Spekulationsblasen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Finanzmärkte. Die erste bedeutende und dokumentierte Blase entstand im 16. Jahrhundert in Holland als weit bekannte Tulpenmanie. Weitere sollten in den nächsten Jahrhunderten folgen. Doch wie entstehen diese zumeist euphorischen und schlussendlich panikartigen Marktentwicklungen? Und wie konnte es immer wieder passieren, dass diese von Börsenprofis nicht rechtzeitig erkannt wurden? In diesem E-Book stehen die Spekulationsblasen als Anzeichen für wiederkehrende und anhaltende Marktanomalien im Fokus der Betrachtung. Rolf J. Daxhammer und Máté Facsar erklären im ersten Teil die Entstehung und Ursachen für die Bildung von Spekulationsblasen sowie die unterschiedlichen Phasen und Arten. Dabei ist es ihnen besonders wichtig aufzuzeigen, dass diese sowohl positive als auch negative Effekte auf die Volkswirtschaften haben. Anschließend stellen die Autoren die wichtigsten Spekulationsblasen, beginnend mit der Tulpenmanie über die Südseeblase bis hin zur aktuellen Immobilienblase in den USA, vor. Der Leser ist somit in der Lage typische Eigenschaften der Kapitalmärkte zu verstehen und die Entwicklung historischer Spekulationsblasen auf Basis des Fünf-Phasen-Modells zu erklären und dieses anzuwenden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2017Euphorie und Panik
Ein Buch über Spekulationsblasen
Als bekannteste und früheste dokumentierte Spekulationsblase gilt die Tulpenmanie aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande. Tulpen waren damals neue, exotische Raritäten. In den Gärten der Oberschicht und schließlich auch in der breiteren Bevölkerung wurden die Fremdlinge aus der Türkei als Statussymbol begeistert kultiviert. Ihr Angebot war jedoch begrenzt. Bei stetig steigender Nachfrage kam es zur Preisexplosion für begehrte Sorten. Der Spitzenpreis für besondere Exemplare stieg schließlich auf 10 000 Gulden, das Vierzigfache des Jahresverdiensts eines Handwerkers.
Im Februar 1637 brach der Markt abrupt ein. Am gewinnträchtigen Handel für die kostbaren Gewächse waren zu diesem Zeitpunkt viele Niederländer bis in die untersten Sozialschichten beteiligt. Nicht reale Tulpenzwiebeln wurden dabei ver- und gekauft, sondern die oftmals kreditfinanzierte Option auf bestimmte zukünftige Tulpen. Der rasche Preisverfall habe zum Ruin vieler Leute geführt und der Wirtschaft schwere Schäden zugefügt, heißt es.
Die niederländische Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts dient seitdem als Paradebeispiel für irrationales, riskantes Marktgeschehen und fehlgeleitete Finanzentwicklungen. Ähnlich extreme Preisbewegungen zeigten sich später in der Mississippi- und in der Südsee-Blase oder in der deutschen Gründerzeit-Krise. In unmittelbarer Erinnerung sind auch die Dotcom-Blase nach der Jahrtausendwende und sieben Jahre später das amerikanische Immobiliendebakel. Die sogenannte Subprimekrise löste einen Bankenkrach aus, der weltweit Turbulenzen an den immer stärker vernetzten Finanzmärkten verursachte und die reale Wirtschaft der meisten Industrienationen negativ beeinflusste.
Wegen ihrer Ansteckungsgefahr werden Spekulationsblasen als Bedrohung für das gesamte Wirtschaftsgefüge angesehen. Allerdings ist man sich über die Ursachen für das euphorische Entstehen und das panikartige Platzen solcher Blasen noch längst nicht einig. Niemand könne mit Sicherheit Blasen erkennen, sagt selbst der amerikanische Ex-Notenbankpräsident Alan Greenspan. Er sieht sie als Folge der unveränderlichen menschlichen Natur.
In einer überarbeiteten Ausgabe ihres Buches befassen sich Rolf J. Daxhammer und Máté Facsar mit den Turbulenzen am Finanzmarkt. Die Autoren sind Experten auf dem Gebiet verhaltensorientierter Finanzmarktforschung. Ihr Buch richtet sich vor allem an Studierende und Praktiker. Im ersten Teil summieren die Verfasser bisherige Erkenntnisse zur Entstehung und zu den Ursachen von Spekulationsblasen sowie zu deren unterschiedlichen Arten und Erscheinungsformen. Sie zeigen, dass sich Spekulationsblasen prinzipiell für alle Vermögensgegenstände bilden können, die an Märkten gehandelt werden. Sie sehen einen gemeinsamen Nenner: "Trotz einzelner Unterschiede lassen sich die Blasen im Rückblick oft durch identifizierbare Phasen kennzeichnen, die während einer Spekulationsblase durchlaufen werden." Jede Blase tendiere zu fünf charakteristischen zeitlichen Abschnitten. Sinnvoll sei daher das Fünf-Phasen-Modell der Ökonomen Charles Kindleberger und Hyman Minsky, das den zeitlichen Verlauf von Spekulationsblasen idealtypisch gliedert. Mit diesem Modell geben Daxhammer und Fiscar dem Leser ein Instrument in die Hand, typische Eigenschaften der Kapitalmärkte und damit die Anatomie auch exzessiver Marktbewegungen zu verstehen. Im zweiten Teil ihres Buches ist Gelegenheit, die praktische Relevanz des Modells zu überprüfen. Dort kann der Leser die fünf Phasen anhand historischer und aktueller Spekulationsblasen konkret anwenden und durchdeklinieren.
Die negativen Effekte von Spekulationsblasen werden auch in der vorliegenden Betrachtung nicht geleugnet. Schädlich scheint vor allem, dass in solchen Episoden die Preise ihre Informationsfunktion einbüßen. Auf effizienten Märkten werden jedoch Preise als wichtiges Signal benötigt, um eine bestmögliche Allokation der Ressourcen zu gewährleisten und knappe Mittel wie Rohstoffe, Kapital und Arbeit zur Produktion von Gütern sinnvoll zuzuordnen. Bei fehlender Preisinformation könne es zu Fehlentscheidungen und Fehlsteuerungen auch seitens der Notenbanken kommen, was sich wiederum negativ auf die Stabilität des Finanzsystems auswirken könne. Extreme Korrekturen der Preise am Ende der Blase bewirkten im Übrigen einen Verlust an Kaufkraft, der zu Produktionsrückgängen, Arbeitslosigkeit und Insolvenzen sowie zu Kreditausfällen und erschwerter Kreditvergabe führen könne. Eine solche Spirale sich verstärkender Negativimpulse verursache einen nachhaltigen Vertrauensverlust der Marktteilnehmer. Vor allem der Glaube der Gesellschaft an die Integrität der Finanzmärkte komme abhanden: "Investitions- und Konsumtätigkeiten nehmen merklich ab."
Unstrittig scheint aber auch, dass aus Spekulationsblasen positive Effekte resultieren können. So werde bei immer weiter steigenden Vermögenspreisen möglicherweise das Vertrauen in den Markt gestärkt: "Dadurch können junge Unternehmen leichter an die Börse gebracht werden beziehungsweise Fremdkapital beschaffen, und sie bekommen einfacher Venture Capital, was oft die Entstehung neuer Technologien und Branchen erleichtert. Im Weiteren führen Unternehmensneugründungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen." Als Beispiel für eine Spekulationsblase mit positivem Nettoeffekt nennt das Buch die Dotcom-Bubble, die zwar viel Kapital vernichtete, aber auch zahlreiche Arbeitsplätze in einer innovativen Industrie geschaffen habe.
Sogar die legendäre Tulpenmanie scheint im Nachhinein Positives bewirkt zu haben. Zwar habe sich in Amsterdam zwischen 1635 und 1637 die Zahl der Pleiten verdoppelt. Doch sei festzuhalten, "dass die Tulpenmanie trotz ihrer zunächst zerstörerischen Wirkung auch langfristig konstruktive Züge offenbarte: Holland gilt immer noch als das Land der Tulpen mit jährlich rund 2 Milliarden Tulpen."
ULLA FÖLSING
Rolf J. Daxhammer & Máté Facsar: Spekulationsblasen. UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz und München 2017, 170 Seiten, 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Buch über Spekulationsblasen
Als bekannteste und früheste dokumentierte Spekulationsblase gilt die Tulpenmanie aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande. Tulpen waren damals neue, exotische Raritäten. In den Gärten der Oberschicht und schließlich auch in der breiteren Bevölkerung wurden die Fremdlinge aus der Türkei als Statussymbol begeistert kultiviert. Ihr Angebot war jedoch begrenzt. Bei stetig steigender Nachfrage kam es zur Preisexplosion für begehrte Sorten. Der Spitzenpreis für besondere Exemplare stieg schließlich auf 10 000 Gulden, das Vierzigfache des Jahresverdiensts eines Handwerkers.
Im Februar 1637 brach der Markt abrupt ein. Am gewinnträchtigen Handel für die kostbaren Gewächse waren zu diesem Zeitpunkt viele Niederländer bis in die untersten Sozialschichten beteiligt. Nicht reale Tulpenzwiebeln wurden dabei ver- und gekauft, sondern die oftmals kreditfinanzierte Option auf bestimmte zukünftige Tulpen. Der rasche Preisverfall habe zum Ruin vieler Leute geführt und der Wirtschaft schwere Schäden zugefügt, heißt es.
Die niederländische Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts dient seitdem als Paradebeispiel für irrationales, riskantes Marktgeschehen und fehlgeleitete Finanzentwicklungen. Ähnlich extreme Preisbewegungen zeigten sich später in der Mississippi- und in der Südsee-Blase oder in der deutschen Gründerzeit-Krise. In unmittelbarer Erinnerung sind auch die Dotcom-Blase nach der Jahrtausendwende und sieben Jahre später das amerikanische Immobiliendebakel. Die sogenannte Subprimekrise löste einen Bankenkrach aus, der weltweit Turbulenzen an den immer stärker vernetzten Finanzmärkten verursachte und die reale Wirtschaft der meisten Industrienationen negativ beeinflusste.
Wegen ihrer Ansteckungsgefahr werden Spekulationsblasen als Bedrohung für das gesamte Wirtschaftsgefüge angesehen. Allerdings ist man sich über die Ursachen für das euphorische Entstehen und das panikartige Platzen solcher Blasen noch längst nicht einig. Niemand könne mit Sicherheit Blasen erkennen, sagt selbst der amerikanische Ex-Notenbankpräsident Alan Greenspan. Er sieht sie als Folge der unveränderlichen menschlichen Natur.
In einer überarbeiteten Ausgabe ihres Buches befassen sich Rolf J. Daxhammer und Máté Facsar mit den Turbulenzen am Finanzmarkt. Die Autoren sind Experten auf dem Gebiet verhaltensorientierter Finanzmarktforschung. Ihr Buch richtet sich vor allem an Studierende und Praktiker. Im ersten Teil summieren die Verfasser bisherige Erkenntnisse zur Entstehung und zu den Ursachen von Spekulationsblasen sowie zu deren unterschiedlichen Arten und Erscheinungsformen. Sie zeigen, dass sich Spekulationsblasen prinzipiell für alle Vermögensgegenstände bilden können, die an Märkten gehandelt werden. Sie sehen einen gemeinsamen Nenner: "Trotz einzelner Unterschiede lassen sich die Blasen im Rückblick oft durch identifizierbare Phasen kennzeichnen, die während einer Spekulationsblase durchlaufen werden." Jede Blase tendiere zu fünf charakteristischen zeitlichen Abschnitten. Sinnvoll sei daher das Fünf-Phasen-Modell der Ökonomen Charles Kindleberger und Hyman Minsky, das den zeitlichen Verlauf von Spekulationsblasen idealtypisch gliedert. Mit diesem Modell geben Daxhammer und Fiscar dem Leser ein Instrument in die Hand, typische Eigenschaften der Kapitalmärkte und damit die Anatomie auch exzessiver Marktbewegungen zu verstehen. Im zweiten Teil ihres Buches ist Gelegenheit, die praktische Relevanz des Modells zu überprüfen. Dort kann der Leser die fünf Phasen anhand historischer und aktueller Spekulationsblasen konkret anwenden und durchdeklinieren.
Die negativen Effekte von Spekulationsblasen werden auch in der vorliegenden Betrachtung nicht geleugnet. Schädlich scheint vor allem, dass in solchen Episoden die Preise ihre Informationsfunktion einbüßen. Auf effizienten Märkten werden jedoch Preise als wichtiges Signal benötigt, um eine bestmögliche Allokation der Ressourcen zu gewährleisten und knappe Mittel wie Rohstoffe, Kapital und Arbeit zur Produktion von Gütern sinnvoll zuzuordnen. Bei fehlender Preisinformation könne es zu Fehlentscheidungen und Fehlsteuerungen auch seitens der Notenbanken kommen, was sich wiederum negativ auf die Stabilität des Finanzsystems auswirken könne. Extreme Korrekturen der Preise am Ende der Blase bewirkten im Übrigen einen Verlust an Kaufkraft, der zu Produktionsrückgängen, Arbeitslosigkeit und Insolvenzen sowie zu Kreditausfällen und erschwerter Kreditvergabe führen könne. Eine solche Spirale sich verstärkender Negativimpulse verursache einen nachhaltigen Vertrauensverlust der Marktteilnehmer. Vor allem der Glaube der Gesellschaft an die Integrität der Finanzmärkte komme abhanden: "Investitions- und Konsumtätigkeiten nehmen merklich ab."
Unstrittig scheint aber auch, dass aus Spekulationsblasen positive Effekte resultieren können. So werde bei immer weiter steigenden Vermögenspreisen möglicherweise das Vertrauen in den Markt gestärkt: "Dadurch können junge Unternehmen leichter an die Börse gebracht werden beziehungsweise Fremdkapital beschaffen, und sie bekommen einfacher Venture Capital, was oft die Entstehung neuer Technologien und Branchen erleichtert. Im Weiteren führen Unternehmensneugründungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen." Als Beispiel für eine Spekulationsblase mit positivem Nettoeffekt nennt das Buch die Dotcom-Bubble, die zwar viel Kapital vernichtete, aber auch zahlreiche Arbeitsplätze in einer innovativen Industrie geschaffen habe.
Sogar die legendäre Tulpenmanie scheint im Nachhinein Positives bewirkt zu haben. Zwar habe sich in Amsterdam zwischen 1635 und 1637 die Zahl der Pleiten verdoppelt. Doch sei festzuhalten, "dass die Tulpenmanie trotz ihrer zunächst zerstörerischen Wirkung auch langfristig konstruktive Züge offenbarte: Holland gilt immer noch als das Land der Tulpen mit jährlich rund 2 Milliarden Tulpen."
ULLA FÖLSING
Rolf J. Daxhammer & Máté Facsar: Spekulationsblasen. UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz und München 2017, 170 Seiten, 24,99 Euro
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