"Football Dreams" hieß das größte Scoutingprojekt der Geschichte, initiert vom Scheichtum Katar. Jahrelang wurden in Afrika Millionen jugendlicher Fußballer getestet, mit dem Ziel, die größten Talente nach Europa zu bringen und dort zu Profis zu formen. Sebastian Abbot hat dieses System kritisch unter die Lupe genommen und drei afrikanische Jungs auf ihrem Weg vom heimischen Sportplatz über eine Akademie in Katar bis nach Europa begleitet. Ein erhellendes Schlaglicht auf die zwielichtige Welt des internationalen Talentscoutings im Milliardengeschäft Fußball.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.05.2020Aufgebaut
auf Träumen
„Spiel des Lebens“ schildert die
Ausbeutung afrikanischer Talente
Drei Jungs aus Afrika, aus verschiedenen Regionen stammend, auf verschiedenen Positionen des Spielfeldes zu Hause, aber alle mit dem gleichen Ziel: es zu einem der großen Fußballklubs in Europa zu schaffen. Die drei Teenager sind die Protagonisten des amerikanischen Journalisten Sebastian Abbot im „Spiel des Lebens“, in dem er Aufstieg und Fall eines ambitionierten Scouting-Projekts schildert.
Es geht um das Unternehmen „Football Dreams“, 2007 vom Spanier Josep Colomer ins Leben gerufen. Der wollte damals im großen Stil in Afrika Fußballtalente suchen, finden, fördern. Der Kontinent hatte zwar schon berühmte Fußballer hervorgebracht, aber eher zufällig. Colomer versuchte, System und Struktur in die Sache zu bringen, und das arabische Emirat Katar unterstützte ihn dabei zunächst großzügig. Abbot erzählt von den Träumen der Jungs, eine große Karriere zu starten; von den Träumen der Scouts, den nächsten Lionel Messi zu entdecken; den Träumen der Trainer, den kommenden Superstar zu formen; den Träumen der Agenten und Berater, mit dem nächsten Transfer das große Geld zu machen. Am Ende wird die Erkenntnis stehen: „Eine Branche, die auf Träumen aufgebaut ist, macht die allermeisten dieser Träume zunichte.“
Abbot hat einige Jahre recherchiert, er hat mit Beteiligten gesprochen und Studien ausgewertet über die (In-)Effektivität von Talentsichtung. Der Autor schreibt manchmal redundant, manchmal langatmig, trotz allem verschafft er den Lesern einen seltenen, tiefen Einblick in die Maschinerie des Sportgeschäfts, in Lug und Trug – dankenswerterweise ohne groß zu moralisieren. Der Neokolonialismus, der bei diesem Projekt betrieben wird, kommt trotzdem zum Vorschein. Auch im Fußball ist Afrika halt nur ein Rohstofflieferant. Und so wie die jungen Männer im Laufe der Jahre von einem Kontinent auf den anderen verfrachtet werden, kann man sich dem Bild von Ausbeutung und modernem Sklavenhandel nicht entziehen.
Von den drei Jungs, die zu Beginn vorgestellt werden, wird einer tatsächlich vom FC Barcelona engagiert – für die zweite Mannschaft. Einer wird in Norwegens zweiter Liga stranden. Und der dritte, den am Anfang alle mit Lionel Messi vergleichen, wird es nirgendwohin schaffen. So desillusionierend das ist: „Der Nachschub an Träumern“, resümiert Abbot, „wird dennoch nicht versiegen.“
JOACHIM MÖLTER
Sebastian Abbot: Spiel des Lebens. Auf der Suche nach den größten Fußballtalenten Afrikas. Edel Books. 2020. 18,95 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
auf Träumen
„Spiel des Lebens“ schildert die
Ausbeutung afrikanischer Talente
Drei Jungs aus Afrika, aus verschiedenen Regionen stammend, auf verschiedenen Positionen des Spielfeldes zu Hause, aber alle mit dem gleichen Ziel: es zu einem der großen Fußballklubs in Europa zu schaffen. Die drei Teenager sind die Protagonisten des amerikanischen Journalisten Sebastian Abbot im „Spiel des Lebens“, in dem er Aufstieg und Fall eines ambitionierten Scouting-Projekts schildert.
Es geht um das Unternehmen „Football Dreams“, 2007 vom Spanier Josep Colomer ins Leben gerufen. Der wollte damals im großen Stil in Afrika Fußballtalente suchen, finden, fördern. Der Kontinent hatte zwar schon berühmte Fußballer hervorgebracht, aber eher zufällig. Colomer versuchte, System und Struktur in die Sache zu bringen, und das arabische Emirat Katar unterstützte ihn dabei zunächst großzügig. Abbot erzählt von den Träumen der Jungs, eine große Karriere zu starten; von den Träumen der Scouts, den nächsten Lionel Messi zu entdecken; den Träumen der Trainer, den kommenden Superstar zu formen; den Träumen der Agenten und Berater, mit dem nächsten Transfer das große Geld zu machen. Am Ende wird die Erkenntnis stehen: „Eine Branche, die auf Träumen aufgebaut ist, macht die allermeisten dieser Träume zunichte.“
Abbot hat einige Jahre recherchiert, er hat mit Beteiligten gesprochen und Studien ausgewertet über die (In-)Effektivität von Talentsichtung. Der Autor schreibt manchmal redundant, manchmal langatmig, trotz allem verschafft er den Lesern einen seltenen, tiefen Einblick in die Maschinerie des Sportgeschäfts, in Lug und Trug – dankenswerterweise ohne groß zu moralisieren. Der Neokolonialismus, der bei diesem Projekt betrieben wird, kommt trotzdem zum Vorschein. Auch im Fußball ist Afrika halt nur ein Rohstofflieferant. Und so wie die jungen Männer im Laufe der Jahre von einem Kontinent auf den anderen verfrachtet werden, kann man sich dem Bild von Ausbeutung und modernem Sklavenhandel nicht entziehen.
Von den drei Jungs, die zu Beginn vorgestellt werden, wird einer tatsächlich vom FC Barcelona engagiert – für die zweite Mannschaft. Einer wird in Norwegens zweiter Liga stranden. Und der dritte, den am Anfang alle mit Lionel Messi vergleichen, wird es nirgendwohin schaffen. So desillusionierend das ist: „Der Nachschub an Träumern“, resümiert Abbot, „wird dennoch nicht versiegen.“
JOACHIM MÖLTER
Sebastian Abbot: Spiel des Lebens. Auf der Suche nach den größten Fußballtalenten Afrikas. Edel Books. 2020. 18,95 Euro.
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"'Spiel des Lebens' ist eine kritische und kluge Langzeitreportage über das Geschäft mit den Träumen von jungen Spielern." 11 Freunde 20200520