Salman Rushdie erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 »für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert.« (Aus der Begründung der Jury)
Leben und Schreiben, Wirklichkeit und Fantasie sind bei kaum einem Autor so eng, so schicksalhaft miteinander verknüpft wie bei Salman Rushdie. Ob in seinem Weltbestseller »Mitternachtskinder«, in seinem jüngsten, hochgelobten Roman »Quichotte« oder in den vielzähligen Essays, die er über die Jahre vorgelegt hat – in jeder Zeile steckt er selbst: seine Suche nach einer allgemeingültigen Sprache, sein Glaube an die Kraft des Erzählens, seine Erfahrung als Verfolgter und Emigrant und damit verbunden seine radikale Absage an Unterdrückung und Diskriminierung. Das zeigen alle seine Werke eindrücklich. Klug und differenziert beleuchtet Rushdie in seinen Essays, Glossen und Reden die aktuelle Weltpolitik von Osama bin Laden bis Donald Trump, gibt Einblick in seine Ideenwelt und sein künstlerisches Schaffen. Gerade in seinen brillanten Literaturkritiken wird deutlich, wer ihn inspiriert: Shakespeare, Borges, auch sein Freund Harold Pinter.
Die in »Sprachen der Wahrheit« erstmals versammelten und zum Teil bisher unveröffentlichten Texte aus den vergangenen zwei Jahrzehnten veranschaulichen, wie ernst Salman Rushdie seine Verantwortung als Weltautor nimmt. So sind seine geistreichen Schriften immer auch ein Plädoyer für das vielstimmige Miteinander der Kulturen.
»Salman Rushdie ist ein phantastischer Erzähler und einer der besten lebenden Essayisten.« Arno Widmann
Leben und Schreiben, Wirklichkeit und Fantasie sind bei kaum einem Autor so eng, so schicksalhaft miteinander verknüpft wie bei Salman Rushdie. Ob in seinem Weltbestseller »Mitternachtskinder«, in seinem jüngsten, hochgelobten Roman »Quichotte« oder in den vielzähligen Essays, die er über die Jahre vorgelegt hat – in jeder Zeile steckt er selbst: seine Suche nach einer allgemeingültigen Sprache, sein Glaube an die Kraft des Erzählens, seine Erfahrung als Verfolgter und Emigrant und damit verbunden seine radikale Absage an Unterdrückung und Diskriminierung. Das zeigen alle seine Werke eindrücklich. Klug und differenziert beleuchtet Rushdie in seinen Essays, Glossen und Reden die aktuelle Weltpolitik von Osama bin Laden bis Donald Trump, gibt Einblick in seine Ideenwelt und sein künstlerisches Schaffen. Gerade in seinen brillanten Literaturkritiken wird deutlich, wer ihn inspiriert: Shakespeare, Borges, auch sein Freund Harold Pinter.
Die in »Sprachen der Wahrheit« erstmals versammelten und zum Teil bisher unveröffentlichten Texte aus den vergangenen zwei Jahrzehnten veranschaulichen, wie ernst Salman Rushdie seine Verantwortung als Weltautor nimmt. So sind seine geistreichen Schriften immer auch ein Plädoyer für das vielstimmige Miteinander der Kulturen.
»Salman Rushdie ist ein phantastischer Erzähler und einer der besten lebenden Essayisten.« Arno Widmann
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensentin Carmen Eller bewegt sich gerne durch die bunte Textsammlung von Salman Rushdie. Unter den 2003-2020 entstandenen Essays finden sich Kritiken, Reden, Nachrufe und - obwohl Rushdie im selben Band seine Abneigung gegen Autobiografisches kundtut, wundert sich Eller - viele persönliche Anekdoten, etwa über seine Liebe zu Buchläden oder seine Covid-Infektion. Vor allem Rushdies oft scharfzüngige Verrisse scheint Eller spannend zu finden, wie auch die Kommentare zu religiösem Fanatismus - nur stellenweise scheinen ihr Rushdies Vorstellungen von Religion etwas kurz gedacht. Eine von Sabine Herting und Bernhard Robben gelungen übersetzte "Minibiografie" Rushdies und ein Loblied auf die Macht der Phantasie und der Sprache ergänzen den Band, freut sich Eller.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2021Ein Brocken
grünes Kryptonit
In seiner neuen Essaysammlung kommt
man Salman Rushdie ungewöhnlich nah
VON ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
In der neuen Essay-Sammlung Salman Rushdies taucht man gleich tief ein in den Kosmos, aus dem dieser wahrhaft polyglotte britische Autor seine Geschichten schöpft: Es ist der in Europa vielen fremde asiatische Kontinent mit seinen auf Hinduismus und Buddhismus basierenden Traditionen und seinem Geschichtenreichtum.
Von dort schlägt Rushdie eine Brücke ins Angelsächsische, macht aber auch immer wieder Ausflüge zu deutschsprachigen Dichtern und Denkern. Der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky kommt genauso vor wie etwa Günter Grass. Und immer wieder große Philosophen, oft Heraklit. Vor allem anderen legt Rushdie aber Wert darauf, ein „migrantischer Schriftsteller“ zu sein und sieht sich im Gegensatz zu sesshaften Kollegen wie William Faulkner. Entschieden wendet er sich gegen die Beschreibung, seine Literatur sei „magischer Realismus“.
Über das ganz aktuelle im Buch muss aber natürlich zuerst berichtet werden. Der einzige im engen Sinn neue Text des Bandes trägt den schmucklosen wie traurig aktuellen Titel „Pandemie“ und ist, ganz wie es der Untertitel verspricht, „eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Coronavirus“. Weniger als ein großes Denkstück liest man also, ausgehend von Rusdies eigener, 17 Tage dauernder Corona-Infektion, einen lakonischen Erlebnisbericht und einen kleinen Versuch über das Menschsein. Näher als Camus’ Pest liegt ihm zunächst eine Re-Lektüre von William Goldings dystopischer Geschichte „Herr der Fliegen“, „da ich in Goldings Darstellung der Zerbrechlichkeit der Zivilisation und der Leichtigkeit, mit der diese Hülle zerstört werden kann, um das Barbarentum darunter freizulegen, eine schreckliche und gültige Wahrheit fand“.
Ein Artikel im Londoner Guardian im Mai 2020 über eine echte Version der Golding-Saga, eine Gruppe australischer Schüler strandete 1995 auf einer verlassenen Insel im Pazifik, südlich von Tonga, kooperiert zivilisiert und wird anderthalb Jahre später in guter Verfassung gerettet, macht ihm dann allerdings schon wieder Hoffnung. Den Kommentar eine Freundes, er sei ja nun Superman, als er erzählt, dass bei ihm nun Antikörper nachgewiesen worden seien, kann er trotzdem nicht einfach so stehen lassen: „Ich fühle mich nicht besonders super. Und ich weiß, dass es für jeden Superman einen Brocken grünes Kryptonit gibt. Wir werden sehen.“
Man kommt dem Autor in diesen Essays näher als in seiner 2012 veröffentlichten offiziellen Autobiografie „Joseph Anton“. Wohl auch deshalb, weil der Essayist Rushdie – anders als in dem in der dritten Person erzählten „Joseph Anton“ – die Ich-Form hier nicht scheut. Viel erfährt man so über Rushdies Ängste nach der Fatwa nach der Veröffentlichung der „Satanischen Verse“, darüber etwa, wie es ist, wenn man einen falschen Namen tragen, in geheimen Wohnungen unter ständiger Bewachung leben muss – und was all das auch mit ihm nahehestehenden Menschen macht
Die in den Albträumen eines Protagonisten der „Satanischen Verse“ geschilderte Lebensdarstellung des Propheten Mohammed war einst der Anlass für den damaligen iranischen Staatschef Ruhollah Khomeini, Rushdie mittels einer Fatwa am 14. Februar 1989 zum Tod zu verurteilen. Begründet wurde diese Fatwa damit, das Buch sei „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“. Khomeini rief die Muslime in aller Welt zur Vollstreckung auf. Man erfährt auch, wie wichtig in der Zeit des Verstecktseins und der Flucht Freunde wie Harold Pinter oder Christopher Hitchens für Rushdie waren. Die Nachrufe auf diese Freunde gehören zu den berührenden Texten.
Man könnte überhaupt eine interessante Netzwerkanalyse erstellen mit dem Band. Rushdie verrät, welche Kolleginnen und Kollegen er schätzt und wen er für überschätzt hält (Dan Brown etwa). Es tauchen auch manche junge Literatinnen und Literaten auf, die es zu entdecken gilt.
Die persönliche Literaturgeschichte Rushdies von der Antike bis zur Gegenwart, die der Band auch enthält, ist ein mitreißende Suche nach dem bestmöglichen Erzählen für Erwachsene wie Kinder. „Die Blechtrommel“ von Günter Grass hat er als Collegestudent nicht zu Ende gelesen. Zehn Jahre später gab er dem Buch zweite Chance, „woraufhin er mein Lieblingsroman wurde: eines der Bücher, von dem ich sagen würde, dass ich es liebe“. Es stecken überhaupt viele literarische Liebeserklärungen in den Texten.
Immer wieder taucht Shakespeare auf, Rushdies Fixstern. Vorbilder sind auch Hans Christian Andersen, Samuel Beckett, Franz Kafka und Philip Roth, von dem er, so Rushdie, viel über das Schreiben von Sex-Szenen gelernt habe. Häufig erwähnt er seinen Roman „Mitternachtskinder“ und dass in dessen Protagonisten Saleem viel von Salman steckt. Auch das eine Einladung zum Lesen oder Wiederlesen. „Um Schriftsteller zu werden, muss man zuerst sich selbst verstehen, und es ist schwieriger, dieses Verständnis zu erlangen, wenn das eigene Ich auf der Welt zerstreut ist“, schreibt Rushdie an einer Stelle und nimmt ganz nebenbei auch literarische Definitionen vor. Eine Fiktion etwa solle „wild fantastisch“ sein, eine Autobiografie jedoch „entschieden realistisch“.
Mit den Reden, der er über die Jahre an Universitäten gehalten hat, will Rushdie etwas weitergeben von dieser Leidenschaft. Er hat durchaus ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein – gerade, wenn es um Meinungs- und Pressefreiheit geht. Das Streiten um Argumente, um das Sagbare, die Zurückweisung von Zensur – oder gar Selbstzensur – ist eine seiner zentralen Triebfedern für sein Schreiben und Handeln. Die passende Klammer deutet der Titel unmissverständlich an: „Sprachen der Wahrheit“. Immer plädiert Rushdie für das vielstimmige Miteinander der Kulturen, das das literarische Schreiben genauso inspirieren soll wie das eigene Leben.
Warum das Buch allerdings in vier Teile gegliedert ist, hätte einer Erklärung bedurft genauso vielleicht wie die Gründe für die Auswahl der Texte. Und leider fehlen auch ausführlichere editorische Notizen zu jedem der Beiträge. Der kurze Hinweis im Anhang ist nicht genug.
Aber wie auch immer, bestimmt nicht vollkommen daneben liegt man, wenn man davon ausgeht, dass es bei dieser Textsammlung auch um eine Art Vermächtnis geht, um das, was neben den Romanen, vom Denken Rushdies, der gerade 74 Jahre alt geworden ist, bleiben soll. Im besten Fall, so ist anzunehmen, findet sich dereinst jemand, der zu seinem Tod schreibt, was Rushdie einst aus Anlass von Harold Pinters Tod versprochen hat: „Wir werden die Arbeit fortsetzen und werden das geschriebene Wort und diejenigen verteidigen, die alles riskieren, um die Wahrheit zu sagen.“
Viele literarische
Liebeserklärungen
stecken in diesen Texten
Es geht um die Verteidigung
all jener, „die alles riskieren,
um die Wahrheit zu sagen“
Salman Rushdie: Sprachen der Wahrheit – Texte 2003-2020. C. Bertelsmann, München 2021. 480 Seiten, 26 Euro.
„Wild fantastisch“ und „entschieden realistisch“: der britische Schriftsteller und Essayist Salman Rushdie.
Foto: Eliza Griffiths
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
grünes Kryptonit
In seiner neuen Essaysammlung kommt
man Salman Rushdie ungewöhnlich nah
VON ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID
In der neuen Essay-Sammlung Salman Rushdies taucht man gleich tief ein in den Kosmos, aus dem dieser wahrhaft polyglotte britische Autor seine Geschichten schöpft: Es ist der in Europa vielen fremde asiatische Kontinent mit seinen auf Hinduismus und Buddhismus basierenden Traditionen und seinem Geschichtenreichtum.
Von dort schlägt Rushdie eine Brücke ins Angelsächsische, macht aber auch immer wieder Ausflüge zu deutschsprachigen Dichtern und Denkern. Der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky kommt genauso vor wie etwa Günter Grass. Und immer wieder große Philosophen, oft Heraklit. Vor allem anderen legt Rushdie aber Wert darauf, ein „migrantischer Schriftsteller“ zu sein und sieht sich im Gegensatz zu sesshaften Kollegen wie William Faulkner. Entschieden wendet er sich gegen die Beschreibung, seine Literatur sei „magischer Realismus“.
Über das ganz aktuelle im Buch muss aber natürlich zuerst berichtet werden. Der einzige im engen Sinn neue Text des Bandes trägt den schmucklosen wie traurig aktuellen Titel „Pandemie“ und ist, ganz wie es der Untertitel verspricht, „eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Coronavirus“. Weniger als ein großes Denkstück liest man also, ausgehend von Rusdies eigener, 17 Tage dauernder Corona-Infektion, einen lakonischen Erlebnisbericht und einen kleinen Versuch über das Menschsein. Näher als Camus’ Pest liegt ihm zunächst eine Re-Lektüre von William Goldings dystopischer Geschichte „Herr der Fliegen“, „da ich in Goldings Darstellung der Zerbrechlichkeit der Zivilisation und der Leichtigkeit, mit der diese Hülle zerstört werden kann, um das Barbarentum darunter freizulegen, eine schreckliche und gültige Wahrheit fand“.
Ein Artikel im Londoner Guardian im Mai 2020 über eine echte Version der Golding-Saga, eine Gruppe australischer Schüler strandete 1995 auf einer verlassenen Insel im Pazifik, südlich von Tonga, kooperiert zivilisiert und wird anderthalb Jahre später in guter Verfassung gerettet, macht ihm dann allerdings schon wieder Hoffnung. Den Kommentar eine Freundes, er sei ja nun Superman, als er erzählt, dass bei ihm nun Antikörper nachgewiesen worden seien, kann er trotzdem nicht einfach so stehen lassen: „Ich fühle mich nicht besonders super. Und ich weiß, dass es für jeden Superman einen Brocken grünes Kryptonit gibt. Wir werden sehen.“
Man kommt dem Autor in diesen Essays näher als in seiner 2012 veröffentlichten offiziellen Autobiografie „Joseph Anton“. Wohl auch deshalb, weil der Essayist Rushdie – anders als in dem in der dritten Person erzählten „Joseph Anton“ – die Ich-Form hier nicht scheut. Viel erfährt man so über Rushdies Ängste nach der Fatwa nach der Veröffentlichung der „Satanischen Verse“, darüber etwa, wie es ist, wenn man einen falschen Namen tragen, in geheimen Wohnungen unter ständiger Bewachung leben muss – und was all das auch mit ihm nahehestehenden Menschen macht
Die in den Albträumen eines Protagonisten der „Satanischen Verse“ geschilderte Lebensdarstellung des Propheten Mohammed war einst der Anlass für den damaligen iranischen Staatschef Ruhollah Khomeini, Rushdie mittels einer Fatwa am 14. Februar 1989 zum Tod zu verurteilen. Begründet wurde diese Fatwa damit, das Buch sei „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“. Khomeini rief die Muslime in aller Welt zur Vollstreckung auf. Man erfährt auch, wie wichtig in der Zeit des Verstecktseins und der Flucht Freunde wie Harold Pinter oder Christopher Hitchens für Rushdie waren. Die Nachrufe auf diese Freunde gehören zu den berührenden Texten.
Man könnte überhaupt eine interessante Netzwerkanalyse erstellen mit dem Band. Rushdie verrät, welche Kolleginnen und Kollegen er schätzt und wen er für überschätzt hält (Dan Brown etwa). Es tauchen auch manche junge Literatinnen und Literaten auf, die es zu entdecken gilt.
Die persönliche Literaturgeschichte Rushdies von der Antike bis zur Gegenwart, die der Band auch enthält, ist ein mitreißende Suche nach dem bestmöglichen Erzählen für Erwachsene wie Kinder. „Die Blechtrommel“ von Günter Grass hat er als Collegestudent nicht zu Ende gelesen. Zehn Jahre später gab er dem Buch zweite Chance, „woraufhin er mein Lieblingsroman wurde: eines der Bücher, von dem ich sagen würde, dass ich es liebe“. Es stecken überhaupt viele literarische Liebeserklärungen in den Texten.
Immer wieder taucht Shakespeare auf, Rushdies Fixstern. Vorbilder sind auch Hans Christian Andersen, Samuel Beckett, Franz Kafka und Philip Roth, von dem er, so Rushdie, viel über das Schreiben von Sex-Szenen gelernt habe. Häufig erwähnt er seinen Roman „Mitternachtskinder“ und dass in dessen Protagonisten Saleem viel von Salman steckt. Auch das eine Einladung zum Lesen oder Wiederlesen. „Um Schriftsteller zu werden, muss man zuerst sich selbst verstehen, und es ist schwieriger, dieses Verständnis zu erlangen, wenn das eigene Ich auf der Welt zerstreut ist“, schreibt Rushdie an einer Stelle und nimmt ganz nebenbei auch literarische Definitionen vor. Eine Fiktion etwa solle „wild fantastisch“ sein, eine Autobiografie jedoch „entschieden realistisch“.
Mit den Reden, der er über die Jahre an Universitäten gehalten hat, will Rushdie etwas weitergeben von dieser Leidenschaft. Er hat durchaus ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein – gerade, wenn es um Meinungs- und Pressefreiheit geht. Das Streiten um Argumente, um das Sagbare, die Zurückweisung von Zensur – oder gar Selbstzensur – ist eine seiner zentralen Triebfedern für sein Schreiben und Handeln. Die passende Klammer deutet der Titel unmissverständlich an: „Sprachen der Wahrheit“. Immer plädiert Rushdie für das vielstimmige Miteinander der Kulturen, das das literarische Schreiben genauso inspirieren soll wie das eigene Leben.
Warum das Buch allerdings in vier Teile gegliedert ist, hätte einer Erklärung bedurft genauso vielleicht wie die Gründe für die Auswahl der Texte. Und leider fehlen auch ausführlichere editorische Notizen zu jedem der Beiträge. Der kurze Hinweis im Anhang ist nicht genug.
Aber wie auch immer, bestimmt nicht vollkommen daneben liegt man, wenn man davon ausgeht, dass es bei dieser Textsammlung auch um eine Art Vermächtnis geht, um das, was neben den Romanen, vom Denken Rushdies, der gerade 74 Jahre alt geworden ist, bleiben soll. Im besten Fall, so ist anzunehmen, findet sich dereinst jemand, der zu seinem Tod schreibt, was Rushdie einst aus Anlass von Harold Pinters Tod versprochen hat: „Wir werden die Arbeit fortsetzen und werden das geschriebene Wort und diejenigen verteidigen, die alles riskieren, um die Wahrheit zu sagen.“
Viele literarische
Liebeserklärungen
stecken in diesen Texten
Es geht um die Verteidigung
all jener, „die alles riskieren,
um die Wahrheit zu sagen“
Salman Rushdie: Sprachen der Wahrheit – Texte 2003-2020. C. Bertelsmann, München 2021. 480 Seiten, 26 Euro.
„Wild fantastisch“ und „entschieden realistisch“: der britische Schriftsteller und Essayist Salman Rushdie.
Foto: Eliza Griffiths
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Er wird bald wieder aufstehen und das Wort ergreifen, davon kann man ausgehen, in Büchern, auf Bühnen weltweit. Zurück in der Rolle seines Lebens: als Symbol für die Meinungsfreiheit. Nicht am Ende seines Kampfs, sondern mittendrin. Einer, der einen Preis für die Freiheit bezahlt hat. Und trotzdem nicht schweigt.« Stern