Fußball, der von den dahinterstehenden Institutionen so gern als völkerverbindend und dessen Geschichte als die eines friedlichen kulturellen Austauschs dargestellt wird, ist schon immer mit rassistischem Denken verbunden, das sich nicht auf rechte Hools reduzieren lässt. Er ist Machtmittel,
spiegelt gesellschaftliche Einstellungen und ist gleichzeitig ein Ort, an dem sich politischer Widerstand…mehrFußball, der von den dahinterstehenden Institutionen so gern als völkerverbindend und dessen Geschichte als die eines friedlichen kulturellen Austauschs dargestellt wird, ist schon immer mit rassistischem Denken verbunden, das sich nicht auf rechte Hools reduzieren lässt. Er ist Machtmittel, spiegelt gesellschaftliche Einstellungen und ist gleichzeitig ein Ort, an dem sich politischer Widerstand formt.
Der Journalist Ronny Blaschke hat sich für sein Buch in ehemalige Kolonialmächte sowie ehemals kolonisierte Länder begeben und recherchiert, wie Fußball die jeweiligen Länder geprägt hat. Über den Titel mag man zunächst stolpern, aber er ist äußerst passend. Denn wie sonst als mit weißen Überlegenheitsideen lässt sich erklären, dass einige ehemals kolonisierte Länder nicht nur in Südamerika bis heute oft Fußballteams haben, deren Mitglieder der jeweils herrschenden, hellhäutigen Elite angehör(t)en? Dass einheimische Fußballclubs oft noch immer unbeliebter sind als bspw. die portugiesische Liga? Dass Schwarze Spieler nicht nur offen rassistische Anfeindungen ertragen müssen, sondern auch hinsichtlich ihrer Spieltaktik Stereotypen ausgesetzt sind (angeblich viel in den Beinen, weniger im Kopf)? Auch die "Schande von Gijón" 1982, bei der das algerische Team aus der WM herausgeklüngelt wurde, zeigt, dass sportliche Fairness endet, wo Rassismus beginnt.
Egal, wie rassismuskritisch sich Verbände geben: Ernsthafte Antirassismusarbeit, das verdeutlichen Blaschkes Gespräche mit Engagierten, wird oft eher behindert als gefördert.
Trotzdem hat Fußball ein herrschaftskrtisches Potential, nicht nur ausgehend von linken Ultras. So kann die Erinnerung an einen fußballerischen Sieg über Angehörige der ehemaligen Kolonialmacht in die antikoloniale Geschichtsschreibung eingehen wie in Indien. Und dass indigene Gruppen immer wieder erfolgreich darin sind, dass sich Fußballteams umbenennen und die Aneignung indigener Bezeichnungen wie "Chiefs" ablegen, ist zumindest ein Hoffnungsschimmer.
All diese Themen (und einige mehr) behandelt Blaschke in seiner Recherche. "Spielfeld der Herrenmenschen" gliedert sich in einzelne Kapitel, in denen meist jeweils ein Land im Fokus steht. Dort hat Blaschke Funktionäre und Aktivisten getroffen und historische Fotos mitgebracht.
Dass er dabei überwiegend mit Männern gesprochen hat, ist nicht Blaschke anzulasten, denn die noch immer sehr geringe Unterstützung weiblicher Teams bleibt ein reales Problem.
Was das Buch darüber hinaus lesenswert macht, ist, dass Blaschke Fachliteratur aus den jeweiligen Ländern mit einbezieht. Dadurch fundiert er seine eigene Recherche, bietet aber gerade auch denjenigen, die zur Forschung eher wenig Zugang haben, eine großartige Übersicht über die Literatur, die sich zu vertiefen lohnt. Und wer sich für Politik und Rassismus interessiert, wird das Buch vermutlich auch dann mit großem Interesse lesen, wenn sie*er nicht der größte Fußballfan ist. So ging es jedenfalls mir. Und deshalb möchte ich das Buch gerade auch denen empfehlen, die Fußball als System von Institutionen und als Ort der Korruption eher kritisch gegenüberstehen - während ich es gleichzeitig großartig finde, dass dieses Buch im Januar 2024 nicht in einem Sachbuch- sondern in einem der großen deutschsprachigen Fußballverlage erschienen ist, dem Werkstatt Verlag. Ich wünsche dem Buch definitiv viele Leser*innen, denn es ist relevant und gut geschrieben.