag gestaltetes Buch steht ebenso wie sein Sujet selbst schon auf der Roten Liste der aussterbenden Spezies. Wie das Vorgängerwerk "Von seltenen Vögeln" ist "Sonnenfalter und Mondmotten" aus der Not des Schmetterling-Sterbens geboren, eine Verlustanzeige. Denn wann hätten wir in freier Wildbahn den letzten Apollofalter, einen Schwalbenschwanz oder auch nur ein Tagpfauenauge gesehen? Ähnlich wie das Massensterben der Bienen ist auch das der Falter in unseren Breiten ein Menetekel der bevorstehenden Metamorphosen der Natur.
Dessen ungeachtet oder vielleicht gerade deshalb illuminiert Albus auch dieses Werk wie bereits ihre früheren Bücher mit graziös ausgeführten Aquarellen auf Pergament, wobei angesichts der hauchzarten Schmetterlingsflügel noch stärker auffällt, wie ungeheuer filigran ihre Technik ist und wie passend für diesen Stoff aus schierem Nichts: Wie durchscheinende gotische Buntglasfenster oder Edelsteinmosaike wirken die aufgespannten Flügel; ein Licht unbekannter Quelle scheint sie von hinten zu durchstrahlen. Die Pigmente der benutzten Wasserfarben und die zarten Höhungen mit Deckweiß erzeugen im Auge den Eindruck filigraner Schuppen, deren Bauwunder sie im Kapitel "Auf den Flügeln" über Seiten hinweg nachvollziehbar werden lässt.
Albus setzt mit Wasserfarben auf feiner Tierhaut dieselbe Technik ein wie Albrecht Dürer fünfhundert Jahre zuvor in seinen Schmetterlingsaquarellen. An einer Stelle verrät Albus, dass im besonders prächtigen Bild des "Pfauentrogon", auf dessen schwarzen Flügeln als Tarnung grüne Laubblätter zu liegen scheinen, volle drei Monate Arbeit stecken. Mit dem lichtschluckenden Elfenbeinschwarz, das tatsächlich aus dem verkohlten Kalziumapatit alter Stoßzahnreste besteht, mit Perlglanz-Naturpigmenten und geriebenen Halbedelsteinfarben ist keine synthetische Farbe, sondern pure Natur aufs Pergament gebracht worden. Oder in Albus' Worten "goldgekröntes Grün", denn es gilt, der Natur als größter Künstlerin sinnlich möglichst nahe zu kommen.
Es bedeutet daher das Gegenteil von ehrenrührig, wenn man ihre Illuminationen altmeisterlich nennt. Zumal sich bei genauem Hinsehen leicht erkennen lässt, dass die malerisch fixierten Falter von Albus durch die Moderne hindurchgegangen sind: Anders als fast alle früheren Schmetterlingsillustrationen weisen sie weder taxonomische Inschriften auf dem Hintergrund, noch Schatten auf; insbesondere in den Gliederungen der Körper und Flügel gibt es Stilisierungen wie beispielsweise bei den Blütenformen der großen modernen Künstlerin Georgia O'Keefe aus den zwanziger Jahren, wodurch bei Albus eine Art "Neue Sachlichkeit der Fauna" entsteht, die den autonomen Status und Kunstcharakter des Dargestellten noch betont.
So nimmt es nicht Wunder, dass Maria Sibylla Merian im Literaturverzeichnis nur mit ihrem wissenschaftlichen Opus magnum zur Verwandlung der Insekten Surinams, "Metamorphosis Insectorum Surinamensium", zitiert wird, der größte Schmetterlingssammler unter den modernen Literaten, Vladimir Nabokov, aber mit nicht weniger als sechs Werken. Von Nabokov wissen wir, dass er der Rhythmik und dem "Textus" der Flügelgliederungen in seinen schriftstellerischen Werken nachspürte, und auch bei Albus' von feinen schwarzen Bleiruten wie Notenlinien unterteilten Flügel-Farbglasfenstern stellt sich dieses Gefühl sehr häufig ein. Dennoch sieht Albus Nabokovs Parallelisierung des Schlüpfvorgangs in seinem erst postum veröffentlichten, zwischen Kafkas Samsa und Stevensons Dr. Jekyll & Mr. Hyde changierenden Essay "Einladung zu einer Verwandlung" durchaus nicht unkritisch. Gleich zu Beginn bringt sie die schwüle Beschreibung in direkte Nähe von dessen "Lolita"-Phantasien und weist dem Literatur-Lepidopterologen Fehler nach.
Auch widmet sie sich in "Sonnenfalter und Mondmotten", wie die Bipolarität des Titels bereits andeutet, nicht nur den heiteren Tagschmetterlingen, sondern ebenso den Kreaturen der Nacht, die nicht in gleichem Maß wie diese die Gunst der Menschen genießen. Seit jeher gibt es diesen holzschnittartigen Manichäismus der Tierwelt, der die tagaktiven Wesen der lichtvoll guten Seite zuschlägt, die Nachtaktiven hingegen der zwielichtigen. Den Motten in ihrer tragischen Sucht nach Licht, und sei es nur demjenigen des Mondes, gehört seit dem zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts immerhin die geneigte Zuwendung der Schwarzromantiker - Literaten wie Novalis, den Albus mit seiner Hommage an diese irrlichternden Bewohner der Blauen Stunde und der Dämmerung zwischen Alltag und Schlafnacht zitiert, und natürlich Bram Stoker mit seinem flattrigen Geschöpf Dracula. Aus der alten Aufteilung in Schwarz und Weiß, Tag und Nacht resultiert der wenig schmeichelhafte Vergleich etwa des Totenkopfschwärmers mit einer kleinen Fledermaus, da er dieser mit seinen zwölf Zentimetern Spannweite und seinem unheimlichen "Vampirtattoo" eines Totenschädels auf den Flügeln gleicht.
Jenseits aller künstlerischen Gestaltung sind aber auch Albus' sich immer weiter ins Kapillare verästelnde Texte eine Offenbarung für all jene, die ihre Freude an bisweilen auch abseitigen Wissensbeständen haben. Einem Schmetterling im dichten Urwald-Unterholz gleich, fliegt sie von Blüte zu Blüte und teilt mit ihren Lesern den Nektar, der im Mittelalter als Rahm gedacht wurde: Noch bis ins achtzehnte Jahrhundert hießen die Butterfliegen-Butterflies daher im Deutschen bündig nur "Schmettlinge", vom alten Wort für Schmand und Rahm. Auch weiß Albus, dass der bereits genannte Pfauentrogon der Quetzal der Azteken ist und Sex in der Luft hat.
Dass wir nun für die Zukunft ein neues, besonderes Synonym für das Wortfeld "abgerockt" und "verbraucht" besitzen, nämlich "abgeflogen" als Terminus für Schönheits- durch Flügelschuppenverlust, ist nur einer der vielen Lektüregewinne dieses Buchs.
Anita Albus: "Sonnenfalter und Mondmotten".
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2019. 240 S., Abb., geb., 48,- [Euro].
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Ein wunderschön altmodisch anmutendes Buch [...], ausgestattet mit vielen historischen Zeichnungen und Gemälden der Autorin und Künstlerin. Uta Altmann Bild der Wissenschaft 20200317