Was macht Roboter sozial? Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage besuchte Andreas Bischof Forschungslabors und Konferenzen in Europa und Nordamerika: In der Zukunft sollen Roboter die Fabrikhallen verlassen und Teil von Alltagswelten wie Krankenhäusern, Kindergärten und Privatwohnungen werden. Die Konstrukteur_innen der zahlreichen Forschungsprojekte hierzu stehen vor der Herausforderung, die Ambivalenzen und Kontingenzen alltäglicher Interaktionen in die diskrete Sprache der Maschinen zu übersetzen. Die ethnografische Studie zeichnet nach, welche Forschungsziele in der Sozialrobotik vorherrschen und welche Implikationen die jeweiligen epistemischen Praktiken der Ingenieur_innen für die Konstruktion von Sozialrobotern haben.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2017Die Beziehung könnte an der Treppe enden
Künftig sollen wir den Alltag mit sozialen Robotern teilen. Andreas Bischof hat sich umgesehen, was da auf uns zukommt.
Die Roboter der Zukunft, denen wir auf der Straße begegnen, die uns zu Hause und am Arbeitsplatz unterstützen sollen, müssen andere Anforderungen erfüllen als die vor den Fließbändern festgeschraubten Arbeitsknechte. Sie müssen ungefährlich, sympathisch und vertrauenerweckend sein. Sie müssen im richtigen Winkel auf uns zukommen, im richtigen Abstand anhalten, uns im passenden Tonfall ansprechen, am besten keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können, ihren Blick ähnlich lenken wie ein Mensch und vieles andere mehr. Weil dies nicht gerade die Probleme sind, für die Ingenieure, die Roboter bauen, ausgebildet sind, entwickelt sich seit einigen Jahre ein interdisziplinäres Feld namens Social Robotics. Der Kulturwissenschaftler Andreas Bischof übersetzt dies in seinem Buch als Sozialrobotik, was durchaus griffiger ist als das sonst gängige "soziale Robotik".
Nach bester Ethnologenart hat er in teilnehmender Beobachtung verschiedene Teams, die an solchen Robotern arbeiten, in Europa und den Vereinigten Staaten begleitet, hat Feldtagebücher geschrieben und Experteninterviews geführt und, wie er berichtet, auch die eigene Expertise ein wenig in die Arbeit der Beforschten einbringen können.
Dabei ist er zu einem sehr realistischen Bild einer Disziplin gekommen, in der hemdsärmlig und pragmatisch verfahren wird und es als ausgemacht gilt, dass wir in der Zukunft von Robotern umgeben sein werden. In zwei Dritteln der Labors, die er besuchte, habe er Plakate oder andere Devotionalien von Science-Fiction-Filmen gesehen, zudem hätten sich die Forscher immer wieder auf diese Zukunftsgeschichten berufen, um ihre Motivation zu formulieren, berichtet der Autor.
Als wichtigste Entwicklung konstatiert Bischof, dass die Techniker sich, wenn sie nicht mehr weiter wissen, ohne Berührungsängste Hilfe bei Künstlern, Sprachwissenschaftlern, Psychologen und Ethnologen holen. Wobei sie allerdings meist die Erfahrung machen müssen, dass die Theorien dieser Disziplinen über die Kognition von Menschen und ihrer Interaktionen viel zu abstrakt sind und stark vereinfacht werden müssen, um sie für den Bau sozialer Roboter fruchtbar zu machen. Der Autor konstatiert denn auch prompt eine "konzeptuelle Schwäche" und eine "methodologische Unterbestimmtheit" der Disziplin, die weder Naturwissenschaft noch Technik sei, sondern an einer nicht besonders klar umrissenen Problemstellung arbeite, einem "wicked problem". Ihr Vorgehen lässt sich nacherzählen, aber schwerlich in soziologische Kategorien pressen.
Bischof skizziert die Geschichte der Robotik, die ganz unterschiedlichen Hoffnungen, die sich an diese Universalwerkzeuge knüpfen, vom Gefährten des Alters bis zum Produkt, das die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärkt. Bislang allerdings liefere die Sozialrobotik eher Versprechen auf Problemlösungen als tatsächliche Lösungen. Die viel diskutierte Revolution der Roboter verweist er denn auch gleich zu Beginn ins Reich der Träume: sie würde an Treppenstufen, Akkulaufzeiten und abgerissenen Datenverbindungen scheitern. In der Tat, Robotik besteht, wie Bischof es auf den Punkt bringt, darin, die Maschinen zum Funktionieren zu bringen, und das bedeutet Stunde um Stunde vor dem Gerät auf dem Boden zu hocken, den Laptop auf den Knien, und es wieder und wieder zu versuchen. Diese Berichte aus der Praxis machen Bischofs Buch lesenswert. Doch er füllt auch viele Seiten damit, seinen methodischen Zugriff zu rechtfertigen und Literatur aufzuarbeiten. Darin erfährt der Leser wenig über Sozialrobotik, aber viel über die Zwänge, unter denen ein Kulturwissenschaftler steht, der seine Dissertation schreibt.
Auch die Sozialrobotik hat der Autor freilich nicht nur als Spielwiese erlebt, sondern als Forschungslandschaft, die geprägt ist von befristet beschäftigten Projektmitarbeitern, die möglichst schnell möglichst viel publizieren und zwischendurch die nächsten Anträge für Fördermittel verfassen müssen. Das Hemdsärmelige der Robotiker mag man sympathisch finden, doch Bischof wirft zu Recht die Frage auf, ob denn die Gestaltung der Roboter, die einmal mit uns leben sollen, einem solchen Pragmatismus überlassen bleiben kann. Wenn Aufgaben in technisch handhabbare Teile zerlegt werden, könnte das Soziale an der Sozialrobotik zu einem Optimierungsproblem verkümmern.
Jedenfalls bietet Bischofs Buch einen so realistischen wie reflektierten Blick hinter die Kulissen einer jungen Disziplin im Spannungsfeld vieler, zu ei-nem großen Teil überzogener Erwartungen.
MANUELA LENZEN
Andreas Bischof: "Soziale Maschinen bauen". Epistemische Praktiken der Sozialrobotik.
Transcript Verlag, Bielefeld 2017.
302 S., br., 39,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Künftig sollen wir den Alltag mit sozialen Robotern teilen. Andreas Bischof hat sich umgesehen, was da auf uns zukommt.
Die Roboter der Zukunft, denen wir auf der Straße begegnen, die uns zu Hause und am Arbeitsplatz unterstützen sollen, müssen andere Anforderungen erfüllen als die vor den Fließbändern festgeschraubten Arbeitsknechte. Sie müssen ungefährlich, sympathisch und vertrauenerweckend sein. Sie müssen im richtigen Winkel auf uns zukommen, im richtigen Abstand anhalten, uns im passenden Tonfall ansprechen, am besten keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können, ihren Blick ähnlich lenken wie ein Mensch und vieles andere mehr. Weil dies nicht gerade die Probleme sind, für die Ingenieure, die Roboter bauen, ausgebildet sind, entwickelt sich seit einigen Jahre ein interdisziplinäres Feld namens Social Robotics. Der Kulturwissenschaftler Andreas Bischof übersetzt dies in seinem Buch als Sozialrobotik, was durchaus griffiger ist als das sonst gängige "soziale Robotik".
Nach bester Ethnologenart hat er in teilnehmender Beobachtung verschiedene Teams, die an solchen Robotern arbeiten, in Europa und den Vereinigten Staaten begleitet, hat Feldtagebücher geschrieben und Experteninterviews geführt und, wie er berichtet, auch die eigene Expertise ein wenig in die Arbeit der Beforschten einbringen können.
Dabei ist er zu einem sehr realistischen Bild einer Disziplin gekommen, in der hemdsärmlig und pragmatisch verfahren wird und es als ausgemacht gilt, dass wir in der Zukunft von Robotern umgeben sein werden. In zwei Dritteln der Labors, die er besuchte, habe er Plakate oder andere Devotionalien von Science-Fiction-Filmen gesehen, zudem hätten sich die Forscher immer wieder auf diese Zukunftsgeschichten berufen, um ihre Motivation zu formulieren, berichtet der Autor.
Als wichtigste Entwicklung konstatiert Bischof, dass die Techniker sich, wenn sie nicht mehr weiter wissen, ohne Berührungsängste Hilfe bei Künstlern, Sprachwissenschaftlern, Psychologen und Ethnologen holen. Wobei sie allerdings meist die Erfahrung machen müssen, dass die Theorien dieser Disziplinen über die Kognition von Menschen und ihrer Interaktionen viel zu abstrakt sind und stark vereinfacht werden müssen, um sie für den Bau sozialer Roboter fruchtbar zu machen. Der Autor konstatiert denn auch prompt eine "konzeptuelle Schwäche" und eine "methodologische Unterbestimmtheit" der Disziplin, die weder Naturwissenschaft noch Technik sei, sondern an einer nicht besonders klar umrissenen Problemstellung arbeite, einem "wicked problem". Ihr Vorgehen lässt sich nacherzählen, aber schwerlich in soziologische Kategorien pressen.
Bischof skizziert die Geschichte der Robotik, die ganz unterschiedlichen Hoffnungen, die sich an diese Universalwerkzeuge knüpfen, vom Gefährten des Alters bis zum Produkt, das die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärkt. Bislang allerdings liefere die Sozialrobotik eher Versprechen auf Problemlösungen als tatsächliche Lösungen. Die viel diskutierte Revolution der Roboter verweist er denn auch gleich zu Beginn ins Reich der Träume: sie würde an Treppenstufen, Akkulaufzeiten und abgerissenen Datenverbindungen scheitern. In der Tat, Robotik besteht, wie Bischof es auf den Punkt bringt, darin, die Maschinen zum Funktionieren zu bringen, und das bedeutet Stunde um Stunde vor dem Gerät auf dem Boden zu hocken, den Laptop auf den Knien, und es wieder und wieder zu versuchen. Diese Berichte aus der Praxis machen Bischofs Buch lesenswert. Doch er füllt auch viele Seiten damit, seinen methodischen Zugriff zu rechtfertigen und Literatur aufzuarbeiten. Darin erfährt der Leser wenig über Sozialrobotik, aber viel über die Zwänge, unter denen ein Kulturwissenschaftler steht, der seine Dissertation schreibt.
Auch die Sozialrobotik hat der Autor freilich nicht nur als Spielwiese erlebt, sondern als Forschungslandschaft, die geprägt ist von befristet beschäftigten Projektmitarbeitern, die möglichst schnell möglichst viel publizieren und zwischendurch die nächsten Anträge für Fördermittel verfassen müssen. Das Hemdsärmelige der Robotiker mag man sympathisch finden, doch Bischof wirft zu Recht die Frage auf, ob denn die Gestaltung der Roboter, die einmal mit uns leben sollen, einem solchen Pragmatismus überlassen bleiben kann. Wenn Aufgaben in technisch handhabbare Teile zerlegt werden, könnte das Soziale an der Sozialrobotik zu einem Optimierungsproblem verkümmern.
Jedenfalls bietet Bischofs Buch einen so realistischen wie reflektierten Blick hinter die Kulissen einer jungen Disziplin im Spannungsfeld vieler, zu ei-nem großen Teil überzogener Erwartungen.
MANUELA LENZEN
Andreas Bischof: "Soziale Maschinen bauen". Epistemische Praktiken der Sozialrobotik.
Transcript Verlag, Bielefeld 2017.
302 S., br., 39,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Das Verdienst von Bischofs Buch ist, dass es die grundsätzliche Frage stellt, wie es zu einem sozialen Roboter überhaupt kommt. Es lohnt, darüber nachzudenken.«
proZukunft, 1 (2019) 20181206
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